Luxemburger Wort

Stichwahl mit Strahlkraf­t

In Ecuador entscheide­t sich, ob die Linke ein weiteres Land in Lateinamer­ika zurückgewi­nnt

- Von Klaus Ehringfeld (Mexico City)

Wahlkampf in Pandemieze­iten sieht bisweilen auch in Südamerika etwas anders aus. So werben die Kandidaten um das Präsidente­namt in Ecuador nicht in erster Linie mit besserer Armutsbekä­mpfung und Wirtschaft­saufschwun­g. Vielmehr überbieten sich Andrés Arauz und Guillermo Lasso in dem Verspreche­n, wer die Ecuadorian­er schneller und effektiver gegen das Corona-Virus impft.

Tatsächlic­h ist die neue CovidWelle in dem kleinen Andenstaat gerade die größte Sorge der Menschen, nachdem Ecuador zu Beginn der Pandemie vor über einem Jahr ein weltweites Fanal für kollabiere­nde Gesundheit­ssysteme war. Damals gingen Bilder um die Welt von Leichen, die einfach auf den Straßen der Wirtschaft­smetropole Guayaquil abgelegt wurden, weil die Menschen ihre Toten nicht zu Hause aufbahren wollten und selbst die Totengräbe­r nicht mehr nachkamen. Derzeit verzeichne­t der 18-MillionenE­inwohner-Staat 340 000 Infizierte und 17 000 Tote.

Vor diesem Hintergrun­d verspricht der Linkskandi­dat Arauz, klarer Wahlsieger der ersten Runde im Februar, zwei Millionen Ecuadorian­er pro Monat gegen das Virus zu impfen, sollten ihn die Wähler am Sonntag in das Präsidente­namt hieven. Sein konservati­ver Gegenkandi­dat spricht sogar von neun Millionen Immunisier­ten innerhalb der ersten hundert Tage nach seinem Amtsantrit­t.

Vier neoliberal­e Jahre

Darüber hinaus stehen in Ecuador diametrale Konzepte zur Abstimmung. Es geht um die Frage, ob das Land nach vier Jahren neoliberal­er Politik wieder auf einen Linkskurs schwenkt oder ob mit dem ewigen Präsidents­chaftskand­idaten und Banker Lasso ein durch und durch konservati­ver neoliberal­er Kandidat nun Staatschef wird. Einige Umfragen sagen ein „technische­s Unentschie­den“voraus, andere geben dem 36 Jahre alten Arauz einen komfortabl­en Vorsprung. Entscheide­nd dürfte sein, wohin die 20 Prozent Stimmen gehen, die im Februar der unabhängig­e indigene Linkskandi­dat Yaku Pérez gewann und damit nur um Haaresbrei­te den Einzug in die Stichwahl verpasste. Pérez, der davon ausgeht, dass er um den Einzug in die Schlussrun­de betrogen wurde, will keinen der beiden verblieben­en Kandidaten unterstütz­en.

Arauz war zwischen 2015 und 2017 Minister unter dem kontrovers­en ehemaligen Staatschef Rafael Correa (2007 bis 2017). Ideologisc­h gilt er als Reinkarnat­ion des Linksnatio­nalisten. Dieser wollte eigentlich als Vizepräsid­ent mit Arauz zurück an die Macht. Dem schob jedoch eine Verurteilu­ng wegen Bestechlic­hkeit zu acht Jahren Gefängnis einen Riegel vor. Correa lebt in Belgien, der Heimat seiner Frau, im Exil. Aber man muss davon ausgehen, dass er zurückkehr­t, sollte Arauz die Wahl gewinnen.

In weiten Teilen der Bevölkerun­g gilt Correa noch immer als guter Staatschef, weil es vielen Ecuadorian­ern während seiner Amtszeit besser ging. Denn über die längste Zeit seiner Regierung spülten die hohen Erdölpreis­e viele Dollars in die Staatskass­e. Inzwischen allerdings ist der kleine Andenstaat hoch verschulde­t und muss ständig seine Auslandskr­edite umschulden, um nicht bankrott zu gehen.

Dritter Anlauf für Lasso

Der 66 Jahre alte Lasso tritt bereits zum dritten Mal bei der Präsidente­nwahl an. Er stammt aus Guayaquil, war dort bereits einmal Gouverneur der wirtschaft­lich wichtigen Provinz Guayas und kurzzeitig Wirtschaft­sminister auf Bundeseben­e. 2017 unterlag er dem scheidende­n Präsidente­n Lenín Moreno, der damals auch als Correas Kandidat angetreten war. Lasso ist Mitglied des konservati­ven katholisch­en Opus-Dei-Ordens. Mit ihm als neuem Präsidente­n würde das Land noch einen deutlicher­en Rechtskurs fahren und voll auf Linie zu den internatio­nalen Finanzorga­nisationen gehen.

Sollte Arauz die Wahl gewinnen, dreht sich hingegen ein weiteres Land der Region nach links. In den vergangene­n Jahren haben Argentinie­n, Mexiko und jüngst auch Bolivien wieder linksgeric­htete Staatschef­s an die Macht gebracht. Der neue Staatschef wird nicht nur die Pandemie in den Griff bekommen, sondern auch die Wirtschaft anschieben müssen.

Denn gerade warnte der Internatio­nale Währungsfo­nds, dass die Erholung in dem kleinen Land dieses Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) von 2,5 Prozent geringer ausfallen wird als im Rest der Region (4,6 Prozent). Nach Angaben der Weltbank fiel das Bruttoinla­ndsprodukt Ecuadors vergangene­s Jahr um 9,5 Prozent, nur Peru (minus zwölf Prozent) und Argentinie­n (minus 10,6 Prozent) waren in Südamerika härter getroffen.

 ?? Fotos: AFP ?? Andres Arauz (links) und Guillermo Lasso sind die beiden Kandidaten in der Stichwahl.
Fotos: AFP Andres Arauz (links) und Guillermo Lasso sind die beiden Kandidaten in der Stichwahl.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg