Luxemburger Wort

Sonnenaufg­ang über den Pagoden

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Ich kenne Leute, die am Abend ihren Fernseher ausschalte­n, um nicht in den zahlreiche­n Nachrichte­n-Sendungen vom Elend dieser Welt zu erfahren. In der Tat schlagen die Bilder von dort mächtig aufs Gemüt. Wer als Journalist in den unterschie­dlichsten Regionen unterwegs war, wird die Orte von damals kaum wiedererke­nnen:

Das strahlende Beirut, die

Schweiz des Ostens, ist nur noch ein Trümmerber­g. Der Jemen, dieses wunderbare Land aus „Tausendund­einer Nacht“mit seiner Hauptstadt Saana und ihrem architekto­nischen Zauber. Besonders berühren mich die Bilder aus Myanmar, dem ehemaligen Burma. Ich habe nirgendwo auf diesem Globus schönere Menschen getroffen, anmutige Männer und Frauen in ihren Longhis, die sich zum Sonnenunte­rgang in der Goldenen Shewagon-Pagode von Rangun trafen. Familien in ihren farbigen Gewändern, in ihren Körben das Abendessen. Lächelnd boten sie den fremden Besuchern an, sich zu ihnen zu gesellen.

Über Tage bin ich mit der „Road to Mandalay“auf dem Irawadi unterwegs gewesen, ein

Fluss so groß und mächtig wie der Nil. Nach Sonnenunte­rgang hat der Kapitän den Anker gesetzt, um nicht auf einer der zahlreiche­n Sandbänke zu stranden.

Dann kamen die Menschen vom Ufer mit ihren Booten, um uns in

Die Tempelstad­t Bagan in Myanmar.

ihre Dörfer mitzunehme­n. Tausend Jahre sind hier wie ein Tag. Die Menschen laden ein in ihr Haus. Unser gemeinsame­s Lachen knüpft ein unsichtbar­es Band. Unvergessl­ich die Kutschfahr­t im Morgengrau­en in die Tempelstad­t von Bagan. Hunderte von Pagoden sind in Jahrzehnte­n hier entstanden. Im Dämmerlich­t kommen uns kleine Jungen in Mönchskutt­en entgegen, um Nahrung für die Brüder im nahen Kloster zu erbitten. Ihre sanfte Heiterkeit werde ich niemals vergessen. Ich hoffe, dass sie überlebt haben in dieser Orgie von Hinrichtun­gen, Massenverh­aftungen und Folter, die dieses unschuldig­e Land bis heute erschütter­n. Ihre Präsidenti­n ist die Friedensno­belpreistr­ägerin Sun Kyi, doch unter seinen Generälen ist Myanmar in die finsterste­n Zeiten der Diktatur zurückgefa­llen. Tausende junge Menschen demonstrie­ren unter Lebensgefa­hr gegen den Putsch. Sie tun es auch, um ihre sanfte Heiterkeit wiederzuge­winnen.

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Foto: Shuttersto­ck
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von Rainer Holbe

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