Aus Fehlern der Vergangenheit lernen
Wie der Pacte Logement 2.0 mehr erschwinglichen Wohnraum schafft – und dabei die Lebensqualität nicht vernachlässigt
Die Preise für Wohnungen steigen. Auch im Jahr 2020 hat sich dieser Preisanstieg beschleunigt. Das belastet vor allem die junge Generation und jene, die ins Land ziehen, um hier zu arbeiten und zu leben. Dabei steigen die Wohnungspreise seit Jahren schneller als die Löhne. Die Immobilienpreise werden jedoch auch durch ein Übermaß an billigem Geld und günstigen Hypothekenkrediten getrieben. Die Gründe für die Probleme am Wohnungsmarkt sind also vielschichtig und einfache Lösungen gibt es nicht. Deshalb müssen wir alle Lösungsansätze zu einem starken Strang verflechten.
Der Wohnungsbauminister kann weder den Kapitalmarkt neu regeln, noch Planungsprozeduren vereinfachen – und gerade jene sind zum Schutz unserer Umwelt absolut notwendig. Er kann jedoch den subventionierten Wohnungsbau beschleunigen und dazu beitragen, dass Wohnungen in öffentlicher Hand geschaffen werden, die erschwinglich sind und dies auch bleiben.
Die Neuauflage des Pacte Logement mit den Gemeinden bietet hierzu einen wichtigen Ansatz. Die Gemeinden werden besser und vor allem zielorientiert unterstützt, damit flächendeckend erschwinglicher Wohnraum geschaffen wird.
Im Rahmen des ersten Pacte Logement, wurden während zehn Jahren zwar 400 Millionen Euro an die Gemeinden ausbezahlt, aber wir wissen nicht, wie viel erschwingliche Wohnungen daraus entstanden sind. Auch wurden die Gemeinden nicht strukturell gestärkt, um den Herausforderungen des Wohnungsmarktes zu begegnen. Gemeinsam mit dem Syvicol und den Akteuren vor Ort hat das Wohnungsbauministerium in den letzten drei Jahren die Weichen gestellt für einen Pakt 2.0, der auf drei Säulen aufgebaut ist.
Die kommunale Wohnungsstrategie Die Teilnahme der Gemeinden am Wohnungspakt ist zwar freiwillig, aber nicht beliebig. Die Gemeinden erhalten zuerst eine professionelle Unterstützung, um ihre eigene kommunale Wohnungsstrategie aufzustellen. Dazu müssen die Gemeindeverantwortlichen in den drei zentralen Bereichen des Wohnungspaktes aufzeigen, wo sie stehen und welche Projekte umgesetzt werden sollen, um die Entwicklung von bezahlbarem Wohnraum zu beschleunigen, das bestehende Bau- und Wohnpotenzial zu erschließen und dabei die Lebensqualität in der Stadt- und Quartiersentwicklung zu verbessern. Dabei geht es nicht darum, „den Perimeter“auszuweiten. Vorrangig ist es, das bestehende Wohnungspotenzial zu mobilisieren, also die leer stehenden Wohnungen wieder bewohnbar zu machen, Baulücken und brachliegende Bauplätze ihrer Bestimmung zuzuführen und in diesen Bereichen die kommunalen Handlungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen (Stichwort: Erschließungsund Baupflicht).
Wir verfügen über 2 800 Hektar ungenutztes Bauland, davon 900 Hektar brach liegende Bauplätze. Diese Fläche reicht für über 100 000 zusätzliche Wohnungen. Außerdem: mit dem Schrumpfen der Haushaltsgrößen wird es wichtiger, bestehende Wohnungen besser zu nutzen. Warum also nicht ein kommunales Programm auflegen, damit aus frei stehenden Einfamilienhäusern aus den 60er und 70er Jahren Mehrfamilienhäuser werden? Unten eine ebenerdige Einliegerwohnung für die ältere Generation und darüber ein „Duplex“für die junge Familie mit Kindern. Oder intergenerationelles Zusammenleben in Wohngemeinschaften fördern, in denen jeder seinen eigenen privaten Bereich hat, es daneben aber auch Küche und Räume fürs Zusammenleben und –feiern gibt. Der Wandel unserer Lebensgewohnheiten und der Mangel an Wohnraum erfordern, dass wir über neue Wege nachdenken und sie umsetzen. Der neue Pacte Logement 2.0 setzt hierfür auf lokale Initiativen, aus denen wir alle lernen können. Wenn diese Wohnungsstrategie im Gemeinderat angenommen wurde, startet die Phase zwei des Paktes.
Beratung und Projekte
Die professionelle Beratung der Gemeinden steht ganz im Vordergrund des Pacte Logement 2.0. Insgesamt werden wir den Gemeinden mit etwa 35 zusätzlichen Wohnungsberatern zu Seite stehen, damit sie ihre ambitionierten Projekte bis 2032 umsetzen können. Diese fungieren vor allem als Projektmanager. Nach Bedarf können die Gemeinden sich zusätzliche fachliche Beratung besorgen. Dafür nutzen sie das zur Verfügung stehende Budget für Projekte.
Auch bei der Geldverteilung setzt der Pacte Logement 2.0 neue Maßstäbe. Der kommunale Geldtopf wird nicht aufgrund von Bevölkerungswachstum gefüllt, sondern aufgrund der Anzahl an geschaffenen bezahlbaren Wohnungen. Dabei ist es egal, ob diese staatlich geförderten Wohnungen durch kommunale Eigeninitiative entstehen oder durch öffentliche oder private Bauträger.
Das Geld wird den Gemeinden ausgezahlt, wenn sie Projekte im Rahmen ihrer kommunalen Wohnungsstrategie
umsetzen zu den drei oben genannten Ziele des Paktes. Dabei ist wichtig, dass alle Ziele bedient werden. Der neue Pakt setzt bewusst auf gleichberechtigte Umsetzung der Lebensqualität in den Wohnvierteln, Investition in den sozialen Zusammenhalt, Mobilisierung im Bestand und die Schaffung zusätzlicher erschwinglicher Wohnungen.
Es wird oft beklagt, dass der Pacte Logement 2.0 nicht verpflichtend ist und dadurch nur die willigen Gemeinden sich dem Problem stellen würden. Das ist ein Irrtum. Im Gegensatz zum ersten Pakt wird der doppelte Automatismus des bezahlbaren Wohnraums eingeführt, durch den bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, verpflichtend und automatisch, ohne Zutun der Gemeinden.
Der neue doppelte Automatismus Dafür wurde der Artikel 29 des Gemeindeplanungsgesetzes überarbeitet und ergänzt. In Zukunft werden bei allen Teilbebauungsplänen (PAP) innerhalb des bestehenden Perimeters mit mehr als zehn Wohnungen mindestens zehn Prozent erschwinglicher Wohnraum entstehen, bei mehr als 25 Wohnungen sind es sogar mindestens 15 Prozent und bei den Flächen des „Plan sectoriel Logement“sogar 30 Prozent.
Bei Perimeter-Erweiterungen, die erst notwendig werden, wenn die 2 800 zur Verfügung stehenden Hektar Bauland aufgebraucht sind, werden mindestens 20 Prozent der Baufläche dem bezahlbaren Wohnraum zugeführt. Das ist nicht nur wesentlich mehr als bisher, es entstehen hier vor allem Wohnungen, die wirklich bezahlbar sind und nicht „im Markt“verschwinden. Denn sie sind in Zukunft in der Hand von öffentlichen Bauträgern, seien es die Gemeinden, der Fonds du Logement oder der SNHBM.
Der doppelte Automatismus entsteht dadurch, dass die Bauflächen hierzu nicht mehr teuer von der öffentlichen Hand bezahlt werden müssen. Stattdessen werden die Bauträger durch eine automatische und einheitliche Erhöhung ihres Baurechts um zehn Prozent entschädigt.
Modellprojekt
Dass dies funktioniert, gerecht ist und keine untragbare Verdichtung der Quartiere darstellt, zeigen die Verhandlungen, die das Wohnungsbauministerium in Mersch mit der Gemeinde und den Bauträgern des ehemaligen Agrarzenters geführt hat. Statt wie bisher die vorgesehenen zehn Prozent erschwinglicher Wohnraum buchstäblich im Sand verlaufen zu lassen, wurde beschlossen, dass der Staat die Flächen unterhalb des Marktpreises aufkauft. Zusätzlich hat die Gemeinde das Baurecht angehoben und somit nicht nur zur Entschädigung des Bauträgers beigetragen, sondern auch noch dafür gesorgt, dass das verfügbare Bauland besser genutzt wird. Dieses Modell stand Pate bei der Neufassung des Artikel 29bis im Gemeindeplanungsgesetz. Wenn der Staatsrat und die Abgeordnetenkammer den Vorschlag annehmen, wird in Zukunft landesweit in sämtlichen Gemeinden des Landes verpflichtend öffentlicher erschwinglicher Wohnraum entstehen. Damit hätten wir Lebensqualität, rationelle Flächennutzung, Umweltschutz und öffentlichen Wohnungsbau sinnvoll gestärkt.
Da diese Wohnungen ausschließlich von öffentlichen Wohnungsträgern geschaffen werden, entsteht ein steigendes Angebot an öffentlichen Miet- und Eigentumswohnungen, die auf Dauer erschwinglich bleiben. So können auch die künftigen Generationen in den Genuss von erschwinglichen Wohnungen kommen.
Die Gemeinden werden besser und vor allem zielorientiert unterstützt, damit flächendeckend erschwinglicher Wohnraum geschaffen wird.