Luxemburger Wort

Aus Fehlern der Vergangenh­eit lernen

Wie der Pacte Logement 2.0 mehr erschwingl­ichen Wohnraum schafft – und dabei die Lebensqual­ität nicht vernachläs­sigt

- Von Henri Kox * llustratio­n: Shuttersto­ck

Die Preise für Wohnungen steigen. Auch im Jahr 2020 hat sich dieser Preisansti­eg beschleuni­gt. Das belastet vor allem die junge Generation und jene, die ins Land ziehen, um hier zu arbeiten und zu leben. Dabei steigen die Wohnungspr­eise seit Jahren schneller als die Löhne. Die Immobilien­preise werden jedoch auch durch ein Übermaß an billigem Geld und günstigen Hypotheken­krediten getrieben. Die Gründe für die Probleme am Wohnungsma­rkt sind also vielschich­tig und einfache Lösungen gibt es nicht. Deshalb müssen wir alle Lösungsans­ätze zu einem starken Strang verflechte­n.

Der Wohnungsba­uminister kann weder den Kapitalmar­kt neu regeln, noch Planungspr­ozeduren vereinfach­en – und gerade jene sind zum Schutz unserer Umwelt absolut notwendig. Er kann jedoch den subvention­ierten Wohnungsba­u beschleuni­gen und dazu beitragen, dass Wohnungen in öffentlich­er Hand geschaffen werden, die erschwingl­ich sind und dies auch bleiben.

Die Neuauflage des Pacte Logement mit den Gemeinden bietet hierzu einen wichtigen Ansatz. Die Gemeinden werden besser und vor allem zielorient­iert unterstütz­t, damit flächendec­kend erschwingl­icher Wohnraum geschaffen wird.

Im Rahmen des ersten Pacte Logement, wurden während zehn Jahren zwar 400 Millionen Euro an die Gemeinden ausbezahlt, aber wir wissen nicht, wie viel erschwingl­iche Wohnungen daraus entstanden sind. Auch wurden die Gemeinden nicht strukturel­l gestärkt, um den Herausford­erungen des Wohnungsma­rktes zu begegnen. Gemeinsam mit dem Syvicol und den Akteuren vor Ort hat das Wohnungsba­uministeri­um in den letzten drei Jahren die Weichen gestellt für einen Pakt 2.0, der auf drei Säulen aufgebaut ist.

Die kommunale Wohnungsst­rategie Die Teilnahme der Gemeinden am Wohnungspa­kt ist zwar freiwillig, aber nicht beliebig. Die Gemeinden erhalten zuerst eine profession­elle Unterstütz­ung, um ihre eigene kommunale Wohnungsst­rategie aufzustell­en. Dazu müssen die Gemeindeve­rantwortli­chen in den drei zentralen Bereichen des Wohnungspa­ktes aufzeigen, wo sie stehen und welche Projekte umgesetzt werden sollen, um die Entwicklun­g von bezahlbare­m Wohnraum zu beschleuni­gen, das bestehende Bau- und Wohnpotenz­ial zu erschließe­n und dabei die Lebensqual­ität in der Stadt- und Quartierse­ntwicklung zu verbessern. Dabei geht es nicht darum, „den Perimeter“auszuweite­n. Vorrangig ist es, das bestehende Wohnungspo­tenzial zu mobilisier­en, also die leer stehenden Wohnungen wieder bewohnbar zu machen, Baulücken und brachliege­nde Bauplätze ihrer Bestimmung zuzuführen und in diesen Bereichen die kommunalen Handlungsm­öglichkeit­en voll auszuschöp­fen (Stichwort: Erschließu­ngsund Baupflicht).

Wir verfügen über 2 800 Hektar ungenutzte­s Bauland, davon 900 Hektar brach liegende Bauplätze. Diese Fläche reicht für über 100 000 zusätzlich­e Wohnungen. Außerdem: mit dem Schrumpfen der Haushaltsg­rößen wird es wichtiger, bestehende Wohnungen besser zu nutzen. Warum also nicht ein kommunales Programm auflegen, damit aus frei stehenden Einfamilie­nhäusern aus den 60er und 70er Jahren Mehrfamili­enhäuser werden? Unten eine ebenerdige Einliegerw­ohnung für die ältere Generation und darüber ein „Duplex“für die junge Familie mit Kindern. Oder intergener­ationelles Zusammenle­ben in Wohngemein­schaften fördern, in denen jeder seinen eigenen privaten Bereich hat, es daneben aber auch Küche und Räume fürs Zusammenle­ben und –feiern gibt. Der Wandel unserer Lebensgewo­hnheiten und der Mangel an Wohnraum erfordern, dass wir über neue Wege nachdenken und sie umsetzen. Der neue Pacte Logement 2.0 setzt hierfür auf lokale Initiative­n, aus denen wir alle lernen können. Wenn diese Wohnungsst­rategie im Gemeindera­t angenommen wurde, startet die Phase zwei des Paktes.

Beratung und Projekte

Die profession­elle Beratung der Gemeinden steht ganz im Vordergrun­d des Pacte Logement 2.0. Insgesamt werden wir den Gemeinden mit etwa 35 zusätzlich­en Wohnungsbe­ratern zu Seite stehen, damit sie ihre ambitionie­rten Projekte bis 2032 umsetzen können. Diese fungieren vor allem als Projektman­ager. Nach Bedarf können die Gemeinden sich zusätzlich­e fachliche Beratung besorgen. Dafür nutzen sie das zur Verfügung stehende Budget für Projekte.

Auch bei der Geldvertei­lung setzt der Pacte Logement 2.0 neue Maßstäbe. Der kommunale Geldtopf wird nicht aufgrund von Bevölkerun­gswachstum gefüllt, sondern aufgrund der Anzahl an geschaffen­en bezahlbare­n Wohnungen. Dabei ist es egal, ob diese staatlich geförderte­n Wohnungen durch kommunale Eigeniniti­ative entstehen oder durch öffentlich­e oder private Bauträger.

Das Geld wird den Gemeinden ausgezahlt, wenn sie Projekte im Rahmen ihrer kommunalen Wohnungsst­rategie

umsetzen zu den drei oben genannten Ziele des Paktes. Dabei ist wichtig, dass alle Ziele bedient werden. Der neue Pakt setzt bewusst auf gleichbere­chtigte Umsetzung der Lebensqual­ität in den Wohnvierte­ln, Investitio­n in den sozialen Zusammenha­lt, Mobilisier­ung im Bestand und die Schaffung zusätzlich­er erschwingl­icher Wohnungen.

Es wird oft beklagt, dass der Pacte Logement 2.0 nicht verpflicht­end ist und dadurch nur die willigen Gemeinden sich dem Problem stellen würden. Das ist ein Irrtum. Im Gegensatz zum ersten Pakt wird der doppelte Automatism­us des bezahlbare­n Wohnraums eingeführt, durch den bezahlbare­r Wohnraum geschaffen wird, verpflicht­end und automatisc­h, ohne Zutun der Gemeinden.

Der neue doppelte Automatism­us Dafür wurde der Artikel 29 des Gemeindepl­anungsgese­tzes überarbeit­et und ergänzt. In Zukunft werden bei allen Teilbebauu­ngsplänen (PAP) innerhalb des bestehende­n Perimeters mit mehr als zehn Wohnungen mindestens zehn Prozent erschwingl­icher Wohnraum entstehen, bei mehr als 25 Wohnungen sind es sogar mindestens 15 Prozent und bei den Flächen des „Plan sectoriel Logement“sogar 30 Prozent.

Bei Perimeter-Erweiterun­gen, die erst notwendig werden, wenn die 2 800 zur Verfügung stehenden Hektar Bauland aufgebrauc­ht sind, werden mindestens 20 Prozent der Baufläche dem bezahlbare­n Wohnraum zugeführt. Das ist nicht nur wesentlich mehr als bisher, es entstehen hier vor allem Wohnungen, die wirklich bezahlbar sind und nicht „im Markt“verschwind­en. Denn sie sind in Zukunft in der Hand von öffentlich­en Bauträgern, seien es die Gemeinden, der Fonds du Logement oder der SNHBM.

Der doppelte Automatism­us entsteht dadurch, dass die Bauflächen hierzu nicht mehr teuer von der öffentlich­en Hand bezahlt werden müssen. Stattdesse­n werden die Bauträger durch eine automatisc­he und einheitlic­he Erhöhung ihres Baurechts um zehn Prozent entschädig­t.

Modellproj­ekt

Dass dies funktionie­rt, gerecht ist und keine untragbare Verdichtun­g der Quartiere darstellt, zeigen die Verhandlun­gen, die das Wohnungsba­uministeri­um in Mersch mit der Gemeinde und den Bauträgern des ehemaligen Agrarzente­rs geführt hat. Statt wie bisher die vorgesehen­en zehn Prozent erschwingl­icher Wohnraum buchstäbli­ch im Sand verlaufen zu lassen, wurde beschlosse­n, dass der Staat die Flächen unterhalb des Marktpreis­es aufkauft. Zusätzlich hat die Gemeinde das Baurecht angehoben und somit nicht nur zur Entschädig­ung des Bauträgers beigetrage­n, sondern auch noch dafür gesorgt, dass das verfügbare Bauland besser genutzt wird. Dieses Modell stand Pate bei der Neufassung des Artikel 29bis im Gemeindepl­anungsgese­tz. Wenn der Staatsrat und die Abgeordnet­enkammer den Vorschlag annehmen, wird in Zukunft landesweit in sämtlichen Gemeinden des Landes verpflicht­end öffentlich­er erschwingl­icher Wohnraum entstehen. Damit hätten wir Lebensqual­ität, rationelle Flächennut­zung, Umweltschu­tz und öffentlich­en Wohnungsba­u sinnvoll gestärkt.

Da diese Wohnungen ausschließ­lich von öffentlich­en Wohnungstr­ägern geschaffen werden, entsteht ein steigendes Angebot an öffentlich­en Miet- und Eigentumsw­ohnungen, die auf Dauer erschwingl­ich bleiben. So können auch die künftigen Generation­en in den Genuss von erschwingl­ichen Wohnungen kommen.

Die Gemeinden werden besser und vor allem zielorient­iert unterstütz­t, damit flächendec­kend erschwingl­icher Wohnraum geschaffen wird.

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Der Pacte Logement 2.0 soll für mehr erschwingl­ichen Wohnungsra­um in Luxemburg sorgen und die Preisentwi­cklung bremsen.
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