Umweltschädlich und unsozial
Über den Sinn einer Rad- und Fußgängerbrücke von Cents über Neudorf nach Kirchberg
Zum kürzlich präsentierten Vorprojekt des inzwischen gigantischen 18-Millionen-Baus ist nochmals auf die Einflüsse auf Umwelt und Lebensqualität der Anrainer hinzuweisen.
Die bewaldeten Felsen längs des Neudorf-Tals werden von den Anwohnern aller drei Stadtteile als natürliche grüne Lunge geschätzt, an den Pfaden der Centser Seite erfreuen sich Spaziergänger und Freizeitsportler gleichermaßen. Durch dieses Biotop ziehen Rehe, hier sind Füchse, Maulwürfe, Eulen, Eichelhäher, viele Singvögel zu Hause. Genau hier (!) sollen nun zwei Betonblöcke von mehreren 1 000 Tonnen als Brückenköpfe hingesetzt werden, für deren Bau Flächen weit größer als deren Grundrisse plattgemacht werden sollen!
Das Szenario dessen, was auf uns alle zukommen wird, sieht so aus: Planung und Bau der Brücke von 2021 bis 2025, davon 30 Monate reine Bauzeit. Der Abriss der ehemaligen Spielschule und mit ihr des einzigen nennenswerten Spielplatzes auf drei Kilometern Ortsteillänge beginnt schon lange vorher. Dann Abholzung von ca. 60 ausgewachsenen Bäumen (besonders in den oberen Lagen) und sonstige Beschädigungen von Flora und Fauna für die Brückenschneise. Schließlich die drei riesigen Baustellen, an denen es richtig eng und ungemütlich, laut und schmutzig und die Luft dieselhaltig wird: im Neudorf mindestens zwischen Nr. 139 und 175, gleichzeitig noch vis-à-vis zwischen Nr. 142 und 152. Auf Cents wird das Eck, wo sich die Boulevards J. Salentiny und Ch. Simonis mit dem Ende des Tawiouns treffen, zum Brennpunkt. Anwohner, Pétanquespieler und Kleingärtner dürften hier kaum mehr Freude haben. In Weimershof findet ein Monsterexperiment mitten im Wohngebiet statt: die Rue des Bleuets, ihre Kreuzung mit der Rue des Églantiers und die Einmündung in die Rue des Muguets werden von schweren Baustellentransporten überrollt. Jahrelang – genauso wie an den genannten Plätzen im Neudorf und auf Cents! Der Dauerstress, dem die Anwohner ausgesetzt sein werden, wird sie krank machen, besonders die Älteren. Mit den Kindern raus? Wird schwierig. Und Homeoffice wird zum Homehorror. Wenn das Ganze fertig gebaut ist (die nicht auszuschließenden „unvorhersehbaren Hindernisse“in der Bauausführung samt notwendiger Budget- und ZeitplanAnpassungen sind natürlich „inklusive“), darf man sich auf neue Erlebnisse freuen: die Touristen kommen! Sie inspizieren die Brücke, was so in Deinem Garten wächst, wo die Hintereingänge sind, ob Rauch aufsteigt, eventuell ist ja doch niemand zu Hause … Es wird gegafft auf die Reste des „Urwalds“, die „exotischen Behausungen“und das Tun ihrer putzigen
Bewohner. Und, Geheimtipp, mit Blick auf das herrliche Panorama in Richtung Westen gibt's abends richtig geile Sundowner-Parties! Da darf natürlich Musik in passender Lautstärke nicht fehlen. Und zu vorgerückter Stunde fällt dann, oops, auch mal 'ne Zigarettenkippe runter oder, kuck mal, 'ne Bierflasche passt ja auch durch die Maschen im Fangnetz … Dräi Eechelen 2020/21 lässt grüßen.
Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, außer: vorauszusehender Ablauf und Ergebnis dieses Projekts bringen massive Eingriffe in die Natur und das Privatleben einer größeren Gruppe von Anwohnern mit sich. Das ist schädlich, unverhältnismäßig, rücksichtslos und verwerflich.
Steffen Köhler,
Luxembourg
Dies ist eine Reaktion zum Artikel „Eine Brücke für drei Viertel / Über den Dächern von Neudorf“vom 20. März 2021.