Kurskorrektur nach der Scheidung
Verfassungsgericht und Verwaltungsgerichtshof fällen wichtige Urteile zur Trennung von Staat und Kirche
Die Trennung von Kirche und Staat ist zwar längst beschlossene Sache, doch die Nachwehen beschäftigen weiter die Gerichte. Am 26. März hat die Cour Constitutionnelle die vom Friedensgericht an sie herangetragenen fünf „questions préjudicielles“beantwortet. In der Hauptsache geht es dabei um die Konvention, auf die sich der Staat und die katholische Kirche am 26. Januar 2015 verständigt hatten und die als Ausgangspunkt für das von der Regierung angestrebte Vorhaben der Trennung von Kirche und Staat gilt. Die Verfassungsrichter mussten unter anderem darüber befinden, ob das Parlament laut Artikel 22 der Verfassung die Konvention hätte absegnen müssen oder nicht. Es ging also um nicht mehr und nicht weniger als um die Verfassungsmäßigkeit des Fonds-Gesetzes vom Februar 2018. Ausgangspunkt war ein Mietstreit zwischen dem Fonds und der ehemaligen Kirchenfabrik von Hollerich.
Der Verfassungsgerichtshof kommt zu folgendem Schluss: „Il découle de l'article 22 de la Constitution que la convention à conclure n'est pas, en tant que telle, à soumettre à la Chambre des Députés pour approbation, mais que l'intervention de la Chambre est limitée à la mise en oeuvre des parties de la convention qui requièrent une transposition par la voie d'une loi.“Übrigens hatte auch das Friedensgericht, vor dem der ursprüngliche Streit ausgetragen worden war, am 9. Juni 2020 festgehalten, dass die Konvention rechtmäßig sei.
In einer weiteren Frage ging es um die Problematik einer möglichen Enteignung der Kirchenfabriken, ein Argument, das der Dachverband der Kirchenfabriken Syfel von Anfang an immer wieder vorgebracht hatte. Auch hier winken die Verfassungsrichter ab: „Il en suit que le cas d’une expropriation visée par l’article 16 de la Constitution et la question de la conformité des articles 1, 2, 9 et 22 de la loi du 13 février 2018 à ladite disposition ne se posent pas.“
Erleichterung bei Bistum und Kirchenfonds
Die Antworten der Verfassungsrichter sorgten beim Bistum und beim Kirchenfonds für Erleichterung. Weihbischof Leo Wagener ist zufrieden, dass die Verfassungsrichter den Kirchenfonds als solchen als verfassungskonform ansehen. Allerdings hätte er sich etwas mehr Klarheit gewünscht, vor allem weil die Cour Constitutionnelle den Ball an den Friedensrichter
Die Kirche von Niederbesslingen gehört der Gemeinde Ulflingen und steht unter Denkmalschutz.
zurückgespielt hat. Trotzdem bleibt er optimistisch: „Wir gehen mit Zuversicht in die nächste Etappe“, so Wagener auf Nachfrage.
Für den Syfel ist die Rechtsgültigkeit der initialen Konvention „nach wie vor fraglich, denn das höchste Gericht hat eben genau zu diesem Punkt seine eigene Inkompetenz bestätigt und auf das Friedensgericht zurückverwiesen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Wie Wagener hätte sich auch Syfel-Vizepräsident Marc Linden einen verbindlicheren Text gewünscht.
Die Vertreter der früheren Kirchenfabrik von Hollerich betonen, dass das Verfassungsgericht nicht über die Verfassungskonformität der Konvention befunden habe, vielmehr hätten sie nur festgehalten, dass das Fonds-Gesetz in Einklang mit dem Grundgesetz steht. In einer Pressemitteilung zeigen sie sich daher zuversichtlich, dass das Friedensgericht, das nun wieder am Drücker ist, in ihrem Sinn entscheiden wird. Die Kirchenfabriken seien sehr wohl enteignet worden.
Der Rechtsstreit, zu dem der Verfassungsgerichtshof vorab einige Grundsatzfragen klären musste, hat einen ganz profanen Ausgangspunkt. Konkret geht es um eine Auseinandersetzung zwischen der früheren Kirchenfabrik von Hollerich und dem Fonds wegen Mieteinnahmen aus mehreren Immobilien. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes waren die Immobilien der Kirchenfabrik an den Fonds übergegangen. Die Mieteinnahmen blieben aber aus.
Die Vertreter der Kirchenfabrik hatten nämlich schon im Oktober 2016, kurz nachdem sich Staat und Bistum auf die Konvention verständigt hatten und lange bevor das Gesetz in Kraft trat, die Association Saints Pierre et Paul gegründet. Anschließend hatten sie die laufenden Mietverträge gekündigt und die Immobilien an die Vereinigung Saints Pierre et Paul vermietet, die sie wiederum an die alten Mieter weitervermietet hatte, allerdings mit einer satten Marge von 20 Prozent. Die Mieten flossen also auf das Konto der Vereinigung, der Fonds ging leer aus.
Der Kierchefong zog mit dem Ziel vor Gericht, dass die Mietverträge zwischen der Kirchenfabrik und der Vereinigung für null und nichtig erklärt werden. Da noch ähnlich gelagerte Verfahren vor Gericht anhängig sind, forderte der Anwalt der Hollericher Kirchenfabrik das Friedensgericht auf, zunächst einige Fragen vom Verfassungsgerichtshof klären zu lassen. Die Richter gaben dem Antrag statt. Diese Kehrtwende rief den Staat auf den Plan, der ebenfalls in das Verfahren eingriff.
Nachdem der Verfassungsgerichtshof die questions préjudicielles beantwortet hat, ist nun wieder das Friedensgericht am Drücker, das in der eigentlichen Sache – nämlich dem Streit um die Mieteinnahmen – urteilen muss.
Die Gemeinde Ulflingen und das Innenministerium streiten sich
Wenige Tage später sorgte ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs für Aufsehen. Dabei ging es um einen Streit zwischen der Gemeinde Ulflingen und dem Innenministerium. Die Gemeinde hatte in ihren Haushalt für die Jahre 2019 und 2020 Gelder zur Instandhaltung von fünf Kirchen und drei Kapellen eingeschrieben, die sich allesamt in ihrem Besitz befinden und die unter Denkmalschutz stehen. Zum Teil ist auch das historische Inventar geschützt. In zwei Kirchen werden regelmäßig Messen gefeiert, die anderen werden nur sporadisch für kultische Zwecke genutzt. Konkret ging es um Heiz-, Wasser- und Stromkosten.
Das Innenministerium hatte sein Veto eingelegt und die Budgetposten kurzerhand mit dem Argument gestrichen, eine finanzielle Unterstützung des Fonds durch die Gemeinden sei laut Gesetz nicht zulässig. Der Fonds müsse für die Unterhaltskosten aufkommen und es müsse eine Konvention vorliegen.
Damit wollte sich der Ulflinger Gemeinderat mit Bürgermeister Edy Mertens (Ëlwenter Biergerlëst/ËBL) an der Spitze allerdings nicht abfinden und zog vor Gericht. Da die acht Kirchen und Kapellen unter Denkmalschutz stehen, sei die Gemeinde als Eigentümerin laut Denkmalschutzgesetz verpflichtet, die Gebäude und das Inventar ordnungsgemäß in standzuhalten und sie auch für das Publikum ganzjährig zugänglich zu machen. Und genau deshalb müssten auch Gelder im Haushalt eingeschrieben werden, so die Argumentation, dies mit dem Verweis auf die kommunale Autonomie. Man unterstütze mitnichten die katholische Kirche, sondern man wolle lediglich das kulturelle Erbe der Gemeinde schützen. Die Entscheidung der Innenministerin müsse rückgängig gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof gibt der Kommune Recht: Die Gemeinde könne dem Fonds sehr wohl die Kirchengebäude sporadisch zur Verfügung stellen und daher seien die Kosten auch nur anteilsmäßig in Rechnung zu stellen: „Tout au plus devrait on arriver, dans cette hypothèse, à ce que proportionnellement les frais d’entretien et de fonctionnement aillent à charge du Fonds dans la mesure de l’utilisation effective à des fins cultuelles des bâtiments en question“, heißt es in dem Urteil vom 30. März.
Wichtig ist auch, dass „cette coexistence de plusieurs activités n’emporte en rien une nécessité de désacralisation voire de dégrèvement, ces activités étant toujours entrevues dans une optique culturelle plurielle“.
Das Urteil ist richtungsweisend. Zwar war nur die Gemeinde Ulflingen vor Gericht gezogen, doch viele Kommunen sind mit dem gleichen Problem konfrontiert. Sie alle werden nun von dem Richterspruch profitieren.
Davon konnte man sich im Bistum bereits wenige Tage nach der Urteilsverkündung überzeugen. Offensichtlich haben zahlreiche Gemeinden das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs abgewartet, bevor sie eine Konvention mit dem
Cette coexistence de plusieurs activités n’emporte en rien une nécessité de désacralisation. Cour administrative
Ich bin froh, dass sich die Gemeinden nun teilweise an den Unterhaltskosten der Kirchen beteiligen dürfen. Weihbischof Leo Wagener
Il découle de l'article 22 de la Constitution que la convention à conclure n'est pas, en tant que telle, à soumettre à la Chambre des Députés pour approbation. Cour Constitutionnelle
Kirchenfonds abschließen. Weihbischof Wagener spricht von einer „neuen Dynamik“. Insgesamt bewertet er das Urteil positiv: „Ich bin froh, dass sich die Gemeinden nun teilweise an den Unterhaltskosten der Kirchen beteiligen dürfen. Das ist eine gute Sache.“
Dieser Meinung ist man auch beim Syfel. Marc Linden hebt zudem hervor, dass es sich um „ein sehr praxisorientiertes Urteil“handelt. Der Text sorge für Erleichterung bei den Kommunen, aber auch bei den Verantwortlichen in den einzelnen Kirchen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wird nicht der letzte Richterspruch zu diesem Thema sein. Zunächst muss nun das Friedensgericht im Mietstreit zwischen dem Fonds und der ehemaligen Kirchenfabrik aus Hollerich urteilen. Anhängig sind auch noch die Klagen, die der Syfel zusammen mit 109 früheren Kirchenfabriken gegen die Regierung und das Bistum angestrengt hatte sowie eine weitere Klage des Syfel und von 47 Kirchenfabriken wegen „faute commis par le législateur“samt einer Schadenersatzklage.