Irrungen, Wirrungen
Die CDU stärkt Armin Laschet – die CSU aber auch Markus Söder
Kann gut sein, dass die Union einfach nichts mehr gewohnt ist. Oder Deutschland nichts mehr von der Union. Der letzte Kampf um eine Kandidatur fürs Kanzleramt ist 20 Jahre her, der vorletzte mehr als 40. Beide Male hat sich ein Bayer durchgesetzt – aber weder Franz Josef Strauß noch Edmund Stoiber ist Kanzler geworden. Und am Montagmittag sieht es nun auch für Markus Söder sehr viel schlechter aus als noch 24 Stunden zuvor.
Offiziell zwar ist nichts entschieden. Aber das CDU-Präsidium hat sich am Vormittag hinter Armin Laschet gestellt – „mit breiter Mehrheit“, wie es nach der Sitzung heißt. Das ist zwar weniger als einstimmig; aber trotzdem ein Pfund. Auch wenn die CDU keinen Beschluss gefasst hat: Sie hat ihrem Vorsitzenden den Rücken so gestärkt – dass der mit breiter Brust losziehen kann. Ins End-Duell mit Söder. Oder – falls der nun aufgeben sollte – auch gleich in den Wahlkampf.
CDU-Spitze muss Laschet stärken Allerdings: Den Christdemokraten ist auch gar nichts anderes übriggeblieben. Man stelle sich vor, alle hätten gesagt, was sie wirklich denken: Im Präsidium wären wohl die Fetzen geflogen. Vor allem aber wäre alles haarklein und direkt hinausgesimst und -gewhatsappt worden – und der Ruf der Partei wäre womöglich noch zerschrammter gewesen, als er es gerade sowieso ist. Nach zwei Vorsitzenden-Rücktritten in 14 Monaten, nach einem Interims-Jahr und der zweiten Knappst-Entscheidung, diesmal zugunsten von Laschet: Wie könnte die CDU-Spitze da riskieren, alle Zweifel an ihm zu offenbaren? Laschet wäre – als Kanzlerkandidat und als Parteichef – erledigt.
Sie lässt es also sein. Niemand sagt, dass Laschet manchen zu merkelig ist – und anderen nicht söderisch genug. Zwar stellen sich am Vormittag Berlin und Hamburg hinter Söder. Aber was heißt das schon? Ein 18- und ein Elf-Prozent-Landesverband?
Es heißt nichts – wenn sich die restlichen 13 und dazu sämtliche Interessengruppierungen hinter Laschet versammeln, Wirtschaftsflügel ebenso wie Sozialabteilung, Frauen ebenso wie Junge Union. Möchte jetzt wer in Söders Haut stecken? Und was macht nun die CSU?
Söder in der Defensive
Sie schweigt erst mal. Söder hat das Präsidium für nachmittags drei einberufen. Eine knappe Stunde vorher geht Laschet in Berlin vor die Kameras. Sagt, er habe sich „sehr gefreut über die große Unterstützung“. Und er werde „noch am heutigen Tag das Gespräch suchen“mit Söder. Denn: „Alle wollen eine schnelle Entscheidung.“
Irrtum. Die CSU will das nicht. In der Präsidiumsschalte – das wird in München fast schneller durchgestochen, als Söder spricht – vertagt der Christsoziale die Entscheidung auf Ende der Woche. Dann werde man sich zusammensetzen. Und nicht nur er und Laschet, nein. Er werde, sagt Söder, darum bitten, dass man in größerer Runde tage.
Spätestens jetzt kichert sich die rote und die grüne Kanzlerkandidaten-Konkurrenz heftigst in die Fäuste. Kein Tag – und schon sind all die Schwüre von Geschlossenheit und Mannschaftsgeist und Verantwortungsbewusstsein Makulatur.
Es hat ja schon immer Zweifel an Söders Teamfähigkeit gegeben. Und jetzt, bei der allerersten Gelegenheit, liefert er den Beweis.
Ein bisschen haben sie in Berlin ja gehofft, Söder könnte vielleicht wirklich auf den Showdown verzichten. Und statt dessen Verzicht üben. Sie hätten ihm auch die ganz große Geste gegönnt. Aber Söder denkt nicht daran. „Heute ist nicht der Tag der Entscheidung“, hebt er an, „sondern der Beginn der Beratungen.“Betont, dass er „einstimmig Rückendeckung“seiner Parteispitze habe – mehr also als Laschet. Und fängt dann an, von der „Breite unserer Volksparteien“zu reden – „dazu gehört nicht nur der Vorstand“. Für die Begriffsstutzigen fügt er hinzu: „Umfragen sind nicht alles – aber wir können uns nicht abkoppeln von der Mehrheit der Menschen im Land.“
Die Qual der Wahl
Kann gut sein, dass sie im Adenauer-Haus in Berlin nicht fassen können, wie sich im Strauß-Haus in München Söder, schwuppdiwupp, zum Kandidaten der Herzen ernennt. Hat er nicht tags zuvor vor aller Öffentlichkeit gelobt, wenn die CDU ihn nicht wolle, ziehe er zurück – „ohne Groll“. Könne man da, wird Söder gefragt, nicht von Wortbruch sprechen? „Neeeiiin“, sagt Söder, in Ton und Gesicht das ebenso bare wie unschuldige Erstaunen, „kann man nicht.“
Er erwähnt dann noch die „positive Resonanz“auf seine Bewerbung; „bei uns liefen die E-Mail-Fächer über“. Das klingt natürlich viel spektakulärer als Laschets Bekenntnis: „Man muss Politik aus einem Grundverständnis machen, das nicht auf Umfragen schaut.“
Kann sehr gut sein, dass die Union gerade versteht, was das heißt: Qual der Wahl.
Alle wollen eine schnelle Entscheidung. Armin Laschet (CDU)