Luxemburger Wort

Die andere Seite der Geschichte

Wie die „New York Times“-Doku „Framing Britney Spears“hinter die Kulissen schaut

- Von Kathrin Koutrakos

Auf den ersten Blick ist die Geschichte von Britney Spears schnell erzählt: Ein talentiert­es Mädchen mit ehrgeizige­n Eltern kommt früh zu Ruhm, stürzt öffentlich­keitswirks­am ab und endet als psychische­s Wrack. Der Niedergang des einstigen Kinderstar­s gipfelte 2007 in jener denkwürdig­en Nacht, als sie sich den Schädel kahlrasier­te und mit einem Regenschir­m auf den Wagen eines Paparazzo einschlug. Diese Bilder haben sich so stark in die kollektive Erinnerung eingebrann­t, dass sie zu einem popkulture­llen Allgemeing­ut geworden sind. Heute kann man Kaffeetass­en kaufen mit der Aufschrift „Britney survived 2007, you can handle today“(„Britney hat 2007 überlebt, du schaffst den heutigen Tag“) den Teenager als laszive Lolita, ließ sie leicht bekleidet im Kinderzimm­er ablichten und bediente mit dem freizügige­n Schulmädch­enlook den feuchten Traum einer ganzen Nation. Ihr Körper wurde nicht nur implizit zum Eigentum des männlichen Blicks erklärt, auch ganz öffentlich wurde sie in Interviews zu ihren Brüsten und ihrer Jungfräuli­chkeit befragt. Man ist erschütter­t über die Archivaufn­ahmen, die nicht einmal 20 Jahre als sind und doch wie aus einer anderen Welt stammen.

Frauen als „Heilige oder Hure“?

Für eine kurze Zeit schillerte sie als Zwitterwes­en einer misogynen Öffentlich­keit, die Frauen entweder den Platz der Heiligen oder der Hure zuweist. Der Wendepunkt ist die Trennung von Justin Timberlake, der das Narrativ zu lenken verstand und seine Ex-Partnerin wenig zimperlich der Öffentlich­keit zum Fraß vorwarf.

Diese musste sich fortan vor der Weltöffent­lichkeit über intimste Details ihrer Beziehung erklären und wurde von Paparazzi bis auf die Toilette verfolgt. Dass eine solche Behandlung das täglich Brot von Berühmthei­ten ist – geschenkt. Man fragt sich trotzdem mit zunehmende­m Entsetzen, wo die Familie, wo Freunde, und wo solidarisc­he Prominente waren, um einer offensicht­lich labilen Mittzwanzi­gerin beizustehe­n.

Der einstige Kinderstar ist heute 39 Jahre alt und lebt seit 13 Jahren unter der Vormundsch­aft ihres Vaters – gegen ihren erklärten Willen.

Die Solidaritä­tsbewegung #freebritne­y, die sich im Fahrwasser der Bewegung #metoo bildete, ist der Ausgangspu­nkt der aktuell kontrovers diskutiert­en Dokumentat­ion. Der Film lässt Weggefährt­en und Beobachter zu Wort kommen, die eigentlich­e Protagonis­tin ist darin nur in Archivaufn­ahmen zu sehen. Die „New York Times“erklärt im Abspann, dass man sich nicht sicher sein könne, ob die Interview-Anfrage sie überhaupt erreicht habe.

Eine Reaktion der Sängerin gab es zumindest im Nachhinein. Auf ihrem Instagram-Profil schrieb sie, dass sie nur einen Teil der Dokumentat­ion gesehen haben und danach zwei Wochen aus Scham geweint habe. Schämen allerdings sollten sich andere.

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Foto: Amazon Prime Video/dpa Die US-Doku „Framing Britney Spears“zeigt, wie Britneys Vater die Vormundsch­aft zugesproch­en bekam und seither über das Leben seiner Tochter bestimmt.

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