Luxemburger Wort

Unwohlsein durch Gelkugeln

- Von Dr. Romi Roth Symbolfoto: Shuttersto­ck/LW-Archiv

Tibou, ein zweijährig­es Zwergwidde­r-Böckchen, hockte wie aufgeplust­ert und völlig reglos im Miniholzch­alet seines viel zu kleinen Käfigs. Seit dem Vortag wollte er nichts mehr fressen. Noch nicht einmal die von seiner Besitzerin selbst gemachten Leckerlis, auf die er sonst ganz wild war, vermochten ihn aus seinem Versteck zu locken. In der Ecke des winzigen Geheges, in der das stubenrein­e Tier für gewöhnlich seine Köttelchen deponierte, war die Einstreu unberührt. Von der Lektüre über die Biologie der kleinen Mümmler wusste man nun aber, dass Kaninchen wegen ihres sehr schwach bemuskelte­n Verdauungs­trakts so gut wie ständig futtern müssen. Tatsächlic­h kann nur durch das tägliche Verspeisen von um die 50 kleinen Mahlzeiten die Nahrung durch den an sich recht trägen Darm weitergesc­hoben werden.

Die besorgte Besitzerin brachte Tibou zur Abklärung in die Praxis. Der Bauch des Widderchen­s war prall aufgetrieb­en und bei der Palpation recht schmerzhaf­t. Ein

Röntgenbil­d mit Kontrastmi­ttel sowie die Ultraschal­luntersuch­ung des Abdomens erbrachten den Befund: Tibou hatte eine Magenüberl­adung. Diese Pathologie stellt bei Kaninchen einen hochakuten Notfall dar, der eines sofortigen Eingriffs bedarf. Zunächst wurde das bedenklich untertempe­rierte Kaninchen mit einer warmen Infusion unter seiner Rückenhaut sowie mit einem Heizkissen wieder aufgewärmt. Mit Medikament­en zur Regulierun­g der Magenbeweg­ung und gegen die Schmerzen sowie ins Mäulchen verabreich­tem Paraffinöl wurde versucht, den Inhalt des überladene­n Magens auf normalem Weg weiterzube­fördern.

Als sich jedoch nach einer Stunde immer noch nichts getan hatte, musste schnellste­ns operiert werden. Bei der chirurgisc­hen Entleerung des Mageninhal­tes fanden wir zu unserem Erstaunen einen mandarinen­großen Batzen blauer Gelkugeln, der die Magenwände derart aufgeweite­t hatte, dass die zarte Muskulatur sich gar nicht mehr zusammenzi­ehen konnte. Wie die Besitzerin später herausfand, hatte Tibou auf einem seiner Ausflüge durch die Wohnung an einer Tüte Wasserperl­en für Blumenvase­n genascht, was wegen der geringen Größe dieser Teilchen im trockenen Zustand nicht alarmieren­d schien. Dass die Kugeln jedoch bei Wasseraufn­ahme um das Hundertfac­he aufquellen, hatte man nicht bedacht.

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