Kreativität im Weinglas
Bei der Namensgebung für edle Tropfen sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt
Johannesburg/Kröv. „Mr Perfect“steht neben der „Nymphomanin“, die Ur-Sünde („Original sin“) ist nicht weit. Winzer in Südafrika schrecken vor nichts zurück – auch nicht vor einem „Red Rhino“– einem roten Nashorn. Wer ganz besoffen von ewiger Jugend am Weinglas nippen will, auch dem kann in der kreativen Weinlandschaft an der Südspitze Afrikas geholfen werden: „The Fountain of Youth“– der „Quell der Jugend“aus dem Oak Valley zählt zu den prämierten Qualitätsweinen am Kap. Südafrikas Winzer setzen nicht nur Töchtern oder Ehefrauen, sondern auch ihren vierbeinigen Freunden gerne namentliche Denkmäler: Die Spanne reicht vom treuen („Faithful hound“) bis zum schwarzen Hund („Black dog“).
In Deutschland hat der „Kröver Nacktarsch“von der Mosel eine lange Tradition. Der Name dieser Großlage bezieht sich vermutlich auf eine felsige Höhe, die im Herbst ohne Laub und somit schlicht nackt dasteht. Inzwischen aber lassen sich Winzerinnen und Winzer immer neue Namen einfallen, um ihre Kundschaft mit munteren Einfällen zu überzeugen. „Die Kreativität in der Namensgebung von Weinen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut.
„Dieser Trend ist eng mit dem Generationswechsel zu jungen Winzern verbunden.“
In Frankreich etwa erregte JeanMarc Speziale vor etlichen Jahren mit seinem „Vin de Merde“große Aufmerksamkeit. Er kommt aus der Küstenregion LanguedocRoussillon im Süden des Landes. Speziale hatte, so erzählte er Journalisten, die Nase voll davon, dass Weine aus der Region oft einen eher schlechten Ruf hatten. Unter dem Motto „Das Schlimmste verbirgt das Beste“spielte er mit den Vorurteilen – und verkauft den Wein erfolgreich seit Jahren.
Einsame Ziegen
In Neuseeland haben dagegen sogar die Weingüter kuriose Namen – gern mit Bezug auf die reiche Fauna der Pazifikinsel. Man nehme etwa die „Squealing Pig Winery“aus der berühmten Weinregion Marlborough auf der Südinsel. Aus dem Hause „quiekendes Schwein“stammen Tröpfchen von Sauvignon Blanc über Pinot Noir bis zu Sparkling Rosé.
Dazu gesellen sich Kellereien wie die einsame Ziege („Lone Goat“) in Hawkes Bay auf der Nordinsel, die kreischende Elster („Squawking Magpie“) aus der gleichen Region und der fette Vogel („Fat Bird“), der auf den Etiketten von Chardonnay, Merlot und Pinot Gris putzmunter und kugelrund auf einer Schnur thront.
Namenstechnisch den Vogel abgeschossen hat aber vor einigen Jahren ein neuseeländischer Sauvignon Blanc aus der Kellerei Coopers Creek namens „Cat's Pee on a Gooseberry Bush“– Katzenpipi auf einem Stachelbeerstrauch.
Aus Australiens Barossa Valley stammt ein Wein der Rebsorte Grenache mit dem ebenso kurzen
Die Kreativität in der Namensgebung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Ernst Büscher, Deutsches Weininstitut
wie vielversprechenden Namen „Bitch“.
Das männliche Pedant wäre vielleicht der „Ball Buster“aus dem Hause Tait Wines. Wörtlich schwer ins Deutsche übertragbar, lautet die galanteste Übersetzung für den deftigen Ausdruck wohl „Nervensäge“oder „Quälgeist“. „Wir wollten, dass dieser Wein ein Statement abgibt; wir wollten die
Wein-Snob-Barriere so die Macher. durchbrechen“,
Kröten, Fliegen, Schafe
In Argentinien bedienen sich die Winzer bei der Suche nach außergewöhnlichen Namen häufig in der Tierwelt. Als die Unternehmer-Familie Millán aus Mendoza vor einigen Jahren ins Weingeschäft einstieg, bezeichneten sie die alteingesessenen Winzer der Region als „Sapo de Otro Pozo“(Kröte aus einem anderen Teich). Die Familie nahm es mit Humor und nannte die Cuvée aus Malbec, Cabernet Franc und Syrah so. Hinzu kamen später noch „Perro Callejero“(Straßenköter), „Mosquita Muerta“(Tote Fliege) und „Cordero con Piel de Lobo“(Schaf im Wolfspelz). dpa