Volle Attacke
In der Bundestagsfraktion geht es für Laschet und Söder heftig zur Sache
„Ganz normal“, sagt Ralph Brinkhaus. Exakt: „Das ist eigentlich ’n ganz normaler Vorgang.“Dass der Unionsfraktionschef im Deutschen Bundestag kein bisschen rot wird bei dieser faustdicken Lüge, liegt auch daran, dass Brinkhaus weiß, ihm glaubt diesen Satz ohnehin niemand. Der angeblich ganz normale Vorgang nämlich besteht in einem Showdown, wie ihn das deutsche Parlament seit mehr als 40 Jahren nicht erlebt hat – und das Berliner Reichstagsgebäude überhaupt noch nie.
Gleich werden Armin Laschet und Markus Söder vor der Fraktion die nächste Runde ihres Duells um die Kanzlerkandidatur der Union aufführen. Allein dass es dazu kommt, ist ein Erfolg für Söder. Er hat Laschet in diesen Termin hineingenötigt – vor aller Öffentlichkeit. Er wolle und werde dort auftreten, hat er in München gesagt. Und nun muss Laschet mit.
Söder-Fans suchen die Mikrofone Betont locker schreitet Söder, begleitet von Generalsekretär Markus Blume, um 14.45 Uhr aufs OstPortal zu, den Eingang der Abgeordneten. Acht Minuten später folgt ihm Laschet, der mit seinem Generalsekretär Paul Ziemiak deutlich rascher unterwegs ist. Dabei wirkt Laschet viel weniger angespannt als Söder. Der bahnt sich schweigend den Weg durch Journalisten und Fotografen – auffallend beim sonst so redelustigen Franken. Laschet hingegen macht zwei, drei Sätze Smalltalk im Vorbeigehen, nichts Wichtiges – aber eine Botschaft: Ich fürchte mich nicht.
Glaubt man den Fraktionären, die sich gestern öffentlich äußern, hätte Laschet Grund dazu. Es geht am Morgen los – und hört nicht mehr auf. Die Söder-Fans suchen die Mikrofone und Kameras. Sie sind, außer in Bayern, geballt zu finden in den neuen Ländern und in Baden-Württemberg. Im Osten hat man Angst vor der AfD – im Südwesten vor den Grünen. Bei der Landtagswahl dort am 14. März hat die CDU sicher geglaubte Direktmandate in Dutzenden verloren. Nun sucht man Rettung.
Söder führt in Umfragen
Vor der Sitzung sagt der Reutlinger Parlamentarier Michael Donth, nicht nur er – zwei Drittel seiner Landesgruppe seien für Söder. Und nach seinem „Bauchgefühl“habe Söder auch eine Mehrheit in der gesamten Fraktion. Der Sachse Marian Wendt, der den Bundestag verlassen wird, bescheinigt Söder „die besseren Chancen“. Grund: „Er steht für einen Kurs, der immer so’n bisschen aufs Volk hört.“
Andere nennen das populistisch. Oder mindestens sehr geschmeidig. Armin Laschet ätzt in der Fraktion: „Haltung ist nicht Mainstream.“Und auch das haut er dem Kontrahenten hin: „Wir brauchen keine One-Man-Show.“
Da sind sie noch bei den sogenannten Eingangsstatements. Schon die dauern eine Stunde. Und selbstverständlich wird, was wer sagt, umgehend in die politische Welt gesimst und gewhatsappt. „Es sind“, trumpft nach diesen Quellen Söder auf, „die Personen, die Wahlen entscheiden.“Und deswegen dürfe man Umfragen nicht ignorieren, wenn sie längere Zeit stabil blieben. Er führt in allen hochhaushoch.
Es trägt sich nun genau das zu, was die Union so unbedingt hat vermeiden wollen: ein Kampf auf offener Bühne um die Kandidatur.
Man könne nicht sagen, wer die Mehrheit hinter sich habe, berichtet nach zwei Stunden der SöderParteifreund Peter Ramsauer. Er ist seit 31 Jahren Parlamentarier; und vor allem: Er ist mit allen politischen Wassern gewaschen – auch den nicht ganz kristallklaren. Da hätten „zwei ausgebuffte Politprofis“, sagt Ramsauer, „zwei wirkliche starke Statements“abgeliefert. Und dann warnt er vor einer Abstimmung der Fraktion. „Unmöglich!“Denn: „Das hinterlässt einen Verletzten und einen Sieger.“
Mit „Schmutzeleien“umgehen Indes: So wird es ja ohnehin kommen. Weil kein Duo ins Kanzleramt ziehen kann. Und der Moment verpasst ist, die Entscheidung mit dem Respekt und in der Freundschaft hinzukriegen, von denen vor allem Söder so viel schwadroniert hat, seit er am Sonntag seine Bewerbung endlich offen erklärte.
Es gebe, bestätigt Ramsauer, beim Duell in der Fraktion „natürlich“auch „Schmutzeleien“– ein Wort, das einst ausgerechnet Horst Seehofer erfand, um Söder zu charakterisieren. „So ist das in dem Geschäft“, erklärt Ramsauer. „Und da können auch alle damit umgehen.“
Mindestens soll es so aussehen. Nach knapp vier Stunden heißt es, von 61 Reden seien 39 für Söder gewesen und 22 für Laschet. Der erscheint nun als Erster, lächelt und sagt, eine Mehrheit für Söder – „nein; das hab’ ich so nicht wahrgenommen“. Söder schaut ernst und will „das Ergebnis jetzt auch sacken lassen“. Und beide kündigen an, sie würden weiter miteinander reden und bis zum Wochenende zu einem Ergebnis kommen. „Gemeinsam.“Und „zu einem sehr Guten“. Und dann sei auch „die Geschlossenheit“wieder da. Und sie werden, wie Brinkhaus, kein bisschen rot.
Wir brauchen keine One-ManShow. CDU-Vorsitzender Armin Laschet