Auf Socken in Sotschi
Angesichts eines drohenden Machtverlusts üben Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin den Schulterschluss
Sie spielten zusammen Eishockey, fuhren auf Ski und Motorschlitten um die Wette. Und einmal schlenderte Alexander Lukaschenko nach einem Treffen mit Wladimir Putin in dessen Sommerresidenz Sotschi auf Socken vor die Presse: „Ich achte die Arbeit der Putzfrauen“, erklärte er den Journalisten.
Seit Montag hagelt es Luftraum-Sanktionen gegen Belarus. Erst aus Litauen, dann aus Großbritannien, dann einigten sich die EU-Führer, der Staatsgesellschaft Belavia alle Lande- und Überflugrechte zu entziehen. Und dem belarussischen Machthaber Lukaschenko drohen weitere Strafmaßnahmen, nachdem er am Sonntag eine Ryanair-Maschine mit einem falschen Bombenalarm zur Landung in Minsk genötigt hatte und den an Bord befindlichen Oppositionsblogger Roman Protassewitsch
festnehmen ließ. Am nächsten Tag wurde bekannt, dass Lukaschenko seinen russischen Amtskollegen wieder besuchen wird. Kaum einen Monat nach ihren jüngsten Gesprächen im Moskauer Kreml will er erneut ins zwanglose Sotschi fliegen, schon das dritte Treffen der beiden 2021.
Lukaschenko ist Russlands letzter Verbündeter, das offizielle Moskau unterstützte ihn auch in der Affäre um die Ryanair-Boeing. Schockierend daran sei nur die schockierte Reaktion des Westens, verkündete Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums.
Kein verlässlicher Partner
Dabei gilt Lukaschenko in Moskau keineswegs als verlässlicher Partner. Erst im vergangenen Juli ließ er bei Minsk 32 russische Mitglieder der privaten Söldnertruppe „Wagner“festnehmen, die auf der Durchreise nach Venezuela waren. Das weißrussische Staatsfernsehen behauptete, sie sollten bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Unruhe schüren. Lukaschenko persönlich unterstellte der russischen Seite „schmutzige Absichten.“
Ähnliche Skandale zwischen Moskau und Minsk haben Tradition. Spätestens, seitdem beide Seiten 1996 einen gemeinsamen „Unionsstaat“gründeten. Damals konnte der junge, machtgierige und auch in Russland populäre weißrussische Präsident Lukaschenko noch hoffen, den alternden Boris Jelzin als Staatsoberhaupt der neuen Union abzulösen. Aber 2000 wurde der ebenfalls junge und machtbewusste Wladimir Putin russischer Präsident, der
Unionsstaat geriet zu Moskaus Vehikel der Einvernahme von Belarus.
Lukaschenko ist in Dauerbedrängnis. „Belarus braucht die billigen Rohstoffe Russlands, ebenso seinen Lebensmittelmarkt“, sagt der Petersburger Politologe Dmitri Trawin dem „Luxemburger Wort“. Allein mit dem Weiterverkauf zollfreien russischen Öls verdienten Lukaschenkos Staatsraffinerien binnen 20 Jahren rund 20 Milliarden Dollar. Aber der Kreml verstärkte den Integrationsdruck, forderte im Gegenzug für die Niedrigpreise gemeinsame Währung und Steuersystem. „Dabei geht es am Ende weniger um die Währung als um die Befehlsgewalt über die Sicherheitsorgane und die Armee“, so Trawin.
Lukaschenko wehrt sich seit Jahrzehnten, er drückte sich um die juristische Anerkennung des KrimAnschlusses, drohte Moskau wiederholt mit einem neuen prowestlichen Vektor seiner Außenpolitik.
Bei seinen jüngsten Besuchen aber saß er artig, mit zusammengedrückten Knien, neben einem deutlich breitbeinigeren Putin. Seitdem im vergangenen Sommer Hunderttausende Minsker gegen ihn auf die Straße gegangen sind, verkauft sich Lukaschenko als Moskaus letzter Vorposten im Kampf gegen den aggressiven Westen. „Das Duett mit Putin ist für ihn zur einzigen Legitimation seiner Macht geworden“, urteilt der ukrainische Publizist Witali Portnikow.
In Moskau heißt es, Putin möge den launigen Maulhelden Lukaschenko nicht. Aber auch Putin redet immer häufiger über vom Westen angezettelte Straßenrevolten in Russland. Lukaschenko, der schon 20 Jahre vor ihm die Verfassung ändern ließ, um seine Amtsfristen zu verlängern, ist ein logischer Verbündeter.
Alexander Lukaschenko ist in Dauerbedrängnis.