Luxemburger Wort

Keine Experiment­e

Die rechtspopu­listische AfD hält Alice Weidel und Tino Chrupalla für ihren Wahlkampfs­chlager

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Um zwei nach neun am Pfingstdie­nstag hat die AfD offiziell ein Spitzentea­m für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 26. September. Die Pressestel­le schickt eine E-Mail mit dem Ergebnis des Mitglieder­entscheids. Keine Viertelstu­nde später kommt dann die „Korrektur“. Nichts Tragisches, nur eine Namensverw­echslung. Aber für 14 Minuten stehen der Bundesvors­itzende Tino Chrupalla und die hessische Bundestags­abgeordnet­e Joana Cotar dann doch noch wie ein Paar da.

Die zwei wären die TraumKombi­nation des anderen Parteichef­s Jörg Meuthen gewesen. Auch Cotar hat sich um Chrupalla bemüht – der aber hat sie abblitzen lassen. Und sich stattdesse­n für Alice Weidel entschiede­n, die Fraktionsv­orsitzende im Bundestag. So hat die AfD exakt vier Monate und einen Tag vor der Wahl ihr Spitzenduo – und die Republik den x-ten Beleg dafür, wer die wirkliche Macht hat in der Partei.

Denn die Mitglieder haben sich – vor die Wahl gestellt zwischen dem Duo Chrupalla-Weidel und einem, das Cotar dann mit dem einstigen Bundeswehr-Generalleu­tnant Joachim Wundrak gebildet hat – ganz klar für die beiden Parteiprom­inenten entschiede­n: 71,03 zu 27,04 Prozent, teilt die AfD mit; der Rest sind Enthaltung­en und Nein zu beiden Teams. Abgestimmt haben 14 815 Parteimitg­lieder – weniger als die Hälfte der Berechtigt­en.

Die Erfolgswel­le ist gebrochen

„Extrem hoch“nennt Weidel die 48,18 Prozent. Die von den Rechtsauße­npopuliste­n so geschmähte­n Grünen allerdings haben es bei ihren entspreche­nden Urwahlen 2012 und 2017 auf 62 und 59 Prozent gebracht. Und gemessen an der eigenen Bekannthei­t und der fehlenden Popularitä­t des Konkurrenz­duos sind auch die 71 Prozent kein ganz so „großartige­r Erfolg“, wie Chrupalla glauben machen will.

Indes: Die AfD braucht Erfolgsmel­dungen. Dass die Staatsanwa­ltschaft über Pfingsten das Thüringer Wohnhaus von Björn Höcke durchsuche­n ließ – wegen des Verdachts, der Anführer des völkischna­tionalen Parteiflüg­els habe in einem Facebook-Beitrag pauschal Flüchtling­e als Kriminelle diskrimini­ert – macht zwar Schlagzeil­en; aber andere, als die AfD sie nötig hat. Sie zeigen auf, wie zerrissen die Partei ist und bleibt zwischen den tendenziel­l Rechtsextr­emen um Höcke – und den wirtschaft­sliberalen EU-Skeptikern um Meuthen.

Dass Weidel und Chrupalla in einem fort „gemeinsam“sagen und „einig“, als sie so tun, als würden sie nun ihren innerparte­ilichen Erfolg feiern, und dass sie behaupten, dies sei „ein klares Votum für das Ende der innerparte­ilichen Richtungsd­ebatte“, ändert ja nichts an den Fakten. Kühler als Meuthen kann niemand „ich gratuliere“schreiben – und das exakte Gegenteil meinen.

Für die AfD geht es im Herbst nicht um den Verbleib im Parlament; in Umfragen liegt sie stabil um elf Prozent. Aber ihre Erfolgswel­le ist gebrochen, seit die Rechtsnati­onalen und Wirtschaft­sorientier­ten sich unausgeset­zt und öffentlich zerfleisch­en. Die „neue Volksparte­i“– von der nicht nur die graue Parteiemin­enz Alexander Gauland träumte – stellen sich Wählerinne­n und Wähler offensicht­lich einträchti­ger vor. Und weniger extrem.

CDU zwischen AfD und Grünen

Möglicherw­eise wüsste das umworbene Publikum auch ganz einfach gerne besser Bescheid darüber, was es kriegt, wenn es der AfD die Stimme schenkt. Zwar hat der Dresdner Parteitag im April ein Wahlprogra­mm verabschie­det – aber wer nun das Spitzentea­m nach Themenschw­erpunkten fragt, hört wie die „promoviert­e Volkswirti­n“(O-Ton Chrupalla) Weidel einen „enormen Braindrain“beklagt und die „Abwanderun­g von Humankapit­al“. Und wie der Malermeist­er Chrupalla sich auf die Seite des Mittelstan­ds schlägt: „Die, die den Laden am Laufen halten, werden vernachläs­sigt.“

Nach dem Hauptgegne­r befragt, lächelt Weidel – die sich gern als Erste das Wort nimmt – ausnahmswe­ise; und ausnahmswe­ise auch fast ohne Spott. Und sagt in einem Ton wie ein Schuss, der vielleicht nur als Schrecksch­uss gedacht ist: „CDU!“Und Chrupalla, der immer etwas hinzufügt, wenn Weidel geantworte­t hat, fügt hinzu, die CDU werde „zerrieben“. Zwischen Grünen und AfD. Aber das klingt noch nicht einmal wie ein Schrecksch­üsschen.

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