Gedenken und Hoffen
Ein Jahr nach dem Tod von George Floyd lässt die versprochene Polizeireform in den USA auf sich warten
Bridgett Floyd hat von Politikern genügend Versprechen gehört. „Viele machten uns Hoffnung“, sagt die jüngere Schwester des Mannes, dessen Tod vor einem Jahr USA-weit Massenproteste ausgelöst hatte. „Aber wir haben noch nichts Konkretes gesehen.“Die zurückliegenden Monate seien für sie und ihre Familie sehr frustrierend gewesen. „Es war ein langes Jahr, ein schmerzvolles Jahr“, beschreibt Bridgett ihre Erfahrungen bei einem Gedenkmarsch in Minneapolis unweit der Stelle, an der ihr Bruder am 25. Mai 2020 unter dem Knie Derek Chauvins starb.
Eine Jury hatte den weißen Polizisten vergangenen Monat wegen verschiedener Mord- und Totschlag-Tatbestände für schuldig befunden. Die Verkündung des Strafmaßes wird am 25. Juni erwartet. Auf ihren Prozess warten die drei Polizisten, die neun Minuten und 29 Sekunden lang untätig zuschauten, wie ihr Kollege dem wegen dem mutmaßlichen Gebrauch eines gefälschten 20Dollar-Scheins überwältigten Floyd die Luft abwürgte.
Eine nationale Bewegung
Bridgett und andere Familien-Angehörige des Opfers engagieren sich an der Spitze einer nationalen
Speakerin Nancy Pelosi (M.) und die Abgeordnete Karen Bass (4. v. r.) empfingen Angehörige der Familie von George Floyd auf dem Kapitol in Washington.
Das Treffen mit US-Präsident Joe Biden fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Bewegung, die am Jahrestag auf landesweiten Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen Reformen im Polizeirecht verlangen. Die Schwester Floyds sprach im Weißen Haus unter vier Augen mit USPräsident Joe Biden über den Stand der Gesetzgebung.
Biden teilt die Frustration über den schleppenden Fortschritt im US-Kongress, der die von ihm gesetzte Frist verstreichen ließ, bis zum Jahrestag ein Reformpaket zur
Unterschrift vorzulegen. „Wir müssen zusammenkommen, um das Vertrauen zwischen den Ordnungshütern und den Menschen, denen sie dienen, wiederherzustellen“, hatte der Präsident bei seiner ersten Rede vor beiden Häusern des Kongresses im April appelliert. Es gehe darum, „strukturellen Rassismus in unserem Strafrechtssystem zu beenden.“
Floyds Familien-Angehörige sprachen im Kongress auch mit
Speakerin Nancy Pelosi und Abgeordneten, die an dem Reformgesetz arbeiten. Karen Bass, die eine Schlüsselrolle dabei spielte, den „George Floyd Justice in Policing Act“durch das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus zu bringen, hofft, bei den Verhandlungen mit dem Senat zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen. „Wir brauchen ein wirklich überparteilich unterstütztes Gesetz im Senat.“
Aufseiten der Republikaner verhandelt dort der schwarze Senator Tim Scott aus South Carolina mit dem Demokraten Cory Booker aus New Jersey. Knackpunkt ist vor allem der Rechtsschutz für Polizisten, die im Dienst Gewalt einsetzen. Während die Demokraten die weitgehende Immunität der Beamten im Einsatz einschränken wollen, halten die Republikaner deren Erhalt für wesentlich.
Es war ein langes Jahr, ein schmerzvolles Jahr. Bridgett Floyd, Bruder von Todesopfer George Floyd
Verbot von Würgetechniken
Größere Fortschritte haben die Polizeireformen auf regionaler und lokaler Ebene gemacht. Mehr als 30 Gliedstaaten und Dutzende Großstädte beschlossen neue Regeln, die bestimmte Polizeitaktiken untersagen; allen voran der Einsatz verschiedener Würgetechniken.
Für Bürgerrechtsanwalt Ben Crump, der die Familie Floyds vertritt, geht das nicht weit genug. Nach wie vor kommen jeden Tag im Schnitt drei Amerikaner durch den Einsatz von Polizeigewalt ums Leben. Eine Zahl, die sich seit dem Tod Floyds nicht verändert hat. Der Besuch Bridgett Floyds im Weißen Haus und Kongress am Jahrestag gebe Gelegenheit, daran zu erinnern. „Wir müssen das Momentum nutzen.“