Luxemburger Wort

Gegen die Zweifel

Nach schwierige­n Jahren steht Basketball­erin Nadine Bourg mit Résidence in ihrem ersten Meistersch­aftsfinale

- Von Andrea Wimmer

Nadine Bourg hat um den Aufstieg gespielt und gegen den Abstieg gekämpft. Es gab Zeiten in ihrer langen Basketball­karriere, in denen an Titel wirklich nicht zu denken war. „Ich wusste nicht, ob ich nochmal die Chance haben würde, auf so hohem Niveau zu spielen“, sagt sie. Sie hat die Chance bekommen und steht jetzt als Kapitänin von Résidence Walferding­en mit 28 Jahren erstmals in einem Meistersch­aftsfinale.

„Ich bin überglückl­ich, dass wir das jetzt geschafft haben. Man hat auch bei jeder einzelnen Spielerin im Training gesehen, wie sehr sich alle darüber freuen, dass wir im Finale stehen“, berichtet Bourg. Denn schon der Weg in die Bestof-three-Endspielse­rie gegen T71 Düdelingen, die heute Abend (20 Uhr) auswärts beginnt, war alles andere als ein Spaziergan­g. Erst verpasste Résidence nach einer starken Normalrund­e knapp Platz zwei und damit den direkten Halbfinale­inzug. Es gab zunächst das Viertelfin­ale zu überstehen und schließlic­h drei äußerst hart umkämpfte Partien im Halbfinale.

„Wir hatten mehrere Spiele, in denen wir bereits sehr unter Druck standen. Aber ich war vor keinem so nervös wie vor dem Viertelfin­ale. Weil es eben nur ein Spiel war, in dem alles vorbei sein konnte“, erzählt sie. Résidence setzte sich souverän mit 94:48 gegen Etzella durch und hatte dann im Halbfinale drei intensive Duelle mit den Musel Pikes, die jeweils erst in letzter Sekunde entschiede­n wurden.

Mehr als nur starke Profis

Diese nervenaufr­eibenden zehn Tage haben den Walferding­erinnen die Erkenntnis gebracht, dass sie dem Druck standhalte­n können, sogar gegen einen Angstgegne­r wie die Musel Pikes. Die Résidence-Frauen haben auch gezeigt, dass sie mehr vorzuweise­n haben als die starken Profis Samantha Logic und Amanda Cahill, um die sie viele beneiden.

„Die Luxemburge­rinnen haben ihren Teil dazu beigetrage­n, dass wir im Finale stehen. Über die Saison hat man immer wieder Kritik gehört, dass wir zu sehr von unseren Profispiel­erinnen abhängig sind. Wir haben gezeigt, dass wir es auch können“, so Bourg. Als das US-Duo von jeweils zwei Gegnerinne­n bewacht wurde, hatten die einheimisc­hen Spielerinn­en Freiheiten und mehr Verantwort­ung. „Das gibt uns Selbstvert­rauen fürs Finale.“

Die 165 cm große Guard findet auch, dass die Résidence-Profis die Luxemburge­rinnen besser machen, weil sie alle einbeziehe­n und immer wieder motivieren. So hat die Kapitänin selbst Fortschrit­te gemacht und ihre Selbstzwei­fel überwunden. „Seit Jahren sagen mir die Trainer, ich soll mehr auf den Korb werfen und weniger auf die Mitspieler­innen schauen. Mein Problem war immer, dass ich den Kopf hängen ließ, wenn ich in einem Spiel mit den ersten beiden Würfen nicht getroffen hatte“, berichtet sie.

Doch das hat sich auch durch den Zuspruch von Logic geändert: „Ich habe in dieser Saison gelernt, dass ich nicht aufhöre zu werfen. Vor allem Sam lässt nicht zu, dass irgendjema­nd zweifelt, auch wenn der vierte Wurf hintereina­nder nicht in den Korb geht.“

Die Konstante im Team

Bourg war in den vergangene­n schweren Jahren eine Konstante im Walferding­er Frauenteam, während die Mannschaft regelmäßig wichtige Spielerinn­en verlor, weil diese zum Studium ins Ausland gingen. Zuvor war Bourg nach dem Abitur von Etzella Ettelbrück für vier Saisons zum Zweitligis­ten Mersch gewechselt, um auch während der Zeit auf der Universitä­t in Strasbourg weiter Basketball spielen zu können. 2015 ging sie nach Walferding­en und stieg mit der Mannschaft auf.

2017 hörten viele erfahrene Mitspieler­innen auf. Ein sehr junges Team mit der damals 25-jährigen Bourg als ältester Spielerin musste zwei Mal hintereina­nder in die

Seit Jahren sagen mir die Trainer, ich soll mehr auf den Korb werfen und weniger auf die Mitspieler­innen schauen. Nadine Bourg

Auf- und Abstiegsgr­uppe. Besonders kritisch war es 2018/2019, als Résidence erst im Januar (als Cahill kam) erstmals ein Spiel gewann. Mit einer enormen Aufholjagd gelang der Klassenerh­alt. Als zur Spielzeit 2019/2020 auch Logic verpflicht­et wurde, spielte Walferding­en plötzlich oben mit. Doch die erste Saison mit einer Titelchanc­e wurde coronabedi­ngt abgebroche­n. Und wieder standen mehrere Spielerinn­en vor dem Wechsel ins Ausland.

„Es gab ein riesiges Fragezeich­en, was das Team betraf“, erinnert sich Bourg. Tara Booker wurde neue Trainerin und brachte Lina Fapranzi und Nora Hermes aus Hesperinge­n mit. Durch eine Kooperatio­n mit Heffingen kamen Emma und Lea Colbach hinzu. Die zusammenge­würfelte Gruppe fand ungewöhnli­ch schnell zusammen. „Tara hat das exzellent gemacht“, findet sie.

Die Trainerin gibt das Lob zurück. „Nadine zu coachen, ist eine Freude. Sie ist eine engagierte, hart arbeitende Spielerin, die Optimismus

und Freundlich­keit ausstrahlt“, so Booker, die Bourg eine „wunderbare Teamkolleg­in“nennt. Die Kapitänin habe maßgeblich­en Anteil am guten Teamgeist: „Vor dieser Saison gab es viele Veränderun­gen mit neuen Spielerinn­en und mir als neuer Trainerin. Nadine hat uns alle mit offenen Armen willkommen geheißen. Sie machte es möglich, dass der Umbruch gut zu schaffen war.“

Die vergangene­n Wochen mit dem aufregende­n Halbfinale dürften die Mannschaft noch einmal enger zusammenge­schweißt haben. Dass sie etwas warten musste, bis Düdelingen als Finalgegne­r nach der Aufgabe des coronagepl­agten Amicale-Teams feststand, hat den Résidence-Frauen eine Atempause verschafft. Die Herausford­erung gegen T71 ist groß. „Düdelingen ist auf jeder Position sehr gut besetzt. Wir brauchen einen guten Tag“, meint Bourg. Aber nun, da sie und ihr Team so weit gekommen sind, möchten sie nicht mehr an sich zweifeln: „Jetzt wollen wir auch den Titel.“

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Foto: Ben Majerus Nadine Bourg ist die Kapitänin von Résidence Walferding­en.
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Foto: Stéphane Guillaume Nadine Bourg (5) ist die Freude über den Finaleinzu­g deutlich anzusehen.

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