Showdown im Parlament
Ex-Johnson-Berater Dominic Cummings erhebt schwere Vorwürfe gegen die britische Regierung
Es war ein Spektakel, auf das sich der britische Politik- und Medienbetrieb seit Wochen vorbereitet hat: Dominic Cummings, der ehemalige Chefberater von Premier Boris Johnson, hat gestern vor mehreren Parlamentsausschüssen zu den Corona-Versäumnissen der Regierung ausgesagt. Das Interesse war erwartungsgemäß groß. Schließlich hat die Pandemie Großbritannien extrem schwer getroffen. Die Zahl der Todesfälle, bei denen Covid-19 als Todesursache angegeben wurde, liegt derzeit bei über 152 000.
Cummings entschuldigte sich bei der britischen Öffentlichkeit und räumte schwere Fehler ein. Sowohl er als auch mehrere andere Berater und führende Minister hätten Anfang 2020 die Schwere der Situation nicht erkannt. Der ehemalige Berater entschuldigte sich auch bei den „Familien all jener, die unnötigerweise gestorben sind“. Es seien Zehntausende gewesen, fügte Cummings später hinzu.
Während seiner Aussage wiederholte Cummings eine Reihe von Vorwürfen, die er bereits in den vergangenen Wochen in Twitter-Nachrichten erhoben hatte. Dabei nahm er vor allem den Premierminister ins Visier: Der habe die Pandemie noch im Februar 2020 als „Schauergeschichte“angesehen und mit der Schweinegrippe verglichen. Er selbst und andere Beamte hätten Johnson sogar von Treffen des Notfallstabs der Regierung ferngehalten, weil man befürchtet habe, dass Johnson die Gefahr herunterspielen und die Treffen so behindern würde. Der Premier sei zudem jemand, „der seine Meinung zehnmal am Tag ändert“, sagte Cummings.
Ein Rachefeldzug?
Als klar geworden sei, wie ernst die Lage war, habe die Regierung zunächst einen Kurs eingeschlagen, der zu einer Infizierung des Großteils der Bevölkerung geführt und so eine Herdenimmunität bewirkt hätte. Diese sei jedoch als „unvermeidbar“angesehen worden und nicht das vorrangige Ziel gewesen, fügte Cummings hinzu. Der Vorwurf ist brisant, da die Regierung vehement zurückweist, jemals auf eine Herdenimmunität hingearbeitet zu haben.
Es gäbe „Tausende wundervoller Menschen“, die besser darin wären, das Land anzuführen als Boris Johnson, sagte Cummings weiter. Es müsse „tiefgreifende Probleme“im politischen System des Landes geben, wenn jemand wie Johnson an die Macht kommen könne.
Äußerungen wie diese machen es schwierig, es Cummings abzunehmen, dass er mit seiner Aussage nur das öffentliche Interesse im Sinn hat und keinen persönlichen Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber führen will. Denn Johnson hat seinen Chefberater im vergangenen November, offenbar nach einem Machtkampf in der Downing Street, kurzerhand gefeuert.
In der britischen Öffentlichkeit genießt Cummings jedoch kein gutes Ansehen. Tatsächlich entbrannte im vergangenen Sommer ein regelrechter Skandal um Johnsons Chefberater: Während des ersten Lockdowns war Cummings mit seiner Frau und seinem Sohn mit dem Auto nach Nordengland gefahren, obwohl beide an Covid erkrankt waren. Kurz danach besuchte die Familie einen touristischen Ort in der Region. Der Anlass war offenbar der Geburtstag seiner Frau. Beide Male hat Cummings schwer gegen die geltenden Lockdown-Auflagen verstoßen.
Negativschlagzeilen
Cummings’ harsche und detaillierte Kritik könnte Johnson dennoch beschädigen. Denn der britische Premier hangelt sich seit Wochen von einer Negativschlagzeile zur nächsten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Johnson die luxuriöse Renovierung seiner Dienstwohnung in der Downing Street offenbar zunächst von einem Tory-Parteispender bezahlen lassen hat, ohne die Zahlung als Spende zu deklarieren. Damit könnte er gegen das Wahlrecht verstoßen haben.
Kurz darauf wurde bekannt, dass Johnson nach der Verhängung des zweiten Lockdowns im vergangenen Herbst wütend durch den Regierungssitz gerufen haben soll, er würde lieber „Tausende Körper“von Covid-Toten gestapelt sehen, als noch einen Lockdown zu verhängen. Mehrere Regierungsinsider bestätigten die Äußerung, Johnson dementiert sie. Die Angehörigen von Pandemieopfern reagierten erwartungsgemäß entsetzt.
Vor allem aber der Zeitpunkt von Cummings Aussage ist für die Regierung ausgesprochen ungünstig. Denn Johnsons Regierung wirkt nach einem monatelangen Umfrage-Höhenflug nach der erfolgreichen britischen Impfkampagne derzeit wieder unorganisiert und chaotisch. Im Moment breitet sich in mehreren Landesteilen eine offenbar ansteckendere indische Variante des Corona-Virus aus, an der auch Geimpfte häufiger erkranken können als an bisherigen Varianten. Die Regierung hat daher in den vergangenen Tagen die Bewohner in den betroffenen Regionen zunächst aufgefordert, nicht in andere Landesteile zu reisen – um nach einem Aufschrei sofort wieder zurückzurudern. Dessen ungeachtet hat die Regierung erst Mitte des Monats die CovidAuflagen weiter gelockert.
Der Premier sei jemand, „der seine Meinung zehnmal am Tag ändert“, sagte Cummings.
Mit einem Schild „Freiheit for Roman Protassewitsch“demonstriert eine Frau vor der belarussischen Botschaft in Moskau.
befördert hat. Das führt uns jetzt in diese Lage, in der Lukaschenko zu wirklich wahnsinnigen Mitteln greift.
Werden Sie selbst noch ein Flugzeug besteigen, das belarussischen Luftraum durchquert?
Sicherlich nicht. Wir werden in Zukunft sehr vorsichtig sein müssen und unsere Sicherheitsvorkehrungen verstärken. Ich denke dabei nicht nur an Swetlana Tichanowskaja selbst, sondern an alle, die wie ich in ihrem Stab arbeiten. Wir wissen, dass Lukaschenkos Regierung und sein ganzer Sicherheitsapparat in diesem Moment gegen uns arbeiten.