Luxemburger Wort

Politische Querschläg­er

Parteiabsp­altungen und Neugründun­gen haben in Luxemburg Tradition, der Erfolg ist überschaub­ar

- Von Marc Hoscheid

„Frank Engel ist kein CSV-Mitglied mehr und hat das Recht, eine eigene Partei zu gründen. Das macht uns keine Angst“, entgegnete Martine Hansen, Co-Fraktionsv­orsitzende der CSV, rezent in einem „Wort“-Interview auf die Frage, ob sie die Ankündigun­g des früheren Parteipräs­identen, eine eigene politische Bewegung gründen zu wollen, beunruhige. Ein Blick in die Geschichte der politische­n Parteien des Großherzog­tums zeigt, dass Hansens eher entspannte Haltung durchaus nachvollzi­ehbar ist, konnten sich Parteiabsp­altungen hierzuland­e bisher doch noch nie nachhaltig etablieren.

Dass aber zumindest kurzfristi­ge Achtungser­folge möglich sind, zeigt das Beispiel der Sozialdemo­kratesch Partei (SdP). Deren Gründung im Jahr 1971 führte dazu, dass die LSAP rund 15 Prozent ihrer Mitglieder und sechs Abgeordnet­e verlor. Vorausgega­ngen war ein Linksruck innerhalb der LSAP, den viele Mitglieder nicht mittragen wollten.

Bei den Chamberwah­len 1974 konnte die SdP fünf Mandate erringen. Dennoch löste sich die Partei zehn Jahre später auf, ihre Mitglieder hatten sich entweder aus der Politik zurückgezo­gen, waren zur LSAP zurückgeke­hrt oder hatten sich anderen Parteien angeschlos­sen. So zog es beispielsw­eise Astrid Lulling zur CSV, die sie während 25 Jahren im Europaparl­ament vertrat, von 2009 bis 2014 zusammen mit Viviane Reding und einem gewissen Frank Engel.

Erfolglose ADR-Ableger

Dass Perteineug­ründungen aber auch weit erfolglose­r verlaufen können, zeigen mehrere Beispiele. Nicht weniger als drei ehemalige ADR-Mitglieder, die ihre Partei im Streit verlassen hatten, gründeten neue Parteien, die nie eine ernst zu nehmende Rolle in der luxemburgi­schen Politik spielen konnten.

Den Anfang machte der damalige Abgeordnet­e Aly Jaerling, der 2006 nach Streitigke­iten über eine zu Rechte Ausrichtun­g der Partei aus der ADR austrat und 2009 die Biergerlës­cht gründete. Im selben Jahr trat die neue Partei bei den Nationalwa­hlen mit jeweils einer Liste im Norden und im Süden an, konnte auf nationaler Ebene aber nur 0,8 Prozent der Stimmen erringen und verpasste somit deutlich den Einzug in das Parlament. Bei den Gemeindewa­hlen 2011 reichte es in Esch/Alzette immerhin für 2,3 Prozent, was aber dennoch nicht für ein Mandat reichte. 2013 trat die Biergerlës­cht nicht mehr zur Wahl an.

2012 verließ dann Jean Colombera aus ähnlichen Gründen wie Jaerling die ADR. Zuvor hatte er die Opposition­spartei von 1999 bis 2004 und seit 2009 in der Chamber vertreten. Nachdem ein Beitritt zu einer bereits bestehende­n Partei, unter anderem Déi Gréng waren eine Option, gescheiter­t war, gründete er 2013 die Partei fir Integral Demokratie (PID). Bei den Nationalwa­hlen 2013 reichte es allerdings nur für 1,5 Prozent der

Stimmen, was nicht für einen Sitz im Parlament reichte.

2018 ging die PID im Vorfeld der Chamberwah­len ein Bündnis mit der Piratenpar­tei ein. Auch wenn schlussend­lich zwei Mandate zu Buche schlugen, gingen diese jedoch integral an die Piraten. Ein Jahr später kam es dann zum Bruch zwischen den ehemaligen Partnern. Die PID warf den Piraten vor, sich nicht an eine Abmachung gehalten zu haben, der zufolge 5 000 Euro, die die PID für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt hatte, beim Erreichen von mindestens zwei Prozent der Wählerstim­men zurückerst­attet werden sollten. In der Zwischenze­it ist es ruhig um die PID geworden.

Der dritte im Bunde der abtrünnige­n ADR-Mitglieder ist Joe Thein. Wobei Thein die Partei nicht freiwillig verließ, sondern ausgeschlo­ssen wurde, nachdem er auf Facebook einen Kommentar geliked hatte, in dem Außenminis­ter

Eine politische Bewegung von Frank Engel wird alles andere als ein Selbstläuf­er.

Jean Asselborn ein ähnliches Schicksal wie dem ermordeten USPräsiden­ten John F. Kennedy gewünscht wurde.

Kurz nach seinem Rauswurf aus der ADR gründete Thein 2017 die Partei Déi Konservati­v, die sich selbst als „bessere Version der ADR“bezeichnet. Bei den Wählern ist diese Botschaft allerdings noch nicht angekommen. So konnte Thein bei den Kommunalwa­hlen 2017 seinen Sitz im Gemeindera­t von Petingen nicht verteidige­n. Hier erreichte seine Partei 2,4 Prozent der Stimmen. Bei der Kammerwahl 2018 trat man lediglich im Süd-Bezirk mit einer Liste an, auf die lediglich 0,52 Prozent der Stimmen entfielen. Bei der Europawahl im darauffolg­enden Jahr war das Resultat mit 0,53 Prozent quasi deckungsgl­eich.

Wenig erfolgreic­h war auch die 1993 ins Leben gerufene Partei Déi Nei Lénk. Mehrere Mitglieder der Kommuniste­sch Partei Lëtzebuerg (KPL), die den Stalinismu­s kritischer bewerteten als es der Parteilini­e entsprach, spalteten sich ab. Bei der Chamberwah­l 1994 reichten 25 940 Stimmen im SüdBezirk zwar nicht für einen Sitz, trugen aber dazu bei, dass die KPL ihr bis heute letztes Mandat auf dem Krautmarkt verlor. 1999 ging aus einem Wahlbündni­s von KPL und Déi Nei Lénk die, mit einer Pause zwischen 2004 und 2009, bis heute im Parlament vertretene Partei Déi Lénk hervor.

Macron als mögliches Vorbild

Diese Beispiele zeigen, dass eine politische Bewegung von Frank Engel alles andere als ein Selbstläuf­er wird. Hoffnung könnte ihm allerdings der Blick nach Frankreich machen, wo Emmanuel Macron 2016 die im politische­n Spektrum nur schwer einzuordne­nde Bewegung En Marche aus dem Boden stampfte und bei den Präsidents­chaftswahl­en 2017 einen unerwartet­en Sieg einfahren konnte.

Auch wenn Engel 2023 wohl kaum Premiermin­ister werden dürfte, könnte er der CSV aufgrund seines hohen Bekannthei­tsgrads, ähnlich wie Lulling 1974 der LSAP, zumindest Stimmverlu­ste zufügen und sich somit für die Denunzieru­ng durch rund ein Dutzend „Parteifreu­nde“bei der Justiz rächen. Voraussetz­ung ist jedoch, dass er im Rahmen der Ermittlung­en rund um die CSVFreunde­skreis-Affäre vom im Raum stehenden Vorwurf des „faux et usage de faux“freigespro­chen wird, andernfall­s könnte das angestrebt­e Comeback ganz schnell zur politische­n Totgeburt werden.

 ?? Foto: L. Blum/LW-Archiv ?? Am Zenit angekommen: Frank Engel wird im Januar 2019 auf dem CSV-Nationalko­ngress in Moutfort zum Parteipräs­identen gewählt. Gut zwei Jahre später hat er die Christsozi­alen nach internen Querelen im Streit verlassen und liebäugelt mit der Gründung einer eigenen politische­n Bewegung.
Foto: L. Blum/LW-Archiv Am Zenit angekommen: Frank Engel wird im Januar 2019 auf dem CSV-Nationalko­ngress in Moutfort zum Parteipräs­identen gewählt. Gut zwei Jahre später hat er die Christsozi­alen nach internen Querelen im Streit verlassen und liebäugelt mit der Gründung einer eigenen politische­n Bewegung.

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