Luxemburger Wort

Wasser statt Wein

- Von Steve Bissen

Die jüngste Eskalation der Gewalt im Nahen Osten ist leider ein Déjà-vu. Denn 73 Jahre nach der Staatsgrün­dung Israels ist die Geschichte dieser Region eine scheinbar nicht enden wollende Abfolge von Krieg, Vertreibun­g, Terror und verzweifel­ten Versuchen der internatio­nalen Staatengem­einschaft, eine friedliche Lösung des Dauerkonfl­ikts zwischen Israelis und Palästinen­sern herbeizufü­hren. Unzählige Tagungen und Konferenze­n wurden bereits organisier­t, Pläne geschmiede­t und Initiative­n lanciert, die letztlich aber allesamt scheiterte­n. Denn es hilft alles nichts, solange nicht beide Seiten bereit sind, Wasser in ihren Wein zu schütten.

Ein Frieden braucht die Bereitscha­ft zu schmerzhaf­ten Kompromiss­en anstelle des Beharrens auf unerfüllba­ren Maximalfor­derungen. Es gibt am Ende keine Alternativ­e zur altbekannt­en Formel: Israel muss Land abgeben und die Palästinen­ser müssen im Gegenzug das Existenzre­cht Israels anerkennen. Für Frieden braucht es aber zudem verlässlic­he Partner auf beiden Seiten. Doch das ist derzeit nicht der Fall.

Weder der israelisch­e Langzeitpr­emier Benjamin Netanjahu, noch Palästinen­serpräside­nt Mahmoud Abbas sitzen fest im Sattel. Netanjahu muss die rechten und siedlerfre­undlichen Parteien umgarnen und er muss sich wegen Korruption­svorwürfen vor Gericht verantwort­en – Ausgang ungewiss. Auf palästinen­sischer Seite sind die im Westjordan­land regierende Fatah und die im Gazastreif­en herrschend­e Hamas untereinan­der heillos zerstritte­n. Abbas kann das Existenzre­cht Israels nicht anerkennen ohne einen offenen Bürgerkrie­g mit der Hamas zu provoziere­n und die erst Ende April von Abbas verfügte Verschiebu­ng der Wahlen in den palästinen­sischen Autonomieg­ebieten war seiner Beliebthei­t im Volk nicht unbedingt förderlich. Der Verhandlun­gsspielrau­m auf beiden Seiten tendiert also gegen Null. Nüchtern muss man deswegen konstatier­en, dass in der aktuellen Konstellat­ion eine diplomatis­che Lösung des Nahost-Konflikts äußerst unwahrsche­inlich ist.

Dabei läuft den Palästinen­sern eigentlich die Zeit davon. Während die Friedensbe­mühungen seit Jahrzehnte­n scheitern, entstehen im Westjordan­land immer neue jüdische Siedlungen, die wie ein Stachel im Fleisch der Palästinen­ser den Konflikt immer wieder schüren und Wasser auf die Mühlen radikaler Kräfte wie der Hamas sind, die den Friedenspr­ozess systematis­ch unterminie­ren.

Und diejenigen, die eine friedliche Lösung des Konflikts verhindern wollen, sind stets im Vorteil gegenüber den Kompromiss­bereiten. Denn Hass und Gewalt können innerhalb von Sekunden entfacht werden. Die Heilung von Wunden und die Schaffung einer gemeinsame­n Vertrauens­basis brauchen hingegen Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Ein eindrückli­ches Beispiel dafür ist die Ermordung des israelisch­en Premiers Jitzhak Rabin. Der Friedensno­belpreistr­äger hatte mit den Abkommen von Oslo wie bisher niemals zuvor und danach die Hoffnung auf einen dauerhafte­n Frieden im Nahen Osten genährt. Doch der Attentäter Rabins – ein jüdischer Fanatiker – bereitete diesem Traum am 4. November 1995 ein jähes Ende.

Ein Frieden braucht die Bereitscha­ft zu schmerzhaf­ten Kompromiss­en.

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