Wasser statt Wein
Die jüngste Eskalation der Gewalt im Nahen Osten ist leider ein Déjà-vu. Denn 73 Jahre nach der Staatsgründung Israels ist die Geschichte dieser Region eine scheinbar nicht enden wollende Abfolge von Krieg, Vertreibung, Terror und verzweifelten Versuchen der internationalen Staatengemeinschaft, eine friedliche Lösung des Dauerkonflikts zwischen Israelis und Palästinensern herbeizuführen. Unzählige Tagungen und Konferenzen wurden bereits organisiert, Pläne geschmiedet und Initiativen lanciert, die letztlich aber allesamt scheiterten. Denn es hilft alles nichts, solange nicht beide Seiten bereit sind, Wasser in ihren Wein zu schütten.
Ein Frieden braucht die Bereitschaft zu schmerzhaften Kompromissen anstelle des Beharrens auf unerfüllbaren Maximalforderungen. Es gibt am Ende keine Alternative zur altbekannten Formel: Israel muss Land abgeben und die Palästinenser müssen im Gegenzug das Existenzrecht Israels anerkennen. Für Frieden braucht es aber zudem verlässliche Partner auf beiden Seiten. Doch das ist derzeit nicht der Fall.
Weder der israelische Langzeitpremier Benjamin Netanjahu, noch Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas sitzen fest im Sattel. Netanjahu muss die rechten und siedlerfreundlichen Parteien umgarnen und er muss sich wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten – Ausgang ungewiss. Auf palästinensischer Seite sind die im Westjordanland regierende Fatah und die im Gazastreifen herrschende Hamas untereinander heillos zerstritten. Abbas kann das Existenzrecht Israels nicht anerkennen ohne einen offenen Bürgerkrieg mit der Hamas zu provozieren und die erst Ende April von Abbas verfügte Verschiebung der Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten war seiner Beliebtheit im Volk nicht unbedingt förderlich. Der Verhandlungsspielraum auf beiden Seiten tendiert also gegen Null. Nüchtern muss man deswegen konstatieren, dass in der aktuellen Konstellation eine diplomatische Lösung des Nahost-Konflikts äußerst unwahrscheinlich ist.
Dabei läuft den Palästinensern eigentlich die Zeit davon. Während die Friedensbemühungen seit Jahrzehnten scheitern, entstehen im Westjordanland immer neue jüdische Siedlungen, die wie ein Stachel im Fleisch der Palästinenser den Konflikt immer wieder schüren und Wasser auf die Mühlen radikaler Kräfte wie der Hamas sind, die den Friedensprozess systematisch unterminieren.
Und diejenigen, die eine friedliche Lösung des Konflikts verhindern wollen, sind stets im Vorteil gegenüber den Kompromissbereiten. Denn Hass und Gewalt können innerhalb von Sekunden entfacht werden. Die Heilung von Wunden und die Schaffung einer gemeinsamen Vertrauensbasis brauchen hingegen Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Ermordung des israelischen Premiers Jitzhak Rabin. Der Friedensnobelpreisträger hatte mit den Abkommen von Oslo wie bisher niemals zuvor und danach die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten genährt. Doch der Attentäter Rabins – ein jüdischer Fanatiker – bereitete diesem Traum am 4. November 1995 ein jähes Ende.
Ein Frieden braucht die Bereitschaft zu schmerzhaften Kompromissen.