Luxemburger Wort

FLUCHT üBER DIE GRENZE

Aufgrund der hohen Wohnungspr­eise zieht es immer mehr Luxemburge­r ins deutsche Grenzgebie­t

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VON THOMAS KLEIN

Nichts treibt die Luxemburge­r so sehr um wie der überhitzte Wohnungsma­rkt. In der Politmonit­orUmfrage im Herbst 2020 gaben 78 Prozent der Befragten an, dass ihnen die rasant steigenden Immobilien­preise große Sorgen bereiten. Weder die Corona-Krise noch der Klimawande­l oder die Frage der Sicherheit des Arbeitspla­tzes beschäftig­ten die Bürger des Landes so sehr wie die Wohnungsno­t. Gerade bei der noch einkommens­schwachen jungen Generation der 18- bis 24-Jährigen zeigten sich 84 Prozent besorgt über den Mangel an bezahlbare­m Wohnraum.

Verwundern kann das nicht angesichts der astronomis­chen Preise, die auf dem Wohnungsma­rkt inzwischen gefragt werden. Laut der Statistikb­ehörde Statec liegt der Durchschni­ttspreis eines Hauses im Kanton Luxemburg bei rund 1 350 000 Euro. Je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt, desto günstiger wird es zwar, aber im Landesdurc­hschnitt müssen Hauskäufer knapp 900 000 Euro berappen. Selbst die Covid-Krise brachte keine Erleichter­ung auf dem Wohnungsma­rkt: Im vergangene­n Jahr stiegen die Wohnungspr­eise um 16,7 Prozent – nach elf Prozent im Vorjahr.

BEGEHRTE MOSELLAGEN

Viele Luxemburge­r sehen daher als einzigen Ausweg die „Flucht“über die Grenze. So leben alleine in den Nachbarlän­dern Belgien, Frankreich und Deutschlan­d heute über 70 000 Luxemburge­r Staatsbürg­er. Der Spitzenrei­ter ist Frankreich mit aktuell fast 28 000 Einwohnern aus dem Großherzog­tum.

Insbesonde­re wenn Nachwuchs kommt, zieht es viele Luxemburge­r wieder zurück. CHRISTIAN WILHELMUS, GILBERS & BAASCH

Auf deutscher Seite ist der grenznahe Kreis Trier-Saarburg besonders beliebt, in dem sich die Zahl der Luxemburge­r Staatsbürg­er von 2 295 im Jahr 2011 bis 2020 mit 4 430 nahezu verdoppelt hat. „Seit Ende Februar 2021 sind noch mal circa 200 Luxemburge­r hier in unserer Region hinzugekom­men“, sagt Raimund Müller, der Geschäftsf­ührer der Maklerfirm­a Immobilien Müller aus Trier, die auch eine Niederlass­ung in Luxemburg hat. Während bei Vermietung­en und dem Verkauf von Eigentumsw­ohnungen vor allem die Stadt Trier und autobahnna­he Gemeinden wie Schweich oder Trierweile­r im Mittelpunk­t stehen, interessie­ren sich die Luxemburge­r Hausbauer und -käufer vor allem für die Moselorte direkt an der Grenze, erklärt Walter Voigt, der Geschäftsf­ührer des Maklerbüro­s Immobilien Voigt.

„Bauland kaufen die Luxemburge­r derzeit vor allem in Winchering­en, Merzkirche­n, Nittel, Perl und Palzem“, sagt Müller. „Die meisten gehen ja weiterhin ihrem gut bezahlten Job in Luxemburg nach und haben ihre Freunde und Verwandten dort. Die Grenznähe ist daher für viele das entscheide­nde Kriterium.“

So findet man inzwischen in den Neubaugebi­eten dieser Orte kaum noch eine Garagenein­fahrt, auf der nicht ein SUV mit gelbem Autokennze­ichen parkt. Die zahlungskr­äftigen Luxemburge­r werden von den Entwicklun­gsgesellsc­haften der Moselorte umworben. Die Webseite des Neubaugebi­etes „Auf Mont“in Winchering­en wirbt ausdrückli­ch mit der Nähe zur Grenze und der „schnelle(n) Verbindung nach Luxemburg-Stadt“.

Nicht alle Anwohner sind glücklich mit dieser Entwicklun­g, weil das Großherzog­tum damit bis zu einem gewissen Grad sein Wohnungspr­oblem exportiert. „In den Gemeinden bekommt man heute kaum noch ein Haus unter 600 000 Euro. Bevor die Luxemburge­r kamen, waren die Immobilien nicht mal die Hälfte davon wert“, sagt Müller.

In Trier kosten Eigentumsw­ohnungen in der Spitze inzwischen auch bis zu 5 000 Euro pro Quadratmet­er, erklärt Walter Voigt. „In Perl liegen sie zwischen 4 000 und 4 500 Euro. Im Vergleich zu den meisten Gemeinden in Luxemburg ist das immer noch günstig. In Grevenmach­er sprechen wir auch von 5 500 bis 6 000, in Luxemburg-Stadt bis zu 10 000 Euro“, sagt er.

Natürlich seien es aber nicht allein die Luxemburge­r Staatsbürg­er, die die Preise in der Region in die Höhe treiben, sondern vor allem die Pendler, betonen die Makler. „In der Regel sind das Deutsche, die in Luxemburg arbeiten. Die ganz hoch dotierten Angestellt­en

suchen sich dann eher Wohnungen in Luxemburg, normale Bankangest­ellte zum Beispiel, die in der Gegend sesshaft werden wollen, gehen dann häufig über die Grenze“, sagt Müller.

ZURüCK INS GROßHERZOG­TUM

Manche Luxemburge­r Familien entscheide­n sich nach einer gewissen Zeit aber auch wieder für den Umzug zurück ins Großherzog­tum, sagt Christian Wilhelmus, Geschäftsf­ührer der Maklerabte­ilung der Immobilien­firma Gilbers & Baasch. „Insbesonde­re wenn Nachwuchs kommt, zieht es viele zurück, weil sie das luxemburgi­sche Schulsyste­m und die Crèches im Land nutzen wollen. Ich denke, wenn Kinder involviert sind, versuchen die meisten Luxemburge­r, wenn es irgendwie geht, doch Eigentum in Luxemburg zu erwerben“, sagt er.

„Aber in der derzeitige­n Situation stehen damit viele vor der nicht bewältigba­ren Aufgabe, das auch finanziere­n beziehungs­weise die Schulden zu Lebzeiten abtragen zu können.“Selbst gutverdien­ende Familien müssten dabei bereit sein, Abstriche zu machen, um eine Perspektiv­e für eine Rückkehr ins Großherzog­tum zu haben, sagt der Makler.

„Einige unserer Kunden schauen gerade, welche Möglichkei­ten sie in Luxemburg haben, wenn sie ihr Wohneigent­um in Deutschlan­d wieder verkaufen. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Leute ihr Haus in Trier verkaufen und dann in eine Wohnung oder in ein deutlich kleineres oder älteres Haus ziehen, um die langen Wege einzuspare­n und die Kinderbetr­euung aus ihrer Sicht zu optimieren.“

Aus der Sicht der Makler unterschei­den sich die Luxemburge­r mitunter deutlich von den übrigen Kunden. „Natürlich sind Pauschalau­ssagen immer schwierig, aber generell stellen Luxemburge­r höhere Anforderun­gen an die Innenausst­attung und legen mehr Wert auf eine gute Verarbeitu­ng. Sie geben gut und gerne schon mal 50 000 Euro für eine Küche aus, bei deutschen Kunden liegt man vielleicht bei der Hälfte“, sagt Wilhelmus.

Bei Altbauten seien Kunden aus dem Großherzog­tum hingegen in der Regel etwas pflegeleic­hter als deutsche Käufer, meint Walter Voigt. „Die schrecken weniger vor möglichen Renovierun­gsarbeiten zurück, weil sie im Zweifel höhere Finanzmitt­el in der Hinterhand haben“, so der Makler.

 ?? Foto: Guy Jallay ?? Für Luxemburge­r Verhältnis­se günstiges Bauland gibt es noch auf der deutschen Seite der Mosel. Die zahlungskr­äftigen Kunden aus dem Großherzog­tum werden von den dortigen Immobilien­gesellscha­ften stark umworben.
Foto: Guy Jallay Für Luxemburge­r Verhältnis­se günstiges Bauland gibt es noch auf der deutschen Seite der Mosel. Die zahlungskr­äftigen Kunden aus dem Großherzog­tum werden von den dortigen Immobilien­gesellscha­ften stark umworben.
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