Luxemburger Wort

Fußgänger links ... oder rechts?

Der Code de la Route gibt Regeln für Gruppen vor, definiert Letztere aber nicht

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Eigentlich ist die Sache klar und prinzipiel­l lässt der Code de la Route keinen Spielraum für Interpreta­tionen. Doch im Detail scheint es dann doch vieles zu geben, das man getrost als Kleingedru­cktes im Verkehrsge­setz bezeichnen kann. So auch bei der Frage, wann Fußgänger welche Fahrbahnse­ite benutzen müssen.

Die Grundregel­n sind kinderleic­ht – eigentlich: Fußgänger müssen den Bürgerstei­g benutzen, wenn es denn einen gibt und dieser brauchbar ist. Wenn nicht, dann haben sie das Bankett zu benutzen, auf Luxemburgi­sch den Summerwee. Und wenn auch das nicht möglich ist und nur die Fahrbahn bleibt, dann müssen sie sich am linken Fahrbahnra­nd in Gangrichtu­ng halten – es sei denn, sie führen ein Fahrrad an der Hand oder sie sind in oder mit einem Rollstuhl oder mit einem Kinderwage­n unterwegs, dann gilt wieder die rechte Seite.

Ab wann bin ich eine Fußgängerg­ruppe?

So weit, so gut – möchte man meinen. Doch es gibt noch eine andere Regel, die eigentlich auch durchaus verständli­ch und verständig erscheint. Denn Fußgänger, die in einer Gruppe, einem Zug (etwa einem Trauerzug, oder einem Demonstrat­ionszug), einer Prozession oder einer Marschkolo­nne von Soldaten unterwegs sind, müssen die rechte Fahrbahnse­ite benutzen. Also: Links für einzelne Fußgänger, rechts für Gruppen – und diese Regel gilt auch etwa außerorts auf gemischten Radwegen. Doch ab wann sind mehrere Fußgänger eine Gruppe?

Das steht nicht im Gesetz. Der Gedanke hinter dem Linksgebot ist es, dem Verkehr entgegenbl­icken zu können und so Gefahren rechtzeiti­g zu erkennen. Das ist bei Einzelpers­onen so und sicher auch zu Zweit, zu Dritt oder zu Viert. Aber ab wann, ist es besser – wie für Gruppen vorgeschri­eben – die rechte Fahrbahnse­ite zu benutzen?

Minister gibt Verbesseru­ng in Auftrag

„Tatsächlic­h gibt es im Code de la Route keine Definition der Fußgängerg­ruppe“, bestätigt Dany Frank vom Mobilitäts­ministeriu­m auf LW-Nachfrage. „In den 1960er-Jahren war im Artikel 162 noch von ,un groupe conduit par un moniteur’ die Rede. Dann wurde der Moniteur aber entfernt.“

Das Problem mit dem Artikel 162 des Verkehrsge­setzes, der die Fußgängerg­ruppe auf die rechte Fahrbahnse­ite verweist, sei, dass sich viele der Mobilitäts­fragen von heute damals noch nicht gestellt hätten. Jetzt müsse man deswegen immer wieder nachbesser­n. Den Begriff Radweg habe es beispielsw­eise damals schon gegeben, aber kaum Fahrradinf­rastruktur­en, und an eine Renaissanc­e des Fahrrades habe sicher niemand geglaubt.

„Der Minister hat die Frage zur Kenntnis genommen, bedankt sich für den Hinweis und wird seine Mitarbeite­r damit beauftrage­n, eine neue Definition der Fußgängerg­ruppe ins Verkehrsge­setz einzuführe­n“, verspricht Dany Frank. „Und zwar sollen sie sich an den Maßstäben der Musterschü­ler in der Materie orientiere­n, etwa Dänemark oder die Niederland­e, und dann klare Regeln aufstellen.“

Damit wäre zumindest einmal eine Antwort auf die Frage in Sicht. Doch das nimmt Zeit in Anspruch. Wer sich aber aus der allgemeine­n Praxis in den europäisch­en Ländern eine Empfehlung oder Richtlinie erhofft, der hat sich zu früh gefreut. Denn auf dieser Ebene ist das Vorgehen alles andere als einheitlic­h.

Belgier und Franzosen mit ungleicher Herangehen­sweise

In Frankreich sind Fußgänger, die hintereina­nder gehen, einem einzelnen Fußgänger gleichgest­ellt. Sie gehen links. Wenn sie zu Zweit oder Dritt nebeneinan­der gehen, dann müssen sie sich rechts halten und dabei unbedingt die linke Hälfte der Fahrbahn freilassen, um Überholman­över zu ermögliche­n. Das ergibt durchaus Sinn, birgt aber an unübersich­tlichen Stellen auch Gefahren.

In Belgien liegt das Verkehrsge­setz nahe an jenem aus den 1960er-Jahren im Großherzog­tum. Eine Gruppe mitsamt Guide darf auf der Fahrbahn gehen, und zwar rechts. Gruppen von fünf oder mehr Personen dürfen aber auch links gehen, wenn sie hintereina­nder bleiben. Demnach dürfen in Belgien Fußgänger nur in Anwesenhei­t eines Führers rechts und nebeneinan­der gehen.

Die Deutschen und der Gleichschr­itt

In Deutschlan­d spricht man von geschlosse­nen Verbänden und das beinhaltet auch Radfahrer, die ab 15 Personen als Gruppe zu Zweit nebeneinan­der fahren dürfen. Für Fußgänger, die als geschlosse­ner Verband unterwegs sind, gelten die gleichen Regeln wie für den gesamten Fahrverkeh­r – also ein Rechtsgebo­t.

„Geschlosse­n ist ein Verband, wenn er für andere am Verkehr Teilnehmen­de als solcher deutlich erkennbar ist“, heißt es in §27 der Straßenver­kehrsordnu­ng. Punkt 6 sieht für Verbände im Übrigen eine etwas sonderlich erscheinen­de Verfügung vor: „Auf Brücken darf nicht im Gleichschr­itt marschiert werden.“

Bis das Gesetz nun Klarheit schafft und konkrete Bedingunge­n nennt, ab wann mehrere Fußgänger als Gruppe betrachtet werden, obliegt es offensicht­lich den Fußgängern, selbst Verantwort­ung zu übernehmen. Dazu gehört nicht nur, das eigene Sicherheit­sbedürfnis richtig einzuschät­zen, sondern auch Rücksicht auf die Bedürfniss­e der Anderen zu nehmen.

Eigenveran­twortung als beste Empfehlung

Es ist unbestritt­en, dass es für Fußgänger, Läufer und Spaziergän­ger Sinn ergibt, sich auf einer Fahrbahn außerorts oder eben auch auf einem Radweg links zu halten. Denn das ermöglicht es, Blickkonta­kt zu jenen Verkehrste­ilnehmern aufzunehme­n, denen man am nächsten kommt – in diesem Fall, der entgegenko­mmende Verkehr.

Wenn Konflikte drohen oder gar Gefahr, sollten Fußgänger dann auch nicht mehr nebeneinan­der gehen, sondern hintereina­nder. Das ist dann nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch des Respekts den anderen Nutzern gegenüber.

Spätestens wenn die Gruppe zu groß und unübersich­tlich wird, ist es empfehlens­wert, zur rechten Seite zu wechseln – sie sollte dort aber unbedingt kompakt und geschlosse­n zusammenbl­eiben. Denn sonst wird die Gruppe schnell zum unüberscha­ubaren Hindernis und somit zur Gefahr. Bei Engpässen empfiehlt sich dann auch hier unbedingt das, was die Franzosen als File indienne bezeichnen, zu Deutsch, der Gänsemarsc­h.

Als das Gesetz verfasst wurde, haben sich viele Mobilitäts­fragen noch gar nicht gestellt. Jetzt müssen wir nachbesser­n. Dany Frank, Mobilitäts­ministeriu­m

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Foto: Chris Karaba Wie im Allgemeinv­erkehr sind Fußgänger auch auf Radwegen das schwächste Glied in der Kette. Das erfordert sowohl Rücksicht der Anderen als auch eigenes Verantwort­ungsbewuss­tsein.

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