Fußgänger links ... oder rechts?
Der Code de la Route gibt Regeln für Gruppen vor, definiert Letztere aber nicht
Luxemburg. Eigentlich ist die Sache klar und prinzipiell lässt der Code de la Route keinen Spielraum für Interpretationen. Doch im Detail scheint es dann doch vieles zu geben, das man getrost als Kleingedrucktes im Verkehrsgesetz bezeichnen kann. So auch bei der Frage, wann Fußgänger welche Fahrbahnseite benutzen müssen.
Die Grundregeln sind kinderleicht – eigentlich: Fußgänger müssen den Bürgersteig benutzen, wenn es denn einen gibt und dieser brauchbar ist. Wenn nicht, dann haben sie das Bankett zu benutzen, auf Luxemburgisch den Summerwee. Und wenn auch das nicht möglich ist und nur die Fahrbahn bleibt, dann müssen sie sich am linken Fahrbahnrand in Gangrichtung halten – es sei denn, sie führen ein Fahrrad an der Hand oder sie sind in oder mit einem Rollstuhl oder mit einem Kinderwagen unterwegs, dann gilt wieder die rechte Seite.
Ab wann bin ich eine Fußgängergruppe?
So weit, so gut – möchte man meinen. Doch es gibt noch eine andere Regel, die eigentlich auch durchaus verständlich und verständig erscheint. Denn Fußgänger, die in einer Gruppe, einem Zug (etwa einem Trauerzug, oder einem Demonstrationszug), einer Prozession oder einer Marschkolonne von Soldaten unterwegs sind, müssen die rechte Fahrbahnseite benutzen. Also: Links für einzelne Fußgänger, rechts für Gruppen – und diese Regel gilt auch etwa außerorts auf gemischten Radwegen. Doch ab wann sind mehrere Fußgänger eine Gruppe?
Das steht nicht im Gesetz. Der Gedanke hinter dem Linksgebot ist es, dem Verkehr entgegenblicken zu können und so Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Das ist bei Einzelpersonen so und sicher auch zu Zweit, zu Dritt oder zu Viert. Aber ab wann, ist es besser – wie für Gruppen vorgeschrieben – die rechte Fahrbahnseite zu benutzen?
Minister gibt Verbesserung in Auftrag
„Tatsächlich gibt es im Code de la Route keine Definition der Fußgängergruppe“, bestätigt Dany Frank vom Mobilitätsministerium auf LW-Nachfrage. „In den 1960er-Jahren war im Artikel 162 noch von ,un groupe conduit par un moniteur’ die Rede. Dann wurde der Moniteur aber entfernt.“
Das Problem mit dem Artikel 162 des Verkehrsgesetzes, der die Fußgängergruppe auf die rechte Fahrbahnseite verweist, sei, dass sich viele der Mobilitätsfragen von heute damals noch nicht gestellt hätten. Jetzt müsse man deswegen immer wieder nachbessern. Den Begriff Radweg habe es beispielsweise damals schon gegeben, aber kaum Fahrradinfrastrukturen, und an eine Renaissance des Fahrrades habe sicher niemand geglaubt.
„Der Minister hat die Frage zur Kenntnis genommen, bedankt sich für den Hinweis und wird seine Mitarbeiter damit beauftragen, eine neue Definition der Fußgängergruppe ins Verkehrsgesetz einzuführen“, verspricht Dany Frank. „Und zwar sollen sie sich an den Maßstäben der Musterschüler in der Materie orientieren, etwa Dänemark oder die Niederlande, und dann klare Regeln aufstellen.“
Damit wäre zumindest einmal eine Antwort auf die Frage in Sicht. Doch das nimmt Zeit in Anspruch. Wer sich aber aus der allgemeinen Praxis in den europäischen Ländern eine Empfehlung oder Richtlinie erhofft, der hat sich zu früh gefreut. Denn auf dieser Ebene ist das Vorgehen alles andere als einheitlich.
Belgier und Franzosen mit ungleicher Herangehensweise
In Frankreich sind Fußgänger, die hintereinander gehen, einem einzelnen Fußgänger gleichgestellt. Sie gehen links. Wenn sie zu Zweit oder Dritt nebeneinander gehen, dann müssen sie sich rechts halten und dabei unbedingt die linke Hälfte der Fahrbahn freilassen, um Überholmanöver zu ermöglichen. Das ergibt durchaus Sinn, birgt aber an unübersichtlichen Stellen auch Gefahren.
In Belgien liegt das Verkehrsgesetz nahe an jenem aus den 1960er-Jahren im Großherzogtum. Eine Gruppe mitsamt Guide darf auf der Fahrbahn gehen, und zwar rechts. Gruppen von fünf oder mehr Personen dürfen aber auch links gehen, wenn sie hintereinander bleiben. Demnach dürfen in Belgien Fußgänger nur in Anwesenheit eines Führers rechts und nebeneinander gehen.
Die Deutschen und der Gleichschritt
In Deutschland spricht man von geschlossenen Verbänden und das beinhaltet auch Radfahrer, die ab 15 Personen als Gruppe zu Zweit nebeneinander fahren dürfen. Für Fußgänger, die als geschlossener Verband unterwegs sind, gelten die gleichen Regeln wie für den gesamten Fahrverkehr – also ein Rechtsgebot.
„Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere am Verkehr Teilnehmende als solcher deutlich erkennbar ist“, heißt es in §27 der Straßenverkehrsordnung. Punkt 6 sieht für Verbände im Übrigen eine etwas sonderlich erscheinende Verfügung vor: „Auf Brücken darf nicht im Gleichschritt marschiert werden.“
Bis das Gesetz nun Klarheit schafft und konkrete Bedingungen nennt, ab wann mehrere Fußgänger als Gruppe betrachtet werden, obliegt es offensichtlich den Fußgängern, selbst Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört nicht nur, das eigene Sicherheitsbedürfnis richtig einzuschätzen, sondern auch Rücksicht auf die Bedürfnisse der Anderen zu nehmen.
Eigenverantwortung als beste Empfehlung
Es ist unbestritten, dass es für Fußgänger, Läufer und Spaziergänger Sinn ergibt, sich auf einer Fahrbahn außerorts oder eben auch auf einem Radweg links zu halten. Denn das ermöglicht es, Blickkontakt zu jenen Verkehrsteilnehmern aufzunehmen, denen man am nächsten kommt – in diesem Fall, der entgegenkommende Verkehr.
Wenn Konflikte drohen oder gar Gefahr, sollten Fußgänger dann auch nicht mehr nebeneinander gehen, sondern hintereinander. Das ist dann nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch des Respekts den anderen Nutzern gegenüber.
Spätestens wenn die Gruppe zu groß und unübersichtlich wird, ist es empfehlenswert, zur rechten Seite zu wechseln – sie sollte dort aber unbedingt kompakt und geschlossen zusammenbleiben. Denn sonst wird die Gruppe schnell zum unüberschaubaren Hindernis und somit zur Gefahr. Bei Engpässen empfiehlt sich dann auch hier unbedingt das, was die Franzosen als File indienne bezeichnen, zu Deutsch, der Gänsemarsch.
Als das Gesetz verfasst wurde, haben sich viele Mobilitätsfragen noch gar nicht gestellt. Jetzt müssen wir nachbessern. Dany Frank, Mobilitätsministerium