Tabakkonsum im Wandel der Zeit
Heute ist Weltnichtrauchertag – Das einst positive Image der Zigarette löste sich nach und nach in Rauch auf
Christoph Kolumbus staunte nicht schlecht, als er am 12. Oktober des Jahres 1492 erstmals amerikanischen Boden betrat und von den Ureinwohnern Tabakblätter als Geschenk erhielt. Schließlich hatte noch nie zuvor ein Europäer diese seltsamen Pflanzenblätter gesehen. Wozu sollten sie gut sein?
Erst später bemerkten die Entdecker, dass man die Blätter rauchen konnte – und es schmeckte ihnen. Die Konquistadoren brachten den Tabak mit nach Europa, von Portugal und Spanien aus begann er seinen Siegeszug um die ganze Welt. Die zuerst horrenden Preise fielen nach und nach und bald schon konnten sich auch die einfacheren Leute ein Pfeifchen leisten.
Tabakverbote mit teils drakonischen Strafen
Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) sorgten dann die Soldaten dafür, dass sich der Tabak auch wirklich bis ins allerhinterste Eckchen Mitteleuropas verbreitete. Das gefiel längst nicht jedem und so wurden vielerorts Tabakverbote erlassen, die teilweise mit drakonischen Strafen belegt waren. Während der englische König Jakob I. 1603 noch eine Satire mit dem Titel „Der Rauchgegner oder ein königliches Scherzstück über den Tabak“verfasste, in der er sich über die „ausschweifenden“und „liederlichen“Raucher lustig machte, drohten in anderen Ländern Geldstrafen, Gefängnis, Exkommunikation, ja sogar die Todesstrafe.
Besonders lange konnten sich die Tabakverbote allerdings nicht halten, denn schließlich entgingen der Obrigkeit damit auch wichtige Steuereinnahmen – und wenn es ums Geld geht, ist das mit der Moral ja oft so eine Sache. Während die einfacheren Leute sich ihr Pfeifchen schmecken ließen, kam im Frankreich des 18. Jahrhunderts das Tabakschnupfen ganz groß in Mode und verbreitete sich von dort aus im gesamten europäischen Adel. Ein Edelmann des Rokokos war ohne teure und reich verzierte Schnupftabakdose (Tabatiere) praktisch undenkbar. Aber auch die Damenwelt griff damals gern zum Schnupftabak.
Mit der Französischen Revolution (1789 – 1799) kamen dann nicht nur die Adelsherrschaft, sondern mit ihr auch das Tabakschnupfen aus der Mode. Die Oberschicht griff nun lieber zur Zigarre, während Bauern, Arbeiter und andere weniger gut Betuchte immer noch ihr Pfeifchen rauchten. Vor allem unter Seemännern und Bergleuten war aber auch das Tabakkauen weit verbreitet, schon allein aus Gründen der Brandgefahr beim Rauchen.
Die Cowboys des Wilden Westens ließen sich den Kautabak ebenfalls gerne schmecken, was den bekannten Spucknapf im Saloon obligatorisch werden ließ. Die größte Konkurrenz für Zigarre, Kau- und Schnupftabak kam erst mit der Industrialisierung auf: die Zigarette.
Die modernen Maschinen ermöglichten ab Ende des 19. Jahrhunderts eine industrielle Fertigung, die den Preis enorm purzeln ließ, sodass sich bald jeder seine tägliche Dosis Tabak leisten konnte.
Die Zigarette hatte aber gegenüber der Pfeife noch einen weiteren Vorteil: Sie war zeitgemäß. Die Industrialisierung hatte zu einer Beschleunigung der Arbeit und des Lebens geführt und da blieb für das gemütliche Stopfen eines Pfeifchens ganz einfach keine Zeit mehr.
Zeichen von Emanzipation und Unabhängigkeit
Zudem unterdrückte das Rauchen das Hungergefühl, was angesichts der damaligen Arbeiterlöhne ebenfalls von Vorteil war. Nicht zuletzt in den Kriegen setzte sich die Zigarette gegen die zerbrechliche Pfeife aufgrund ihrer Robustheit mehr und mehr durch. Auch die moderne Frau griff damals lieber zur eleganten Zigarette als zur plumpen Pfeife oder gar zum
Schnupf- oder Kautabak. Die Zigarette entsprach dem Zeitgeist, sie war modern, Zeichen von Emanzipation und Unabhängigkeit, Freiheit, Genuss und Lebensbejahung. Kein Wunder also, dass sie gegen Ende der Weimarer Republik die Pfeife überholt und weit hinter sich gelassen hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Zigarette sogar zu einer Art Zweitwährung und der Schwarzmarkt florierte. Nicht nur die amerikanischen Soldaten brachten ihre Zigaretten mit, auch im Zuge des Marshall-Plans hat man Tausende Tonnen Tabak unter das Volk gebracht. Im Nachkriegsdeutschland wurde das Rauchen immer mehr zu einem Symbol der wiedererlangten Freiheit und des immer größer werdenden Wohlstandes. Die Zigarette war Genussmittel und Lebensgefühl zugleich. Bekannte Filmschauspieler rauchten in ihren Filmen eine Zigarette nach der anderen, Promis und Politiker taten es ihnen in den Fernsehshows gleich. Auch die Werbung kurbelte den Tabakkonsum kräftig an, HB-Männchen, Marlboro-Mann und Camel-Abenteuer sei Dank.
Rauchen war sexy und cool, es stand für Neuanfang, Freiheit, Emanzipation und Unabhängigkeit, Modernität, Abenteuer und
Genuss. Doch das sollte sich bald alles in Rauch auflösen.
Schon im 19. Jahrhundert waren einigen Ärzten statistische Korrelationen zwischen dem Rauchen und bestimmten Krankheiten aufgefallen. Bereits 1936 prägte der deutsche Internist Fritz Lickint den Begriff des Passivrauchens. 1941 wurde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena das Wissenschaftliche Institut zur Erforschung der Tabakgefahren gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die internationale Forschung zur Gesundheitsgefährdung weiter zu.
Tabak als Ursache schwerer Erkrankungen
1964 legte die als Terry-Report bekannt gewordene Metastudie, die um die ganze Welt ging, Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und dem Auftreten schwerer Krankheiten wie Lungenkrebs vor. Als dann auch noch
Tabak tötet mehr als acht Millionen Menschen jedes Jahr. Weltgesundheitsorganisation
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Zigarette sogar zu einer Art Zweitwährung.
einige berühmte Schauspieler an den Folgen des Rauchens starben, löste sich das positive Image des Tabaks langsam aber sicher immer mehr in Rauch auf. Yul Brunner warnte vor seinem Ableben noch ausdrücklich vor dem Tabakkonsum und auch John Wayne schrieb seinen Krebstod den sechs Packungen Zigaretten zu, die er am Tag qualmte. Mehrere Darsteller der Werbefigur des MarlboroManns verstarben an den Folgen des Rauchens, und einige von ihnen, wie Wayne McLaren und Eric Lawson, engagierten sich zuvor noch in vielbeachteten Anti-Raucher-Kampagnen.
Die Tabakindustrie ließ es sich einiges kosten, das ramponierte Image wieder aufzubessern. Aber selbst Innovationen wie der Zigarettenfilter, die Light-Zigarette, die Menthol-Zigarette oder die E-Zigarette konnten letztendlich nicht verhindern, dass neue Gesetze und Steuererhöhungen das Rauchen immer mehr erschwerten. Heute gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO an: „Tabak tötet mehr als acht Millionen Menschen jedes Jahr. Mehr als sieben Millionen dieser Todesfälle gehen auf direkten Tabakkonsum zurück, während rund 1,2 Millionen das Resultat des Passivrauchens sind.“