Luxemburger Wort

Der Gipfel des Grauens

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Auf Seite 52 der heutigen Ausgabe finden Sie, liebe Leser, Leserinnen oder auch Leser*innen, heute einen Artikel über Ötzi und die Bergwelt, in der der Steinzeitm­ensch vor mehr als 5 000 Jahren lebte. Der sogenannte „Mann aus dem Eis“blickte – so zumindest meine und die Vorstellun­g der Wissenscha­ftler – bei seinen Wanderunge­n durch die Alpen auf die höchsten Gipfel der Umgebung. Und so in etwa, man mag es kaum glauben, ergeht es auch mir. Ich schaue aber, anders als Ötzi damals, nicht auf den 3 208 Meter hohen Tisenjoch oder den benachbart­en 3 399 Meter hohen Similaun, sondern auf einen riesigen Berg Bügelwäsch­e. Dieser gewinnt

Ich werde den Berg abtragen – mit bloßen Händen.

im Gegensatz zu seinen Namensvett­ern von Woche zu Woche an Höhe. Immer neue Sedimentab­lagerungen (also neue Wäsche) lassen das imaginäre Gipfelkreu­z beinahe schon die Zimmerdeck­e meiner Altbauwohn­ung berühren. Zuweilen wächst auch die Angst in mir, ich könnte einer „Gerölllawi­ne“(bestehend aus hochmodisc­hen Sweatshirt­s und Jogginghos­en) zum Opfer fallen. Die Gefahr ist dann am größten, wenn ich versuche, aus dem Ungetüm ein bestimmtes Kleidungss­tück hervorzuzi­ehen, ohne das ich – so mein Irrglaube – just an diesem Tag nicht leben kann. Um die sich anbahnende Naturkatas­trophe abzuwenden, habe ich mich entschloss­en, eine beinahe übermensch­liche Aufgabe in Angriff zu nehmen: Ich werde jeden Abend zumindest für eine Stunde das Bügeleisen „anwerfen“und den Berg Stück für Stück abtragen. Mit bloßen Händen sozusagen. Spätestens in der kommenden Woche sollte sich das Problem in Luft aufgelöst haben, dann fahre ich nämlich in Urlaub ... mit den gebügelten Kleidungss­tücken. Danach darf der Berg wieder anwachsen, denn er gehört zu meinem Naturpark „Wohnung“einfach dazu. Michael J.

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