Luxemburger Wort

Verspätete Wahlgesche­nke für Assad

Die EU-Staaten Griechenla­nd und Zypern brechen den diplomatis­chen Boykott des syrischen Regimes

- Von Michael Wrase (Limassol)

Als eine „Revolution gegen den Terrorismu­s, den Verrat und den moralische­n Verfall“, hatte Syriens Staatschef Baschar al Assad in einer Fernsehans­prache seinen „Sieg“bei den Präsidente­nwahlen vor einer Woche gefeiert. Dabei hätten die Syrer auch die „Eitelkeit und den Hochmut ihrer Feinde“zerschlage­n. Um den Druck auf den Diktator zu verstärken, hatten die USA, die EU sowie die meisten arabischen Staaten zu Beginn des Volksaufst­andes im Sommer 2011 ihre diplomatis­chen Beziehunge­n mit Damaskus abgebroche­n und umfassende Sanktionen gegen das Unrechtsre­gime verhängt.

Zehn Jahre später sind die meisten Zwangsmaßn­ahmen zwar noch in Kraft. Der diplomatis­che Boykott gegen das syrische Regime bröselt jedoch. Nach Bahrain, Oman, Tunesien und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten wollen mit Griechenla­nd und Zypern nun auch zwei EU-Staaten ihre Botschafte­n in Damaskus wieder öffnen. Die Athener Zeitung „City Times“publiziert­e am Dienstag ein Foto, auf dem ein zypriotisc­her Beauftragt­er einen Mietvertra­g

Griechenla­nd und Zypern planen die Wiedereröf­fnung ihrer Botschafte­n in Damaskus.

für ein Botschafts­gebäude in Damaskus unterzeich­nete.

Zwei Tage zuvor hatte die syrische Journalist­in Sara Salloum auf Twitter ein Bild gepostet, das die griechisch­e und die EU-Flagge vor einem umzäunten Gebäude in Damaskus zeigte. Während das zypriotisc­he Außenminis­terium die bevorstehe­nde Wiedereröf­fnung seiner Botschaft in Damaskus inzwischen bestätigte, steht eine entspreche­nde Erklärung aus Athen noch aus. Für westliche Diplomaten in Beirut kamen die europäisch­en Annäherung­sschritte keinesfall­s überrasche­nd.

„Im Verborgene­n“seien weitere EU-Staaten dabei, ihre Rückkehr nach Syrien vorzuberei­ten. Nach Zypern und Griechenla­nd würden auch Polen, Ungarn und Italien über die Wiederaufn­ahme offizielle­r Beziehunge­n mit Damaskus nachdenken oder bereits vorbereite­n. Darüber hinaus hätten Staaten wie Deutschlan­d und Frankreich in den letzten zehn Jahren ihre „Gesprächsk­ontakte“mit dem mächtigen syrischen Geheimdien­stchef Ali Mamluk „ständig aufrechter­halten“.

Syrien-Politik der EU gescheiter­t

Zur Bekämpfung des IS und anderer islamische­r Terrorgrup­pen, heißt es in diesem Zusammenha­ng, sei „der Austausch mit Damaskus halt notwendig“. Für die Syrien-Strategie der EU ist die Wiederannä­herung einiger ihrer Mitgliedss­taaten zum Assad-Regime eine Bankrotter­klärung. Schon lange habe sich gezeigt, dass

„die EU und ihre Mitgliedss­taaten wenig Einfluss auf die Konfliktdy­namiken (im Nahen Osten) und das Verhalten der syrischen Führung entfalten können“, analysiert Muriel Asseburg von der Berliner Stiftung Wissenscha­ft und Politik das Versagen der Brüsseler Syrien-Politik.

Falls die EU-Staaten im Umgang mit Damaskus weiter auseinande­rfallen sollten, riskierten sie, auch noch den geringen Einfluss zu verspielen, den sie potenziell haben, warnt die Politologi­n. Tatsächlic­h sind die EU und ihre Mitgliedss­taaten der größte Geber Syriens: Von 2011 bis zum Spätherbst 2019 stellten sie insgesamt über 17 Milliarden Euro an humanitäre­r Hilfe für Syrerinnen und Syrer im Land selbst und in den Nachbarsta­aten zur Verfügung.

Die Hilfe wird von UN-Organisati­onen und internatio­nalen Nichtregie­rungsorgan­isationen verteilt. Sie beschränkt sich nicht nur auf die Notversorg­ung von Flüchtling­en im Libanon und Jordanien sowie den Binnenflüc­htlingen im Norden Syriens. Auch ein großer Teil der unter Assad lebenden 17 Millionen Syrer erhalten Lebensmitt­elpakete der EU.

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