VW testet auf Astypalea
Eine griechische Ägäisinsel wird zum Zukunftslabor für emissionsfreie Mobilität
Touristen bewundern auf Astypalea den malerischen Hafen, weiß getünchte Würfelhäuser und eine venezianische Festung. Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns, sieht etwas anderes: Für ihn ist die idyllische Ägäisinsel „ein Zukunftslabor für die Dekarbonisierung in Europa“. In einem Pilotprojekt will VW gemeinsam mit der griechischen Regierung in den nächsten fünf Jahren Astypalea zu einer smarten, nachhaltigen Insel umbauen. „Wir erforschen hier in Echtzeit, was die Menschen zum Umstieg auf die E-Mobilität bewegt und welche Anreize es für den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensstil braucht“, sagte Diess diese Woche beim offiziellen Start des Projekts.
Etwa 1 300 Menschen leben auf Astypalea. Das 96 Quadratkilometer
große Eiland in der südlichen Ägäis gehört zur Dodekanes-Inselgruppe um Rhodos. Auf den Straßen von Astypalea verkehren rund 1 500 Fahrzeuge, davon ein Drittel Autos, zwei Drittel Zweiräder – alles Verbrenner. Jetzt soll der gesamte Bestand durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Zugleich entsteht ein flächendeckendes Netzwerk aus privaten und öffentlichen Ladestationen. Die ersten zwölf Ladesäulen stehen bereits. Betrieben werden sollen die Fahrzeuge mit Ökostrom aus Solarkraftwerken und Windturbinen.
Heute bezieht die Insel ihre Elektrizität noch aus Schweröl-Generatoren. Sie produzieren nicht nur Strom, sondern auch etwa 5 000 Tonnen CO2 pro Jahr. Ziel des Projekts ist es, die CO2-Emissionen auf der Insel bis 2026 um 80 Prozent und die Energiekosten um 30 Prozent zu senken.
Hohe Kaufprämien
Volkswagen-Chef Diess übergab nun die ersten vier Elektro-Fahrzeuge der Typen ID.3 und ID.4. Sie werden bei örtlichen Behörden eingesetzt. Der Verkauf von VWElektroautos an private Halter startet Ende Juni. Der Staat fördert den Umstieg mit großzügigen Anreizen: Der Kauf von Elektroautos wird auf Astypalea mit 40
Prozent und bis zu 12 000 Euro bezuschusst, E-Taxis mit 15 000 Euro. Außerdem bekommen die Einwohner, die ihren Verbrenner aus dem Verkehr ziehen, 3 000 Euro Abwrackprämie, Taxibesitzer sogar 4 500 Euro.
Das Mobilitätskonzept für Astypalea steht auf vier Säulen: Neben dem Austausch der Verbrenner gegen Elektrofahrzeuge und der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen gehören dazu als drittes Element Car-Sharingund Ride-Sharing-Dienste, die den öffentlichen Nahverkehr auf der Insel modernisieren sollen. Die Planer hoffen damit, die Insel-Flotte auf unter 1 000 Fahrzeuge reduzieren zu können. Die vierte Säule des Projekts sind Feldversuche zum autonomen Fahren. Dazu muss allerdings erst einmal das 70 Kilometer lange Straßennetz der Insel saniert werden.