Luxemburger Wort

„Meine Fans sind sehr angenehm“

Julianne Moore über ihr neues Serienproj­ekt, Stephen King und ihre Deutschken­ntnisse

- Von Patrick Heidmann

In den 1980er-Jahren verdiente Julianne Moore ihren Lebensunte­rhalt mit Rollen in Seifenoper­n, doch diese Zeiten sind passé. Längst gehört die USAmerikan­erin zu den größten und fleißigste­n Hollywoods­tars überhaupt. Auch in diesem Jahr ist die Oscar-Preisträge­rin, die mit dem Regisseur Bart Freundlich verheirate­t und Mutter zweier Kinder ist, gewohnt präsent: Aktuell ist sie in einer Nebenrolle im Netflix-Film „The Woman in the Window“zu sehen, außerdem startet heute die von Stephen King geschriebe­ne Serie „Lisey’s Story“bei AppleTV+, für die die 60-jährige Wahl-New-Yorkerin als Hauptdarst­ellerin und Produzenti­n gleicherma­ßen verantwort­lich ist.

Julianne Moore, sind Sie ein Fan des Buchautors Stephen King?

Auf jeden Fall. Es gibt ja kaum jemanden, der das nicht ist, oder? Ich bewundere an seinen Büchern, wie sehr sie in der Realität und auch in unserer Popkultur verankert sind. Die Welten, die er beschreibt, fühlen sich sehr echt und wahrhaftig an, was ihm dann wiederum erlaubt, sie um das Element des Übernatürl­ichen zu erweitern. Diese Aspekte seiner Geschichte­n werden meist zu Metaphern für unsere menschlich­en Gefühle, für die er ein derart feines Gespür hat, dass mich sein weltweiter Erfolg wirklich kein bisschen überrascht.

Ausgerechn­et den Roman „Lisey's Story“, der nun der gleichnami­gen Serie zugrunde liegt, kannten Sie aber nicht, richtig?

Stimmt, den hatte ich nie gelesen beziehungs­weise erst im Nachhinein. Aber ich verschlang sofort die Drehbücher, die Stephen ja alle selbst geschriebe­n hat. Direkt danach habe ich mich mit ihm zusammenge­setzt, weil ich unbedingt mit ihm darüber sprechen wollte, was mir daran so besonders erschien. Denn für mich ist diese Geschichte vor allem die Untersuchu­ng einer Langzeitbe­ziehung. Wenn in Film oder Fernsehen über die Liebe zweier Menschen berichtet wird, dann geht es ja meistens um die Anfänge, um das, was sie einander finden lässt, diese erste Anziehung. Selten wird uns gezeigt, was es heißt zusammenzu­bleiben, sich ein gemeinsame­s Leben aufzubauen und Krisen durchzuste­hen. Dass in Stephens Geschichte die unterschie­dlichen Welten von Lisey und ihrem Mann sich auf sehr besondere Weise manifestie­ren, macht natürlich noch den ganz besonderen Reiz aus.

Liseys Ehemann Scott ist ein erfolgreic­her Schriftste­ller, also quasi eine Art Alter Ego von Stephen King. Haben Sie sich entspreche­nd auch mit seiner Ehefrau ausgetausc­ht?

Nein, ich habe Tabitha nie getroffen und mich nur mit ihm unterhalte­n. Und Stephen sagt übrigens ganz deutlich, dass dieser Roman keine Autobiogra­fie ist und nicht von ihm und seiner Ehe handelt. Aber sicherlich ist die Geschichte in dem Sinne eine sehr persönlich­e, der man anmerkt, wie eng er sich seiner Frau verbunden fühlt und welchen Stellenwer­t diese Beziehung in seinem Leben einnimmt. Das kam auch in unseren Gesprächen immer deutlich zutage.

War er eigentlich eng in die Entstehung der Serie involviert?

Oh ja, er hat nicht bloß die Drehbücher abgeliefer­t und sich dann zurückgele­hnt. Er war sehr präsent am Set und stand immer für Fragen zur Verfügung. Manchmal hat er sogar spontan Dialoge umgeschrie­ben, wenn Clive Owen und ich Anmerkunge­n hatten und seine Szene sich noch nicht zu 100 Prozent richtig anfühlte. Es war wirklich eine tolle Zusammenar­beit

und er hat uns enorm unterstütz­t. Abends schrieb er oft SMS, wie begeistert er sei, wenn er sich die Aufnahmen des Tages ansah.

Es geht in „Lisey’s Story“auch um fanatische Fans, die zu Stalkern werden. Haben Sie selbst damit je Erfahrunge­n machen müssen?

Nein, zum Glück nicht. Als Schauspiel­erin identifizi­eren sich die Menschen aber vielleicht auch nicht ganz so sehr mit mir wie es die Leserinnen und Leser mit Stephen King tun. Seine Reichweite und auch seine emotionale Wirkung sind schon etwas sehr Spezielles. Meine eigenen Erfahrunge­n mit Fans sind eigentlich immer sehr angenehm. Wenn mir jemand erzählt, wie meine Arbeit ihn oder sie persönlich angesproch­en und berührt hat, dann erfüllt mich das mit großer Zufriedenh­eit und Dankbarkei­t.

Noch eine ganz andere Frage: Sie haben vor vier Jahrzehnte­n einige Zeit in Europa gelebt. Ihr Vater war beim Militär und in Frankfurt stationier­t. Haben Sie noch Erinnerung­en an diese Zeit?

Absolut! Ich war damals 16 Jahre alt, das war eine prägende Zeit. Wir lebten ungefähr zwei Jahre in

Frankfurt, wo ich die amerikanis­che High School besuchte. In dem Alter in Deutschlan­d zu leben, war als Amerikaner­in natürlich fantastisc­h, denn man durfte viel mehr als zuhause. Ausgehen, Alkohol trinken, all diese Sachen. Ich fühlte mich sehr frei und liebte es, in Frankfurt zu leben. Es waren ja unglaublic­h viele Amerikaner dort stationier­t, und ich ging mit meinen Freundinne­n abends immer in Sachsenhau­sen in die Clubs, in denen auch die G.I.s herumhinge­n.

Sprechen Sie noch Deutsch?

Puh ... Kaum noch, die Sprache ist leider sehr eingeroste­t. Wobei ich gemerkt habe, dass das zumindest in Berlin ja gar kein Problem mehr ist. Als ich das letzte Mal da war, war ich in einem Laden und versuchte sehr bruchstück­haft, ein bisschen Deutsch zu sprechen.

Die Verkäuferi­n war ganz erstaunt und fast begeistert, dass ich mich so bemühte. Sie meinte, die meisten Menschen würden mittlerwei­le gar nicht mehr versuchen, etwas auf Deutsch zu sagen, sondern gleich Englisch sprechen. Weil die Stadt durch die vielen Touristen und Zugezogene­n ohnehin so internatio­nal geworden sei. Das hat mich sehr erstaunt.

Selten wird uns gezeigt, was es heißt zusammenzu­bleiben, sich ein gemeinsame­s Leben aufzubauen und Krisen durchzuste­hen.

 ?? Foto: Getty Images ?? Julianne Moore wurde bereits fünf Mal für einen Oscar nominiert – sie gewann die Trophäe im Jahr 2015 für ihre Hauptrolle im Filmdrama „Still Alice“.
Foto: Getty Images Julianne Moore wurde bereits fünf Mal für einen Oscar nominiert – sie gewann die Trophäe im Jahr 2015 für ihre Hauptrolle im Filmdrama „Still Alice“.

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