„Meine Fans sind sehr angenehm“
Julianne Moore über ihr neues Serienprojekt, Stephen King und ihre Deutschkenntnisse
In den 1980er-Jahren verdiente Julianne Moore ihren Lebensunterhalt mit Rollen in Seifenopern, doch diese Zeiten sind passé. Längst gehört die USAmerikanerin zu den größten und fleißigsten Hollywoodstars überhaupt. Auch in diesem Jahr ist die Oscar-Preisträgerin, die mit dem Regisseur Bart Freundlich verheiratet und Mutter zweier Kinder ist, gewohnt präsent: Aktuell ist sie in einer Nebenrolle im Netflix-Film „The Woman in the Window“zu sehen, außerdem startet heute die von Stephen King geschriebene Serie „Lisey’s Story“bei AppleTV+, für die die 60-jährige Wahl-New-Yorkerin als Hauptdarstellerin und Produzentin gleichermaßen verantwortlich ist.
Julianne Moore, sind Sie ein Fan des Buchautors Stephen King?
Auf jeden Fall. Es gibt ja kaum jemanden, der das nicht ist, oder? Ich bewundere an seinen Büchern, wie sehr sie in der Realität und auch in unserer Popkultur verankert sind. Die Welten, die er beschreibt, fühlen sich sehr echt und wahrhaftig an, was ihm dann wiederum erlaubt, sie um das Element des Übernatürlichen zu erweitern. Diese Aspekte seiner Geschichten werden meist zu Metaphern für unsere menschlichen Gefühle, für die er ein derart feines Gespür hat, dass mich sein weltweiter Erfolg wirklich kein bisschen überrascht.
Ausgerechnet den Roman „Lisey's Story“, der nun der gleichnamigen Serie zugrunde liegt, kannten Sie aber nicht, richtig?
Stimmt, den hatte ich nie gelesen beziehungsweise erst im Nachhinein. Aber ich verschlang sofort die Drehbücher, die Stephen ja alle selbst geschrieben hat. Direkt danach habe ich mich mit ihm zusammengesetzt, weil ich unbedingt mit ihm darüber sprechen wollte, was mir daran so besonders erschien. Denn für mich ist diese Geschichte vor allem die Untersuchung einer Langzeitbeziehung. Wenn in Film oder Fernsehen über die Liebe zweier Menschen berichtet wird, dann geht es ja meistens um die Anfänge, um das, was sie einander finden lässt, diese erste Anziehung. Selten wird uns gezeigt, was es heißt zusammenzubleiben, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen und Krisen durchzustehen. Dass in Stephens Geschichte die unterschiedlichen Welten von Lisey und ihrem Mann sich auf sehr besondere Weise manifestieren, macht natürlich noch den ganz besonderen Reiz aus.
Liseys Ehemann Scott ist ein erfolgreicher Schriftsteller, also quasi eine Art Alter Ego von Stephen King. Haben Sie sich entsprechend auch mit seiner Ehefrau ausgetauscht?
Nein, ich habe Tabitha nie getroffen und mich nur mit ihm unterhalten. Und Stephen sagt übrigens ganz deutlich, dass dieser Roman keine Autobiografie ist und nicht von ihm und seiner Ehe handelt. Aber sicherlich ist die Geschichte in dem Sinne eine sehr persönliche, der man anmerkt, wie eng er sich seiner Frau verbunden fühlt und welchen Stellenwert diese Beziehung in seinem Leben einnimmt. Das kam auch in unseren Gesprächen immer deutlich zutage.
War er eigentlich eng in die Entstehung der Serie involviert?
Oh ja, er hat nicht bloß die Drehbücher abgeliefert und sich dann zurückgelehnt. Er war sehr präsent am Set und stand immer für Fragen zur Verfügung. Manchmal hat er sogar spontan Dialoge umgeschrieben, wenn Clive Owen und ich Anmerkungen hatten und seine Szene sich noch nicht zu 100 Prozent richtig anfühlte. Es war wirklich eine tolle Zusammenarbeit
und er hat uns enorm unterstützt. Abends schrieb er oft SMS, wie begeistert er sei, wenn er sich die Aufnahmen des Tages ansah.
Es geht in „Lisey’s Story“auch um fanatische Fans, die zu Stalkern werden. Haben Sie selbst damit je Erfahrungen machen müssen?
Nein, zum Glück nicht. Als Schauspielerin identifizieren sich die Menschen aber vielleicht auch nicht ganz so sehr mit mir wie es die Leserinnen und Leser mit Stephen King tun. Seine Reichweite und auch seine emotionale Wirkung sind schon etwas sehr Spezielles. Meine eigenen Erfahrungen mit Fans sind eigentlich immer sehr angenehm. Wenn mir jemand erzählt, wie meine Arbeit ihn oder sie persönlich angesprochen und berührt hat, dann erfüllt mich das mit großer Zufriedenheit und Dankbarkeit.
Noch eine ganz andere Frage: Sie haben vor vier Jahrzehnten einige Zeit in Europa gelebt. Ihr Vater war beim Militär und in Frankfurt stationiert. Haben Sie noch Erinnerungen an diese Zeit?
Absolut! Ich war damals 16 Jahre alt, das war eine prägende Zeit. Wir lebten ungefähr zwei Jahre in
Frankfurt, wo ich die amerikanische High School besuchte. In dem Alter in Deutschland zu leben, war als Amerikanerin natürlich fantastisch, denn man durfte viel mehr als zuhause. Ausgehen, Alkohol trinken, all diese Sachen. Ich fühlte mich sehr frei und liebte es, in Frankfurt zu leben. Es waren ja unglaublich viele Amerikaner dort stationiert, und ich ging mit meinen Freundinnen abends immer in Sachsenhausen in die Clubs, in denen auch die G.I.s herumhingen.
Sprechen Sie noch Deutsch?
Puh ... Kaum noch, die Sprache ist leider sehr eingerostet. Wobei ich gemerkt habe, dass das zumindest in Berlin ja gar kein Problem mehr ist. Als ich das letzte Mal da war, war ich in einem Laden und versuchte sehr bruchstückhaft, ein bisschen Deutsch zu sprechen.
Die Verkäuferin war ganz erstaunt und fast begeistert, dass ich mich so bemühte. Sie meinte, die meisten Menschen würden mittlerweile gar nicht mehr versuchen, etwas auf Deutsch zu sagen, sondern gleich Englisch sprechen. Weil die Stadt durch die vielen Touristen und Zugezogenen ohnehin so international geworden sei. Das hat mich sehr erstaunt.
Selten wird uns gezeigt, was es heißt zusammenzubleiben, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen und Krisen durchzustehen.