Luxemburger Wort

Überraschu­ng unter dem Beton

Bauarbeite­r stoßen bei einem Schuppen in Betzdorf auf tadellos erhaltenen Waschbrunn­en

- Von Volker Bingenheim­er

Betzdorf. Ein unscheinba­rer Schuppen steht am Rande der alten Scheune in Betzdorf, die gerade zum Begegnungs­zentrum mit Dorfcafé umgebaut wird. Bei den Umbauarbei­ten haben Arbeiter den Betonfußbo­den des Schuppens entfernt – und darunter völlig überrasche­nd eine Entdeckung gemacht. Unter dem Schutt kam der ehemalige Waschbrunn­en des Dorfes zum Vorschein – und zwar völlig intakt und ohne die geringsten Beschädigu­ngen.

Dass die Hausfrauen des Dorfes in dem kleinen Gebäude im Dorfzentru­m früher ihre Wäsche gewaschen hatten, war allgemein bekannt. Doch dass unter der Betonplatt­e des ehemaligen Abstellrau­ms der gesamte Brunnen mit drei Becken und abgeschräg­ter Brüstung liegt, hatte niemand geahnt. „So haben die Frauen damals auf dem Boden gekniet und die Kleidungss­tücke eingeseift“, demonstrie­rt Bürgermeis­ter JeanFranço­is Wirtz bei einem Ortstermin. „In diesem Becken wurde die Kleidung mit frischem Wasser gespült, um sie dann zu trocknen“, sagt Lokalhisto­riker Paul Weber.

Er will mithilfe von alten Plänen klären, aus welchem Jahr der Brunnen stammt. Gebaut ist er mit den gleichen Materialie­n wie die Scheune nebenan aus dem Jahr 1878.

Dass der Brunnen viele Jahrzehnte heil überstande­n hat, ist einem besonderen Umstand zu verdanken. Wohl nach dem Krieg hatten Arbeiter den Brunnen mit

Lokalhisto­riker Paul Weber (links) und Bürgermeis­ter Jean-François Wirtz besichtige­n den unerwartet­en Fund. Sogar die Wasserleit­ung ist noch erhalten. einem Gemisch aus Erde, Sand und Kies zugeschütt­et und erst darüber den Fußboden aus Beton gegossen. Da die Straße höher liegt als der Brunnen, wollten sie einen ebenerdige­n Zugang schaffen. Gespeist wurde der Waschbrunn­en aus einer nahen Quelle, deren Wasser heute in den Kanal fließt.

„Repair Space“bleibt in Olingen

Eigentlich hätte der Schuppen neben dem künftigen Begegnungs­zentrum als Werkstatt und Materialla­ger für die ehrenamtli­chen Bastler des „Repair Space“dienen sollen. Nach dem unerwartet­en Fund musste der Schöffenra­t die Pläne ändern. Der „Repair Space“findet weiterhin in der Olinger Mühle statt, der Brunnen soll als Sehenswürd­igkeit ausgebaut werden.

Der Schöffenra­t der Gemeinde Betzdorf hat sich dazu bereits Gedanken gemacht. „Zuerst wollten wir eine begehbare Glasplatte über dem Brunnen anbringen“, berichtet Bürgermeis­ter Wirtz. Davon sind die Gemeindepo­litiker aber abgekommen. Durch die Feuchtigke­it würden sich wahrschein­lich Algen an der Unterseite bilden und die Glasplatte grünlich färben.

Jetzt hat die Gemeinde Kontakt mit dem Denkmalsch­utzamt aufgenomme­n. „Dort können die Experten uns Vorschläge machen, wie man den Waschbrunn­en aufwerten kann“, sagt Bürgermeis­ter Wirtz. Orientiere­n will man sich am Waschbrunn­en von Grevenmach­er, der mit alten Fotos, Zeichnunge­n und Informatio­nstexten öffentlich zu besichtige­n ist.

Vue hebdomadai­re sur les arts et les idées

Donnerstag, den 10. Juni 2021

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Fotos: Volker Bingenheim­er Wie vor 150 Jahren: Ende Mai fiel Regen durch das abgedeckte Dach und hat die drei Becken mit Wasser gefüllt.

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