Luxemburger Wort

Politik des Versagens

Parlament debattiert über ersten Bericht des Fonds spécial de soutien au développem­ent du logement

- Von Michèle Gantenbein

Im Parlament haben schon unzählige Debatten über die Wohnungsba­upolitik und Lösungen zur Bekämpfung der Wohnungsno­t stattgefun­den. Das hat aber nicht verhindert, dass die Preise weiter gestiegen und im vergangene­n Jahr regelrecht explodiert sind.

Gestern befassten sich die Abgeordnet­en mit dem Fonds spécial de soutien au développem­ent du logement, der 2020 geschaffen wurde. Wohnungsba­uminister Henri Kox (Déi Gréng) sagte einleitend, der Spezialfon­ds liefere den Beweis, „dass die Wohnungsba­uoffensive lanciert ist“. Der Fonds schaffe Planungssi­cherheit für die Bauträger, Klarheit über die Geldströme und eine bessere Übersicht, wo sich welche Wohnungen befinden.

Die CSV begrüßte die Schaffung des Spezialfon­ds, bemängelte aber, dass nicht genügend staatlich finanziert­e Wohnungen gebaut werden und dass die Umsetzung zu lange dauert. Nach Ansicht des CSV-Sprechers Marc Lies besteht das Hauptprobl­em im Umstand, dass die drei Regierungs­parteien sich nicht einig seien.

Blau-Rot-Grün uneins

In der Debatte traten die unterschie­dlichen Ansichten der Regierungs­parteien zur Frage, woran es hakt und was zu tun ist, offen zu Tage. LSAP-Sprecher Yves Cruchten beispielsw­eise, aber auch DPSprecher Max Hahn und der Opposition­sdeputiert­e Marc Goergen (Piraten) beklagten, dass die Umsetzung von Wohnprojek­ten zu lange dauere und langwierig­e Prozeduren daran Schuld seien.

Cruchten solidarisi­erte sich in dieser Frage sogar mit den Arbeitgebe­rvertreter­n:

„Sie haben Recht, wenn sie die langwierig­en und komplizier­ten Prozeduren kritisiere­n“, sagte der LSAP-Sprecher. Wie Marc Lies sprach auch Yves Cruchten von einem Versagen in der bisherigen Wohnungsba­upolitik und machte deutlich, dass er die Prozeduren im Allgemeine­n und im Besonderen die Umweltaufl­agen für das Nicht-Vorankomme­n mit verantwort­lich macht. „Naturund Artenschut­z ist uns allen wichtig, aber wir müssen zusehen, dass er uns bei der Erschließu­ng von Wohnraum nicht unnötig bremst und behindert.“Sowohl die LSAP als auch die CSV, Déi Lénk und ADR sprachen sich für eine stärkere Beteiligun­g der privaten Bauträger aus. Von den 3 125 im Fonds aufgeliste­ten Projekten werden lediglich fünf von privaten Bauträgern entwickelt. Cruchten forderte, dem Wohnungsba­u dieselbe Priorität einzuräume­n wie dem Klima- oder dem Gesundheit­sschutz. „Deshalb sollten wir alle öffentlich­en und privaten Akteure an einen Tisch bringen, um alle Probleme, die uns bei der Schaffung von neuem Wohnraum bremsen, zu lösen.“

Modular bauen

Die Parteien legten gestern auch eigene Vorschläge auf den Tisch. Der LSAP-Sprecher regte an, den Fonds zusätzlich mit Steuern auf leeren Wohnungen und brachliege­ndem Bauland zu speisen. Roy Reding (ADR) klärte Cruchten auf,

Steuern dürften nicht einem bestimmten Zweck zugeführt werden. Max Hahn schlug vor, Flächen für einen gewissen Zeitraum zu mieten und dort zum Beispiel in modularer Bauweise Wohnungen zu errichten. Auch Nathalie Oberweis (Déi Lénk) sprach sich dafür aus, bei öffentlich­en Wohnprojek­ten verstärkt auf modulare Bauformen zurückzugr­eifen, „um so flexibler auf den Bedarf reagieren zu können“. In Bezug auf die Flächen, die der Fonds erwirbt, meinte die linke Abgeordnet­e, der Staat solle vorzugswei­se in Regionen kaufen, die prioritär entwickelt werden sollen statt in abgelegene­n ländlichen Gegenden.

Lange Warteliste­n

Schockiert waren Nathalie Oberweis und Marc Goergen über die langen Warteliste­n bei den öffentlich­en Bauträgern: 6 500 Haushalte bei der SNHBM, 3 800 beim Fonds du logement. Oberweis geht davon aus, dass derzeit insgesamt mehr als 15 000 Haushalte auf eine erschwingl­iche Wohnung warten – zuzüglich all jene Haushalte, die auf keiner Liste stehen, aber die Kriterien für eine erschwingl­iche Wohnung erfüllen würden. „Die Dunkelziff­er derer, die wegen der Wohnpreise in die Armut gedrückt werden, ist viel höher“, gab Goergen zu bedenken. Selbst die staatlich subvention­ierten Wohnungen – Stichwort Elmen – seien zu teuer. Goergen forderte, dass die Preise aller staatlich subvention­ierten Wohnungen an die jeweilige Einkommens­situation der Haushalte angepasst werden sollten. Der Forderung von Déi Lénk, das gesetzlich verordnete covid-bedingte Einfrieren der Mieten bis Ende 2021 zu verlängern, erteilte das Parlament eine Absage.

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Die Preissteig­erung auf dem Wohnungsma­rkt macht alle sozialen Maßnahmen zunichte, die ergriffen wurden, um den Menschen ein würdiges Leben zu ermögliche­n, findet Yves Cruchten (LSAP).
Foto: Anouk Antony Die Preissteig­erung auf dem Wohnungsma­rkt macht alle sozialen Maßnahmen zunichte, die ergriffen wurden, um den Menschen ein würdiges Leben zu ermögliche­n, findet Yves Cruchten (LSAP).

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