Erinnerungen an Idi Amin werden wach
Ein halbes Jahr nach den Wahlen geht Ugandas Präsident Museveni brutal gegen die Opposition rund um Bobi Wine vor
von Johannes Dieterich (Johannesburg)
Daniel Apedel überlebte die Tortur nicht. Als die Überreste des 21jährigen Uganders in ein Leichenhaus der Hauptstadt Kampala gebracht wurde, hatte er keine Zähne mehr, seine Finger waren gebrochen, sein Körper von blauen Flecken übersät. „Es war ein schrecklicher Anblick“, sagt Robert Kyagulanyi Ssentamu, alias Bobi Wine, zu dessen Sicherheitsteam Daniel Apedel gehörte – ein Umstand, den das junge Oppositionsmitglied mit dem Leben bezahlte.
Apedel ist nur einer von vielen, die auch ein halbes Jahr nach den Wahlen in Uganda von Spezialeinheiten des Regimes aus dem Weg geräumt werden: Schon während des Wahlkampfs fanden Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von jungen Aktivisten der Opposition den Tod oder verschwanden spurlos. „Es ist die Hölle hier“, sagte Bobi Wine kürzlich. „Hunderte unserer Anhänger wurden verhaftet, viele ermordet und gefoltert. Frauen wurden vergewaltigt, während sie jungen Männern die Augen oder die Fingernägel herausgerissen oder sie sogar kastriert haben.“Das letzte Mal, dass solche Berichte aus dem ostafrikanischen Staat drangen, war unter dem legendären Diktator Idi Amin.
Dabei könnte Ugandas Präsident Yoweri Museveni eigentlich gelassen sein. Mitte Januar gewann er – wie nicht anders zu erwarten war – auch die sechste Wahl in Folge: Der 76-Jährige konnte seine 35-jährige Herrschaft noch um eine weitere Amtszeit verlängern. Trotzdem scheint der einst als vorbildlich gepriesene afrikanische Staatschef weiterhin hochgradig nervös zu sein. Jedenfalls reißt die Repressionswelle gegen die Anhänger des 38-jährigen Musikers und Präsidentschaftskandidaten Bobi Wine auch nach Musevenis siegreichem Urnengang nicht ab. Womöglich weil Museveni weiß, dass sein Triumph nicht mit rechten Dingen zustande kam.
Landbevölkerung gegen Aufstand Trotz des unfairen Wahlkampfs, der für Bobi Wine von zahlreichen Festnahmen und Auflösungen seiner Kundgebungen unterbrochen wurde, trotz des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Oppositionsanhänger und trotz der eklatanten Wahlmanipulationen, die Museveni in Hunderten von Wahlbezirken unglaubliche 100 Prozent einbrachten, kam sein Gegenspieler bei dem Urnengang auf immerhin 35 Prozent – so viel hatte noch kein Konkurrent Musevenis erreicht. Fast hundert Parlamentarier der sich noch immer „Nationale Widerstandsbewegung“(NMR) nennenden Regierungspartei – darunter auch 15 Minister – verloren ihren Sitz im Abgeordnetenhaus: Ein Indiz für die wachsende Unbeliebtheit der ewig Regierenden.
Für Bobi Wine stellt sich inzwischen die Frage, ob der schonungslose Präsident an den Wahlurnen überhaupt zu schlagen ist. Er sei immer schon der Überzeugung gewesen, dass Musevenis Herrschaft nicht ohne einen Aufstand beendet werden könne, sagt der junge Oppositionschef jüngst: „Wir müssen uns ohne Waffen erheben.“Tatsächlich sind die jungen Aktivisten in der Hauptstadt Kampala dafür womöglich bereit. Sie machen den Motor der Oppositionsbewegung aus. Doch die Landbevölkerung will von einem Aufstand
nichts wissen. Dort erinnert man sich nur zu genau an die Verheerung, die der letzte ugandische Machtkampf angerichtet hatte. Und damals hatte sie Museveni vom Terror der Diktatoren Idi Amin und Milton Obote befreit.
Mangelnde Unterstützung
Bobi Wine ist in seinem Kampf gegen das Museveni-Regime auf das Ausland angewiesen. Schließlich erhält der Präsident von dort die Ressourcen für die Fortsetzung seiner Herrschaft. Aus Washington wird er mit jährlich mehr als einer Milliarde US-Dollar unterstützt, aus Großbritannien kommen weitere 200 Millionen Dollar hinzu. Westlich Staaten müssten endlich aufhören, „die Sponsoren des ugandischen Terrors“zu sein, klagt Bobi Wine. Zwar kündigte US-Außenminister Antony Blinken inzwischen Visa-Restriktionen für die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen an: Doch darin scheint sich die Unterstützung der Oppositionsbewegung durch den Westen auch schon zu erschöpfen. „Das ugandische Volk fühlt sich von der internationalen Gemeinschaft betrogen“, schimpft der populäre Musiker: „Wenn wir die Funktionäre dieses Regimes zur Verantwortung ziehen wollen, dann sind wir auf uns selbst angewiesen.“
Unterdessen kann sich Museveni auf die gewalttätige Beendigung des Machtkampfs vorbereiten. Er rüstet die Sicherheitskräfte auf und hat seinen Sohn zum Kommandeur der 10 000 Mann starken „Special Forces Command“berufen. Sie spielt im Kampf gegen die politischen Gegner eine Schlüsselrolle. Überhaupt versuche Museveni seinen Sohn als Nachfolger zu positionieren, heißt es in Kampala. Die von Museveni Junior exekutierte derzeitige Repressionswelle macht deutlich, was die Ugander dann erwartet.