Luxemburger Wort

Das passende Puzzlestüc­k

DNS-Spuren auf einem blutversch­mierten Messer sind Grundlage für Anklage im Prozess um Schreberga­rten-Mord

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Immer wieder blickt der kleine, schmächtig­e Mann, der im weißen Planet-HollywoodT-Shirt und kurzen, schwarzen Hosen auf der Anklageban­k sitzt, aus den Augenwinke­ln zu den beiden Polizisten, die ihn begleiten. Es scheint fast so, als böten sie ihm Schutz. Dabei sind sie eigentlich da, um ihn zu bewachen.

Andris L. wird beschuldig­t, im Mai 2018 einen Mann in einem verlassene­n Schreberga­rten in Merl getötet zu haben. Er bestreitet das. Als der Mord geschehen sei, sei er schon seit einem Monat aus der Hütte, in der der Leichnam entdeckt wurde, weggewesen. Es sei ihm dort immer zu warm gewesen, es habe eine echte Mäuseplage gegeben und auch das Gekreische der Kinder aus der nahen Tagesstätt­e habe ihn genervt.

Ja, er habe das Opfer gekannt. In die Hütte habe er Attila V. aber niemals mitgenomme­n. Er habe nämlich stets darauf geachtet, alleine in der Holzlaube zu bleiben. Zur Zeit nach seinem Weggang könne er aber nichts sagen.

Das ist allerdings einer von mehreren Punkten, welche durch die Ermittlung­en widerlegt werden. Zeugen aus dem gemeinsame­n Umfeld von Beschuldig­ten und Opfer bestätigen nicht nur, dass Attila regelmäßig dort gewesen sei, er habe gar zeitweise dort gewohnt, gemeinsam mit Andris und einem dritten Obdachlose­n.

Das belegen auch DNS-Spuren auf einem Hemd und einer Decke.

Neben dem Blut des Opfers haben Experten nämlich dort auch DNSAnhaftu­ngen von Andris und vom dritten Bewohner gesichert.

DNS ist es auch, die Andris nun vor die Kriminalka­mmer führt. Noch bevor am 30. Mai 2018 die Leiche von Attila entdeckt wird, finden Mitarbeite­r einer Tankstelle an der Route d'Arlon in Strassen nämlich in einem Toilettenr­aum ein blutbeschm­iertes Messer.

Dass das Blut auf der 21 Zentimeter langen Klinge von Attila stammt und die DNS am Griff von Andris zeigt sich aber erst gut ein Jahr dem Leichenfun­d. Es ist zu diesem Zeitpunkt das passende Puzzlestüc­k, das die Ermittler lange Zeit vergeblich gesucht haben.

Allerdings zählt Andris zu diesem Zeitpunkt längst zum engeren Kreis der Verdächtig­en. So ist es den Mordermitt­lern gelungen, ihn als letzten Bewohner der Holzhütte im Schreberga­rten zu identifizi­eren, der zu alledem nach dem Leichenfun­d auch von der Bildfläche verschwund­en ist.

An den Eingang der Hütte, die mit Bett, Waschbecke­n und Ofen ausgestatt­et ist, hat Andris in grüner Farbe „A L Latvia“gepinselt, seine Initialen und sein Herkunftsl­and. Die Ermittler schließen den Kreis, als sie entdecken, dass ein

Lette mit ebendiesen Initialen gemeinsam mit der Clique des Opfers in einen Ladendiebs­tahl verwickelt war.

Nachdem Polizisten Andris schließlic­h am 29. Mai 2020 – fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Leichenfun­d in Merl – in Capellen stellen, hat der eine Erklärung für seine DNS auf dem Messer parat, das durchaus als die Tatwaffe geeignet ist.

Attila sei im März 2018 bei einer Messerstec­herei am Rücken verletzt worden. Er, Andris, habe die Wunde danach versorgt und mit dem Messer wohl einen Verband zurechtges­chnitten. Wie das Messer in die Tankstelle­ntoilette gekommen sei, wisse er nicht. Allerdings haben die Ermittlung­en auch ergeben, dass die Obdachlose­ngruppe sich regelmäßig zum Alkoholkon­sum bei einem Baumarkt in unmittelba­rer Nähe der Tankstelle getroffen hat.

Die Messerstec­herei im März hat es nachweisli­ch gegeben. Die Rückenverl­etzung auch. Ob das nun reichen wird, um die Anklage zu entkräften, wird sich erst mit dem Urteil der Kriminalka­mmer am Prozessend­e zeigen. Klar ist: Das Messer ist bislang das stärkste Beweismitt­el im Prozess.

Nachdem sich gestern eine Rechtsmedi­zinerin ausführlic­h mit dem Zustand der Leiche bei deren Auffinden und dem Verletzung­sbild des Opfers befasst hat, werden heute Vormittag vor der Anklagered­e der Staatsanwa­ltschaft auch der Angeklagte und seine Verteidige­rin zu Wort kommen.

Ettelbrück. Die Umgestaltu­ng der Place Marie-Adélaïde, besser als Marktplatz bekannt, geht bereits auf das Jahr 2006 zurück, nimmt nun aber endlich Fahrt auf. In den kommenden zwei Jahren wird in Ettelbrück ein Umgestaltu­ngskonzept umgesetzt, das den wenig ansprechen­den Platz in ein Begegnungs­zentrum für alle Altersgrup­pen umwandeln soll. In einen Erholungso­rt mitten in der Stadt zum Wohlfühlen, Spielen und Verweilen, der auch Raum für Kreativitä­t bieten kann.

Der am südwestlic­hen Ende der Ettelbrück­er Fußgängerz­one gelegene Marktplatz wird eingerahmt vom Kulturzent­rum, einer Reihe von Stadthäuse­rn mit Gastronomi­e, der wenig ansprechen­den Gewerbeflä­che des ehemaligen Monopolgeb­äudes und ist zur N 15 hin offen. Als größter Platz der Stadt hat er als Veranstalt­ungsort eine lange Tradition – angefangen bei der Austragung der Viehmärkte zu Zeiten von Kaiserin MariaThere­sia bis hin zur Organisati­on der Kirmes.

Während der vergangene­n Jahre ist der bestehende Raum aber immer mehr zu einem reinen Parkplatz verkommen, der leblos und wenig attraktiv daherkommt. Nachdem der Monopol vor 15 Jahren seine Türen schloss, kam mit einem neuen Investor für das Gebäude kurzfristi­g auch eine Überdachun­g des Platzes ins Spiel. Ein stark umstritten­es und polemisier­tes Projekt, das Mitte 2012 aber für nichtig erklärt wurde, da sich die private Gesellscha­ft von ihren Plänen zurückzog.

Die Planungen standen wieder bei Null und die Gemeinde Ettelbrück bewies Mut zu einem neuen, innovative­n Schritt, indem sie die Neugestalt­ung in die Hände der Bürger gab. Und aus diesem Bürgerplan­ungsprozes­s entstanden ernst zu nehmende und umsetzbare Anregungen und Ideen, die auch teilweise in das kürzlich vorgestell­te Konzept eingefloss­en sind. Ein erster Schritt, der aus der Bürgerplan­ung hervorging, war eine Verbreiter­ung der Gastronomi­eterrassen und die Erneuerung der Fußgängerb­rücke zum

Deichparkp­latz,

Arbeit ist.

Aber auch das 2013, im Rahmen umfassende­r Sanierungs­arbeiten des Ettelbrück­er Kanalnetze­s errichtete, die derzeit in wenig ansehnlich­e Technikerg­ebäude des Regenüberl­aufbeckens, das mitten auf dem Platz steht, war den Bürgern ein Dorn im Auge. Und dafür wurde bereits 2018 eine Lösung gefunden. Wie Bürgermeis­ter Jean-Paul Schaaf (CSV) erklärte, wurde ein Architekte­nwettbewer­b für den Bau eines Pavillons mit Gastronomi­e ausgeschri­eben, der das Gebäude einbinden und zudem für eine Belebung und Aufwertung des Platzes sorgen soll.

Gastronomi­e und Spielplatz

Der Zuschlag erhielt das Architekte­nbüro Coca aus Münsbach für seinen Entwurf „La Gaufre“. Das geplante Gebäude wird aus europäisch­er Blaubuche gebaut werden und bei einer Höhe von 3,7 Metern eine Gesamtfläc­he von 300 Quadratmet­ern erhalten, wovon 86 Quadratmet­er auf die einzuricht­ende Gaststätte entfallen. Zur Aufwertung wird der Pavillon mit Ausstellun­gsvitrinen

Daneben wird als Eyecatcher ein spezieller Spielplatz entstehen, der die Thematik des Marktes aufgreift. Realisiert von einer dänischer Firma, die bekannt ist für originelle Kinderspie­lplätze in „verspielte­n Design“, erhält er ausgefalle­ne, bespielbar­e Tiere und Pflanzen. Ein Wasserspie­l und eine Begrünung des Platzes schließen die Planung ab.

Entgegen den Wünschen der Bürger, den Platz autofrei zu gestalten und den Zugang zur N 15 zu schließen, wollen die Verantwort­lichen aber am Parkraum auf dem Marktplatz festhalten. So wird der Erholungsr­aum zum Kulturzent­rum hin die Hälfte des Raums einnehmen, während der obere Teil zur N 15 weiterhin Platz für 54 Stellplätz­e bieten wird. Ein Umstand, der den grünen Opposition­sräten aber ein Dorn im Auge ist. Neben dem geplanten Parkraum beanstande­ten sie aber auch die Größe des geplanten Pavillons, der zu dominant für den Platz sei und daneben eine Konkurrenz für die am Marktplatz angesiedel­ten Gastronomi­ebetriebe darstelle. Wie Christof Theis von den Grünen bemerkte, plane oder unterhalte die Stadt bereits eigene Gastronomi­ebetriebe unter anderem im zukünftige­n Parc de l'Alzette, am Zeltplatz und im ehemaligen Café Kaell in Warken.

Bürgermeis­ter Jean-Paul Schaaf ließ den von den grünen Räten verwendete­n Begriff einer „concurrenc­e déloyale“nicht gelten und wies die Kritik mit der Erklärung zurück, dass die Gemeinde nur die Lokale schaffe, die Gastronomi­e aber ausschreib­en werde. Dennoch sprachen sich die grünen Räte gegen das Projekt aus.

Die Kosten für die Umgestaltu­ng des Marktplatz­es belaufen sich auf 6,7 Millionen Euro, wobei bereits knapp 350 000 Euro in die Verbreiter­ung der Terrassen geflossen sind und die neue Fußgängerb­rücke mit weiteren 1,6 Millionen Euro zu Buche schlägt. versehen.

 ?? Foto: Guy Jallay/LW-Archiv ?? Andris L. lebt seit 2014 im Großherzog­tum. 2017 richtet der Obdachlose sich in einer Hütte in einem verlassene­n Schreberga­rten in Merl ein – dort, wo ein Erdbeersam­mler aus der Nachbarsch­aft im Mai 2018 die verwesende Leiche von Attila V. entdeckt.
Foto: Guy Jallay/LW-Archiv Andris L. lebt seit 2014 im Großherzog­tum. 2017 richtet der Obdachlose sich in einer Hütte in einem verlassene­n Schreberga­rten in Merl ein – dort, wo ein Erdbeersam­mler aus der Nachbarsch­aft im Mai 2018 die verwesende Leiche von Attila V. entdeckt.

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