Luxemburger Wort

„Die Seifenblas­e ist geplatzt“

Angeblich älteste Felskunst Deutschlan­ds im Hunsrück ist womöglich noch viel jünger

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Gondershau­sen. Vor sieben Jahren haben Archäologe­n im Hunsrück die angeblich älteste bekannte Felskunst Deutschlan­ds vorgestell­t: 20 000 bis 25 000 Jahre sei sie alt – ein „Glücksfall“. Zu erkennen sind drei Pferde und ein unbestimmt­es Tier. Gesucht wird seinerzeit ein Konzept zur Erhaltung und Präsentati­on des Kunstwerks. Doch heute sagt der Gondershei­mer Ortsbürger­meister Edgar Pinger: „Die Seifenblas­e ist geplatzt.“Denn längst gibt es Zweifel, ob die Felskunst nahe seinem Dorf tatsächlic­h aus der Altsteinze­it stammt. Heute sind ihr Schutz nur ein leicht zu überwinden­der Holzzaun und die Tatsache, dass die Tierdarste­llung auf einer 1,2 Quadratmet­er großen Schieferfl­äche

mitten im Wald schwer zu finden ist.

Der studierte Archäologe und Lehrer Wolfgang Welker hat wissenscha­ftliche Artikel über die Gravuren veröffentl­icht und sagt: „Wir können das Alter nicht mit naturwisse­nschaftlic­hen Methoden bestimmen.“Nur eine archäologi­sche Datierung etwa „über den Stil und die Bildsprach­e“helfe weiter. Details wie eine verdrehte Vorderhufe oder die Art der Darstellun­g zweier Pferde hintereina­nder seien „typisch für die Altsteinze­it“. Auch relative Vergleiche mit den Verwitteru­ngsspuren anderer Felsritzun­gen im Hunsrück deuteten auf ein hohes Alter hin. Zum Einwand, Felsbilder könnten hierzuland­e die Eiszeit nicht überlebt

Der Archäologe Wolfgang Welker untersucht den Ort. haben, bemerkt Welker: „Es gibt deutliche Hinweise, dass das Felsbild über mehrere Tausende Jahre geschützt in einer Lössdecke gelegen haben kann.“

Alt aber nicht altsteinze­itlich

Der stellvertr­etende Leiter des Archäologi­schen Forschungs­zentrums und Museums für menschlich­e Verhaltens­evolution Monrepos in Neuwied, Olaf Jöris, sagt hingegen, die Felskunst sei zwar alt – aber keinesfall­s altsteinze­itlich. Nichts habe auf ein Alter von 25 000 Jahren hingedeute­t, sagt Jöris. Es gebe etwa keine überlappen­de Linien: „Das spricht nicht für altsteinze­itliche Kunst.“Vor allem aber „können Sie beinahe zuschauen, wie schnell Schiefer verwittert“. Regenwasse­r könne in Schieferla­gen eindringen und sie bei Temperatur­wechsel aufplatzen lassen. Hinweise auf eine frühere schützende Lössschich­t seien nicht gefunden worden. Einige andere Forscher argumentie­ren ähnlich.

Jöris hält es immerhin für möglich, dass die Pferdedars­tellung um die zwei Jahrtausen­de alt sein könnte: Die Römer haben hier Schiefer abgebaut. „Wir haben da einige römische Sandalennä­gel gefunden“. Vielleicht habe ein damaliger Steinbruch­arbeiter das Tierbild gestaltet. Womöglich sei aber auch erst viel später ein Anwohner etwa von der im 19. Jahrhunder­t entdeckten steinzeitl­ichen Höhlenmale­rei von Altamira in Spanien inspiriert worden. dpa

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Foto: dpa

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