Luxemburger Wort

Das Gute an Langeweile

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Wann war Ihnen zum letzten Mal so richtig langweilig? So dass sich die Minuten zu Stunden streckten, die Zeit sich dehnte und spannte wie ein Kaugummi. Nun bei vielen von Ihnen wird es wohl schon relativ lange her sein, dass Sie sich ernsthaft gelangweil­t haben. Auch ich kenne keine Langeweile. Sogar während des Lockdowns hatte ich, dank sozialer Medien, Streamingd­iensten und Online-Bibliothek immer etwas zu tun. In der heutigen digitalen Welt ist die klassische Langeweile einfach abhandenge­kommen. Die smarten Geräte geben einem ständig etwas zu tun. Konstant piepst das Handy, buhlt um Aufmerksam­keit. Zu

Die klassische Langeweile ist abhanden gekommen.

jeder Zeit verlangt der Apparat etwas von uns, fordert Neues zu lesen, Fotos anzuschaue­n, Nachrichte­n zu hören. Immer und überall starren wir auf das Smartphone, stets in Furcht, etwas zu verpassen. Bloß kein Leerlauf, bloß kein Stillstand. Denn Einhalten, Pausen, Bewegungsl­osigkeit sind Vergeblich­keiten und weder in, noch cool. Dabei kann Langeweile doch auch sehr angenehm sein. Eine Chance für neue kreative Ideen. Oder einfach nur eine intelligen­te Antwort auf ein überborden­des Angebot aus Dekadenz und Völlerei, wie Philosophe­n behaupten. Ist doch Langeweile in der Philosophi­e des Existenzia­lismus ein Grundzusta­nd der menschlich­en Existenz. Also warum nicht einfach mal so rumsitzen, die unerträgli­che Langeweile einfach aushalten. Sich an den Tulpen im Garten festsehen, Büroklamme­rn zu langen Ketten fädeln, Strichmänn­chen auf Briefumsch­läge kritzeln, Grashalme verknoten … Denn bei einer gesunden Langeweile entschleun­igt der Mensch und das Gehirn kann sich neu sortieren. Und wenn Sie dieses Gazettchen nun als langweilig empfunden haben, ja dann sollten Sie mir eigentlich dankbar sein. Denn ich habe Ihnen etwas Gutes getan. Arlette

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