Das Gute an Langeweile
Wann war Ihnen zum letzten Mal so richtig langweilig? So dass sich die Minuten zu Stunden streckten, die Zeit sich dehnte und spannte wie ein Kaugummi. Nun bei vielen von Ihnen wird es wohl schon relativ lange her sein, dass Sie sich ernsthaft gelangweilt haben. Auch ich kenne keine Langeweile. Sogar während des Lockdowns hatte ich, dank sozialer Medien, Streamingdiensten und Online-Bibliothek immer etwas zu tun. In der heutigen digitalen Welt ist die klassische Langeweile einfach abhandengekommen. Die smarten Geräte geben einem ständig etwas zu tun. Konstant piepst das Handy, buhlt um Aufmerksamkeit. Zu
Die klassische Langeweile ist abhanden gekommen.
jeder Zeit verlangt der Apparat etwas von uns, fordert Neues zu lesen, Fotos anzuschauen, Nachrichten zu hören. Immer und überall starren wir auf das Smartphone, stets in Furcht, etwas zu verpassen. Bloß kein Leerlauf, bloß kein Stillstand. Denn Einhalten, Pausen, Bewegungslosigkeit sind Vergeblichkeiten und weder in, noch cool. Dabei kann Langeweile doch auch sehr angenehm sein. Eine Chance für neue kreative Ideen. Oder einfach nur eine intelligente Antwort auf ein überbordendes Angebot aus Dekadenz und Völlerei, wie Philosophen behaupten. Ist doch Langeweile in der Philosophie des Existenzialismus ein Grundzustand der menschlichen Existenz. Also warum nicht einfach mal so rumsitzen, die unerträgliche Langeweile einfach aushalten. Sich an den Tulpen im Garten festsehen, Büroklammern zu langen Ketten fädeln, Strichmännchen auf Briefumschläge kritzeln, Grashalme verknoten … Denn bei einer gesunden Langeweile entschleunigt der Mensch und das Gehirn kann sich neu sortieren. Und wenn Sie dieses Gazettchen nun als langweilig empfunden haben, ja dann sollten Sie mir eigentlich dankbar sein. Denn ich habe Ihnen etwas Gutes getan. Arlette