Bereit für seine letzte Mission
Der deutsche Nationaltrainer Joachim Löw will sich bei der Fußball-EM durch das große Tor verabschieden
Joachim Löw hat die Ruhe weg. Vor dem Kracher-Start in die EM gegen Weltmeister Frankreich lehnte sich der 61-Jährige im Training gerne locker auf ein Minitor, um seine Stars aus der Distanz zu beobachten. Doch die Spieler erleben vor Löws letztem Hurra einen anderen deutschen Nationaltrainer als jenen, der sich bei der WM 2018 als „Jogi cool“aufreizend lässig an eine Laterne am Strand von Sochi lehnte.
„Er will unbedingt“, sagte Kapitän Manuel Neuer über den langjährigen Chef, und DFB-Direktor Oliver Bierhoff betonte mit Nachdruck: „Er ist alles andere als eine Lame Duck.“Vor allem im Vergleich zum Russland-Desaster hat sich Löw noch einmal gewandelt. „Er hat auf jeden Fall wieder eine Schippe draufgelegt, an Intensität, Wille, Motivation“, sagte Mats Hummels, der glaubt: „Er will dieses große, wunderbare Kapitel erfolgreich beenden.“
Löw hört solche Aussagen nicht gern, weil sie den Eindruck verstärken, er habe zwischenzeitlich nachgelassen. Seine vermeintlich frische Energie sei „nicht völlig neu“, betonte er, sein achtes und letztes großes Turnier als deutscher Bundestrainer gehe er „mit derselben Motivation“an.
Akribische Arbeitsweise
Vor dem schwerstmöglichen Start in die Endrunde heute ab 21 Uhr in München erleben die Beobachter zunächst mal einen Trainer, der akribisch arbeitet. Minutenlang referiert Löw über taktische Fragen oder sein Lieblingsthema, die vehement eingeforderte „Gewinnermentalität“.
Als Mahnmal dient ihm der Tiefpunkt 2018. Damals sei er „beinahe arrogant“gewesen, meinte Löw. „Ich habe gelernt, dass jedes Spiel ein Finale ist.“Das heißt: Auch er selbst ist sofort gefordert. Und: Es geht nur als Team. Ob Löw, seine Assistenten Marcus Sorg und Andreas Köpke, Bierhoff oder die Spieler – sie alle betonen immer wieder, wie wichtig Zusammenhalt sei. Kann Löw noch einmal einen Geist wie beim goldenen WM-Triumph 2014 entfachen? Schafft er es, wieder einen eingeschworenen Haufen zu formen, der sich wie beim Confederations-Cup 2017 entgegen aller Erwartung zum Sieger krönt? Wer die drei vergangenen Jahre betrachtet, bekommt Zweifel.
Der Abstieg begann schon 2016, als der Titelfavorit nach einem durchwachsenen Turnier etwas unglücklich im EM-Halbfinale an Frankreich scheiterte. Dem Zwischenhoch Confed-Cup folgten das Vorrundenaus bei der WM in Russland 2018, der sportliche Abstieg in der Nations League und die Ohrfeigen gegen Spanien (0:6) sowie Nordmazedonien (1:2). Die Mehrheit der Fans verlor den Glauben an die Mannschaft – und Löw.
„Wir werden alles raushauen“, versprach er dem skeptischen Anhang. Löw ist sich sicher: Er geht durch das große Tor. Nun müssen seine Spieler liefern ... sid