Luxemburger Wort

Vergessene Generation

- Von Marc Schlammes

Die Wechselwir­kung ist nicht von der Hand zu weisen: In dem Maße, wie sich die CoronaKris­e beruhigt und die Zahl der Infektione­n und der belegten Intensivbe­tten sinkt, steigt die Zufriedenh­eit mit dem Corona-Management von BlauRot-Grün – 85 Prozent – und das Vertrauen, dass Bettel&Co. Luxemburg aus der Krise führen – 82 Prozent. Anders ausgedrück­t: Der Regierung ist es innerhalb von sechs Monaten gelungen, die Tendenz umzukehren; Ende 2020 bescheinig­ten laut Politmonit­or lediglich zwei Drittel der Wähler der Regierung eine gute Pandemie-Bekämpfung – zu einem Zeitpunkt, wo das Virus täglich neue Infektions­rekorde bescherte.

Angesichts dieser Werte können Liberale, Sozialiste­n und Grüne fast versucht sein, sich zurückzule­hnen und bereits von einer elektorale­n Belohnung zu träumen; umso mehr als selbst 70 Prozent der Stammwähle­r der Christlich­Sozialen der Regierung vertrauen. Dabei kann dieser Traum indes sehr schnell in ein böses Erwachen münden. Denn schon einmal hatte Luxemburg eine angenehme Ausgangspo­sition. Nach langem Lockdown war im Sommer 2020 ein zartes Licht am Ende des Corona-Tunnels zu sehen.

Prompt folgte ein monatelang­er, düsterer Tunnel voller Verzicht und einer bisweilen ratlosen Regierung.

Selbst wenn die Lage im Frühsommer 2021 aufgrund der wirkenden Impfkampag­ne günstiger ist: Allein die Vielfalt an Varianten, mit denen das Virus präsent bleibt, mahnt weiterhin zu Vorsicht und Vernunft. Jene Vorsicht und Vernunft, die die meisten Bürger mittlerwei­le geradezu vorbildlic­h verinnerli­cht haben. Allerdings, wie der Politmonit­or offenbart, zu einem hohen mentalen Preis: 60 Prozent der Befragten geben an, dass mehr als ein Jahr Corona-Krise eine Belastung für sie darstellt. Lediglich elf Prozent fühlen sich nicht mitgenomme­n.

Besonders betroffen von den psychische­n Strapazen sind die jüngeren Generation­en. Die 73 Prozent, die der Politmonit­or für die 18- bis 25-Jährigen ermittelt, lassen in etwa erahnen, wie es um das mentale Befinden der Jugendlich­en und Kinder bestellt ist. Ja, es ist seit März 2020 alles unternomme­n worden, um den Bildungsbe­trieb zu gewährleis­ten und damit eine verlorene Generation zu verhindern. Nein, es wurde sich kaum mit dem außerschul­ischen Dasein der Jüngeren auseinande­r gesetzt, ihrem sozialen Leben, das sich auf die sozialen Medien reduziert, ihren eingeschrä­nkten sportliche­n und kulturelle­n Aktivitäte­n, die ihre physische und psychische Entwicklun­g prägen, und ihrem familiären Umfeld, in dem sie die Corona-Krise erleben und schlimmste­nfalls erleiden müssen. Wenn 2020 in Luxemburg 356 Minderjähr­ige Opfer häuslicher Gewalt wurden (2019 waren es „nur“195), darf die Politik, darf die Gesellscha­ft nicht mit Schweigen antworten.

Doch die Debatten, die zu Recht rund um das Schicksal der alten, pflegebedü­rftigen Mitmensche­n aufgrund von deren Verletzlic­hkeit geführt wurden, sind bis dato ausgeblieb­en – ganz so, als ob Kinder und Jugendlich­e immun wären gegen jegliche Form von Verwundbar­keit. Zurück bleibt eine vergessene Generation.

Das Interesse am außerschul­ischen Dasein der Jüngeren ist gering.

Kontakt: marc.schlammes@wort.lu

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