Vergessene Generation
Die Wechselwirkung ist nicht von der Hand zu weisen: In dem Maße, wie sich die CoronaKrise beruhigt und die Zahl der Infektionen und der belegten Intensivbetten sinkt, steigt die Zufriedenheit mit dem Corona-Management von BlauRot-Grün – 85 Prozent – und das Vertrauen, dass Bettel&Co. Luxemburg aus der Krise führen – 82 Prozent. Anders ausgedrückt: Der Regierung ist es innerhalb von sechs Monaten gelungen, die Tendenz umzukehren; Ende 2020 bescheinigten laut Politmonitor lediglich zwei Drittel der Wähler der Regierung eine gute Pandemie-Bekämpfung – zu einem Zeitpunkt, wo das Virus täglich neue Infektionsrekorde bescherte.
Angesichts dieser Werte können Liberale, Sozialisten und Grüne fast versucht sein, sich zurückzulehnen und bereits von einer elektoralen Belohnung zu träumen; umso mehr als selbst 70 Prozent der Stammwähler der ChristlichSozialen der Regierung vertrauen. Dabei kann dieser Traum indes sehr schnell in ein böses Erwachen münden. Denn schon einmal hatte Luxemburg eine angenehme Ausgangsposition. Nach langem Lockdown war im Sommer 2020 ein zartes Licht am Ende des Corona-Tunnels zu sehen.
Prompt folgte ein monatelanger, düsterer Tunnel voller Verzicht und einer bisweilen ratlosen Regierung.
Selbst wenn die Lage im Frühsommer 2021 aufgrund der wirkenden Impfkampagne günstiger ist: Allein die Vielfalt an Varianten, mit denen das Virus präsent bleibt, mahnt weiterhin zu Vorsicht und Vernunft. Jene Vorsicht und Vernunft, die die meisten Bürger mittlerweile geradezu vorbildlich verinnerlicht haben. Allerdings, wie der Politmonitor offenbart, zu einem hohen mentalen Preis: 60 Prozent der Befragten geben an, dass mehr als ein Jahr Corona-Krise eine Belastung für sie darstellt. Lediglich elf Prozent fühlen sich nicht mitgenommen.
Besonders betroffen von den psychischen Strapazen sind die jüngeren Generationen. Die 73 Prozent, die der Politmonitor für die 18- bis 25-Jährigen ermittelt, lassen in etwa erahnen, wie es um das mentale Befinden der Jugendlichen und Kinder bestellt ist. Ja, es ist seit März 2020 alles unternommen worden, um den Bildungsbetrieb zu gewährleisten und damit eine verlorene Generation zu verhindern. Nein, es wurde sich kaum mit dem außerschulischen Dasein der Jüngeren auseinander gesetzt, ihrem sozialen Leben, das sich auf die sozialen Medien reduziert, ihren eingeschränkten sportlichen und kulturellen Aktivitäten, die ihre physische und psychische Entwicklung prägen, und ihrem familiären Umfeld, in dem sie die Corona-Krise erleben und schlimmstenfalls erleiden müssen. Wenn 2020 in Luxemburg 356 Minderjährige Opfer häuslicher Gewalt wurden (2019 waren es „nur“195), darf die Politik, darf die Gesellschaft nicht mit Schweigen antworten.
Doch die Debatten, die zu Recht rund um das Schicksal der alten, pflegebedürftigen Mitmenschen aufgrund von deren Verletzlichkeit geführt wurden, sind bis dato ausgeblieben – ganz so, als ob Kinder und Jugendliche immun wären gegen jegliche Form von Verwundbarkeit. Zurück bleibt eine vergessene Generation.
Das Interesse am außerschulischen Dasein der Jüngeren ist gering.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu