Mit Airbag-Sensoren fing es an
IEE will neue Märkte erschließen – doch auch im Stammgeschäft sieht Geschäftsführer Paul Schockmel noch Potenzial
Seit 1995 bei IEE hatte Paul Schockmel zwischendurch einmal die Firma verlassen, um in Brüssel die Leitung der Clepa, dem Verband der europäischen Automobilzulieferer, zu übernehmen. Jetzt übernahm er beim Luxemburger Sensor-Hersteller von Firmen-Mitgründer Michel Witte die Führung.
Paul Schockmel, Sie sind jetzt seit fast drei Monaten Chef von IEE. Haben Sie sich denn schon eingelebt in die neue Position?
Das bestimmt, denn weder die Firma noch das Geschäft sind mir neu. Insgesamt bin ich jetzt rund 25 Jahre im Unternehmen.
Warum verließ Herr Witte das Unternehmen?
Nach 32 Jahren bei IEE hat
Herr Witte entschieden, dass es an der Zeit wäre, sich zurückzuziehen und der nächsten Generation die Führung der Firma zu überlassen. Der Automobilsektor befindet sich zur Zeit in einem schnellen Strukturwandel. Dies erfordert auch von den Zulieferern, sich diesem Wandel anzupassen. Viele strategische Positionen wurden in den letzten Jahren neu besetzt und es war jetzt ein guter Zeitpunkt, die Führung der Firma diesem jüngeren, aber dennoch erfahrenen Team zu überlassen.
Ist der Produktionsstandort Echternach sicher?
Wir haben in Echternach unser führendes Werk innerhalb der Gruppe. Das wird auch so bleiben, da wir große Projekte im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung in Echternach fahren werden. Des weiteren haben wir in eine neue Radarproduktion in Echternach investiert, welche seit Januar unser neustes Produkt „VitaSense“produziert.
Macht derzeit auch IEE der Mangel an Mikrochips zu schaffen?
Ja, wir sind betroffen, weil ein großer und zunehmender Teil unserer Produkte mit Elektronik verknüpft ist oder ganz elektronisch ist. Wir spüren das sowohl im Bereich der Halbleiterkomponenten als auch bei einfachen elektronischen Komponenten oder Basismaterialien, die sich verknappen mit dem Effekt, dass das dann auch Auswirkungen auf die Preise hat. Das ist ein Thema, das uns seit einem halben Jahr sehr beschäftigt und uns voraussichtlich auch noch bis ins nächste Jahr hinein beschäftigen wird.
Traditionell ist Ihr Hauptgeschäft die Autobranche. Ändert sich das?
Ja, unser Hauptgeschäft ist immer noch Sensorik im Automobilzulieferer-Bereich. Das wird auch noch lange Zeit so bleiben. Das hat zwei Gründe: Einerseits haben wir, was typisch für die Automobilindustrie ist, langfristige Verträge mit unseren Kunden, was auch gut ist. Und andererseits sehen wir in unserem Stammgeschäfte auch weiterhin noch gutes Wachstumspotenzial. Natürlich haben wir aber seit längerem auch Bestrebungen unternommen, uns
Seit rund 25 Jahren im Unternehmen, seit März an der Spitze des Sensorherstellers IEE: der Ingenieur Paul Schockmel.
Wir hatten Ende letzten Jahres einen sogenannten „plan de maintien dans l'emploi“zusammen mit der Personalvertretung und der Gewerkschaft vereinbart, der eine Reihe von Entlassungen vorsah, aber auch Maßnahmen wie ein Frührente-Programm. Das ist zum größten Teil umgesetzt.
Wie viel Umsatz hat IEE 2020 gegenüber dem Vorjahr eingebüßt?
Die Automobilbranche hat schon 2019 geschwächelt, und die Pandemie hat letztes Jahr die Situation für die ganze Branche verschärft. Wir sind da keine Ausnahme und haben als gesamte Gruppe rund 20 Prozent an Umsatz verloren, was dann auch unter anderem zu den angesprochenen Maßnahmen geführt hat.
Generell ist IEE seit der Gründung stark gewachsen. Wo sehen Sie noch Märkte und Geschäftsfelder?
Insgesamt, egal welche Branche, ist Sensorik ein Wachstumsmarkt. Es gibt aber auch viele Player in diesem Geschäftsfeld. Unser Stammgeschäft Automobil mit Fokus auf Insassen, wo wir seit 25 Jahren eine führende Rolle spielen, wird weiter wachsen, auch die nächsten zehn, zwanzig Jahre, unter anderem angetrieben durch das automatisierte Fahren. Ich denke da zum Beispiel an sogenannte kritische Phasen, wenn der Autopilot an den menschlichen Fahrer abgeben muss, da braucht man Sensoren, die in solchen Situationen unterstützen. Da sind wir gut aufgestellt. Das wird unsere Kernaktivität in den nächsten zehn Jahren sein. Zusätzlich dazu wollen wir uns aber bei Gebäudetechnik und E-Health ein Produktportfolio aufbauen. Da haben wir einige Projekte in der Pipeline. Zum Beispiel werden wir nächstes Jahr ein Produkt anbieten über einen Partner, einen Schuhhersteller, wobei wir nicht nur einen Sensor anbieten, sondern die gesamte Elektronik dazu samt Kommunikation mit Mobilgeräten, mit Apps und Cloud. Das Produkt soll in Bezug auf Diabetes motivierten Leuten helfen, ihr Leben positiv zu gestalten. Das ist auch für uns neu. Das andere ist das Thema Elektromobilität. Da sind wir dabei, den Markt zu erkunden, um Lösungen oder Komponenten anzubieten. Zum Beispiel Sicherheitssensorik für Lithium-Ionen-Batterien. Für einen großen Hersteller von Elektrowerkzeugen liefern wir seit kurzem schon Sensoren und haben da auch weitere Projekte. In diesen Bereich müssen wir aber noch sehr viel Arbeit reinstecken, um uns in diesem Markt langfristig gut zu positionieren und langfristig wachsen zu können.
Vor kurzem hat sich ein neuer Mieter, eine koreanische Firma, im Automotive Campus angesiedelt. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung des Campus, der sich langsamer entwickelt als man das geplant hatte?
Zusätzlich zu der südkoreanischen Firma haben wir auch eine Mannschaft von LuxProvide bei uns. Letzte Woche wurde ja der Supercomputer Meluxina in Betrieb genommen. Bei verschiedenen Projekten werden wir auch Hauptnutzer dieses Computers sein. Aber es stimmt schon, die Entwicklung des Campus geht etwas schleppend voran, nichtsdestotrotz glauben wir als IEE immer noch an das Konzept „Open Innovation“des Campus als Gemeinschaft von großen Konzernen, öffentlicher Forschung und Startups, die sich austauschen und gegenseitig befruchten. Ich denke, der große Strukturwandel, der in vollem Gange ist mit Elektrifizierung, Digitalisierung, automatisiertem Fahren, neuen Geschäftsmodell und so weiter, das kann man nicht mehr alleine bewältigen. Da braucht man ein großes Netzwerk mit Partnern. Und das ist das Konzept dieses Campus.
Das heißt, die Ausrichtung des Campus hat sich etwas geändert?
Am Anfang war es mehr auf Zulieferer ausgerichtet, mittlerweile denkt man eher in Richtung Mobilität allgemein und auch darüber hinaus. Denn man kann es nicht mehr so genau trennen, ob man will oder nicht. Mobilität ist nicht mehr ein Fahrzeug, sondern verschiedene Konzepte, die sich auch gegenseitig befruchten und miteinander in Wettbewerb stehen. Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle, sowohl bei Entwicklungsprozessen als auch im Bereich von Produkten und Businessmodellen.
Dass Unternehmen wie Google im Automobilsektor aktiv sind, daran sieht man, wie sehr sich alles geändert hat.
Wobei die primäre Motivation von Firmen wie Google wahrscheinlich die Daten sind. Am und im Auto werden enorme Datenmengen produziert. Schon heute haben Sie bei Premiummarken hundert Mikroprozessoren, die aktiv sind und enorm viele Daten produzieren, die bislang nur wenig verwendet werden. Das bietet enormes Potenzial und vielleicht auch neue Produktideen.
Wohin möchten Sie IEE führen? Wie soll das Unternehmen in fünf oder in zehn Jahren aussehen?
Wir werden uns zumindest in den nächsten Jahren sehr stark fokussieren auf unsere Kernkompetenzen und die liegen vor allem im Bereich der Entwicklung und Herstellung von gedruckten Folien-Sensoren. Hier sind wir führend, und das wollen wir weiter ausbauen. Wir entwickeln und produzieren auch schon seit langer Zeit Elektroniken. Die Sensorik selbst wird immer stärker ein Teil davon. Das letzte Beispiel davon ist die erwähnte Radar-Technologie. Wir produzieren jetzt seit Anfang des Jahres in Echternach in Serie und sind das weltweit erste Unternehmen, das ein Produkt für den Fahrzeuginnenraum anbietet, das auf Radar-Technologie basiert. Wir sehen in diesem Bereich enorme technologische Entwicklungen auf uns zukommen. Das wollen wir ausschöpfen. Wir wollen dabei zunehmend künstliche Intelligenz benutzen, um Produkte zu entwickeln und anzubieten. Auch beim Thema Data Mining werden wir immer mehr machen müssen.
In Echternach ist unser führendes Werk innerhalb der Gruppe. Das wird auch so bleiben.