Seelenheil dank Utopie
Konstantin Weckers neues Album und der Wunsch nach Frieden
München. Noch im Mai stand er auf der Bühne des Ettelbrücker Cape: Hinter Konstantin Wecker liegt bereits ein enorm ertragreiches Künstler-Leben. Zwei Dutzend Studioalben hat der Münchner in fünf Jahrzehnten herausgebracht, hinzu kommen 40 Filmmusik-Beiträge (darunter „Kir Royal“und „Schtonk!“), etwa 30 Buchveröffentlichungen, 40 Musical-Kompositionen, über 50 Film- und Fernsehproduktionen als Schauspieler. Mit seiner neuen Platte aber richtet dem mit düsteren Rock-Klängen ausgestatteten Titel „Schäm dich Europa“, in dem Wecker die Flüchtlingskrise und den neu auflodernden Nationalismus anprangert. Oder in dem in seiner Aussage und Stimmung an John Lennons „Imagine“erinnernden, in bester Liedermacher-Tradition vorgetragenen Titelstück.
„Utopia“– eine Welt ohne Herrscher, ohne Gewalt und ohne Krieg. Eine Wunsch-Vision? „Ich habe mich zuletzt intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Indigene Kulturen und viele nomadische Völker haben diese Form herrschaftsfreien Zusammenlebens, die wir Utopie nennen, verwirklicht.“Ohnehin seien Utopien wichtig für das Seelenheil der Menschen, vielleicht sogar die „letzte Hoffnung“.
Stilistisch zeigt sich Wecker auf dem Album wendig. Bei „Was einem der Regen raunend erzählt“reicht ihm ein Klavier als Begleitung. In „Anstatt zu siegen“schlägt er sphärische World-Music-Töne an. Beim fröhlichen Reggae „Wie lieb ich es, den Tieren zuzusehen“geht es, angetrieben von Schlagzeuger Thomas Simmerl, rhythmisch ab.
Und in Titeln wie „Das wird eine schöne Zeit“sorgen Musiker der
Münchner Staatsoper für klassische Klang-Ästhetik.
Deutlich wird Wecker im jazzigen, mit Marsch-Rhythmus unterlegten „Es gibt kein Recht auf Gehorsam“. Eine Losung, die Querdenker möglicherweise bei Demos aufnehmen werden – es aber lieber bleiben lassen sollten: „Da würde ich sofort einen Anwalt einschalten“, sagt Wecker und fügt hinzu, dass das nicht das erste Mal wäre. „Im Frühjahr wurde auf Querdenker-Demos meine Version von „Die Gedanken sind frei“gespielt, auch da ging ich sofort anwaltlich dazwischen.“
Obwohl Wecker grundsätzlich Sympathie für die Idee weniger linearen Denkens hegt, lässt er gegenüber dieser Initiative keine Zweifel aufkommen: „Bei einer Demo, die nach Rechtsaußen offen ist, wie es die Identitären mal so stolz gesagt haben, bin ich ganz sicher nicht dabei. Auch nicht eines meiner Lieder.“Ein weiteres Thema von „Utopia“ist Weckers Auseinandersetzung mit sich selbst – auch mit dem Älterwerden. In Titeln wie „An die Musen“, „Bin ich endlich angekommen“, „Was uns am Leben hält“und „Die Tage grau“gewährt er einen intimen Blick in die Seele des umtriebigen Künstlers. dpa