Innehalten und nachdenken
Echternach beendet Reihe Judeum Epternacum
Echternach. Man muss schon den Blick senken, um die kleinen Gedenktafeln aus Messing zu erblicken, die seit wenigen Tagen vor drei Häusern in Echternach in das Pflaster des Bürgersteigs eingelassen sind. Dann aber entdeckt man Namen, hinter denen sich ein schmerzliches Schicksal verbirgt.
Sieben weitere Stolpersteine hat die Gemeinde Echternach am Freitag unter großer Anteilnahme der Bürger verlegt. Sie erinnern an Einzelpersonen und Ehepaare, die während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wegen ihres jüdischen Glaubens verfolgt und ermordet wurden.
Die Stolpersteinverlegung, bei der zahlreiche Gemeindepolitiker und interessierte Einwohner zugegen waren, bildete den Abschluss der Veranstaltungsreihe Judeum Epternacum. Mehr als drei Jahre lang hat Echternach mit Konzerten, Vorträgen und Ausstellungen der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und gleichzeitig jüngere Generationen über die NS-Verbrechen aufgeklärt.
Groß angelegte Recherche
Bürgermeister Yves Wengler blickte bei der Abschlussveranstaltung auf die Reihe Judeum Epternacum zurück und wies auf die umfangreiche Recherchearbeit hin, an der sich viele Freiwillige beteiligt hatten. Wengler dankte zudem dem Gemeinderat, der die für die Kulturveranstaltungen notwendigen Mittel bereitgestellt hatte.
Die sieben neuen Stolpersteine hat der Künstler Gunter Demnig gestaltet. Sie sollen Fußgänger auf ihrem Weg zum Innehalten bewegen und zum Nachdenken anregen – und letztendlich dazu beitragen, dass die Namen der Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten. Die messingfarbenen Gedenktafeln mahnen in 26 europäischen Ländern an den Holocaust, mittlerweile wurden bereits 75 000 Stolpersteine verlegt. Die ersten 20 Stolpersteine in Echternach hatte der Künstler Gunter Demnig im Juni 2019 an vier Stellen angebracht.
Geflüchtet aus Deutschland
Die neuen sind zum Beispiel vor dem Haus Nummer 15 in der Rue Ermesinde zu sehen. In der stattlichen Villa wohnten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs das aus Deutschland stammende Ehepaar Mayer und das Hoteliers-Paar Levy (siehe Biografien). In der Rue du Pont in der Nähe der Polizei erinnern die Gedenktafeln an Berthold Kahn und Herbert Kerngut, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Mauthausen ums Leben kamen. Nur ein paar Schritte weiter, in der Rue Ste Irmine am Ciné Sura, sind die Tafeln mit den eingravierten Namen des Ehepaars Wolf zu finden, das in Echternach ein Schuhgeschäft hatte.
Emotionale Rede
Die Einweihung der Stolpersteine wurde umrahmt von Streichmusik und Gedichtvorträgen. Mit emotionalen Worten ließ der Historiker Jacques Delleré, Lehrer am Echternacher Lycée, die Schicksale der Ermordeten wieder lebendig werden. Er hatte die Geschichte der Echternacher Juden mit der Klasse 3e CA recherchiert und aufbereitet. Die Schülerinnen und Schüler hatten eine Collage mit einer Botschaft angefertigt: „Würde man eine Schweigeminute für jedes Opfer des Holocaust halten, wäre es elf Jahre lang still.“
Das Projekt zur Aufarbeitung der jüdischen Geschichte der Stadt war bereits 2016 aus der Arbeitsgruppe „Solidarität und Frieden“zusammen mit der Vereinigung MemoShoa entstanden. Seither haben mehr als 100 Menschen aus sechs Institutionen generationenübergreifend daran mitgewirkt. Auch Schüler des Lycée und der Musikschule waren darin eingebunden.
Um jetzt nach dem Abschluss weiter die Auseinandersetzung mit dem Holocaust anzuregen, arbeitet die Gemeinde an einer Dokumentation der Veranstaltungen des Judeum Epternacum, in der auch die Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus nachgezeichnet werden.
Berthold Kahn (1911-1942). Nach der Machtergreifung kam Berthold Kahn aus der Eifel nach Luxemburg und wohnte in Biwer, Grosbous, Manternach und zuletzt in Echternach. Nach seiner Hochzeit mit Ida Kahn hielt er sich mit einer Arbeit als Knecht auf dem Bauernhof von Alois Spartz über Wasser. Wegen des allgemeinen Mangels an landwirtschaftlichen Arbeitern war es für jüdische Einwanderer am wahrscheinlichsten, in diesem Sektor eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Im Dezember 1940 wurden Berthold Kahn und seine Frau nach Frankreich ausgewiesen. Zwei Jahre später wurde er dort verhaftet und nach einem Aufenthalt in Drancy nach Auschwitz transportiert, wo er ums Leben kam. Seine Frau überlebte den Holocaust.