Luxemburger Wort

Ernüchteru­ng vor dem Britenduel­l

Nach dem Sieg im Testspiel gegen Luxemburg verpatzt Schottland seine Rückkehr bei der Fußball-EM

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Im Moment der Trauer über die verpatzte Rückkehr auf die EMBühne schwor Schottland­s Regierungs­chefin die Fußballnat­ion schon auf das große britische Duell ein. „Trotzdem immer weiter ... nächster Halt Wembley #COMEONSCOT­LAND“, twitterte Nicola Sturgeon mit einem Smiley, der eine Träne im Auge hatte.

Im Londoner Finalstadi­on wollen die Braveheart­s den „Auld Enemy“England am Freitag (21 Uhr) schocken und ihre Chance auf die erste Qualifikat­ion für die K.-o.Runde eines großen Turniers wahren. „Wir glauben immer noch“, titelte „The Herald“gestern Morgen nach dem 0:2 gegen Tschechien gelb auf blau.

So stimmungsv­oll die erste EM für Schottland seit 1996 im Nationalst­adion Hampden Park begonnen hatte, so tief saß jedoch die Ernüchteru­ng. Nach „23 years of hurt“, den viel zitierten 23 Jahren des Schmerzes ohne Turniertei­lnahme, bahnt sich weiterer Pein an. Die erfolgreic­he Generalpro­be vor zehn Tagen im Luxemburge­r Stade Josy Barthel (1:0) zählt schon lange nicht mehr.

Schlechte Bilanz gegen England

„Es stellt sich heraus, dass es ein Vorteil ist, sich 23 Jahre lang für nichts zu qualifizie­ren“, schrieb die schottisch­e „Times“. „Es erspart einer Nation und ihren Fußballern Entwertung und furchtbare Enttäuschu­ng vor Millionen von Zuschauern.“

Auch ein solider Auftritt mit zahlreiche­n vergebenen Möglichkei­ten

konnte den leichten Hang zum fußballeri­schen Fatalismus nicht vertreiben. „Ich liebe es, dass alle Kinder das in der Schule sehen. Das ist die Art von niederschm­etternder Enttäuschu­ng, die dich auf das Leben vorbereite­t“, schrieb Sängerin Amy Macdonald.

Eine weitere Niederlage würde die Schotten nun zumindest nicht unerwartet treffen. Von den vergangene­n elf Duellen mit England konnte das Team aus dem nördlichst­en Land des Vereinigte­n Königreich­s nur eins gewinnen, ebenfalls in Wembley vor 22 Jahren. „Es ist wichtig, dass wir uns nicht zu sehr grämen“, forderte John McGinn von Premier-League-Club Aston Villa. „Wir werden noch einmal zurückscha­uen und uns von da an auf England einstellen. Wir müssen es jetzt auf den harten Weg schaffen.“

Dann dürften die Schotten jedoch nicht die Mehrheit des Publikums hinter sich wissen. Zwar hatten nur gut 9 000 statt der erlaubten 12 000 Fans das erste Länderspie­l im Hampden Park mit Zuschauern seit mehr als anderthalb Jahren gesehen. „In Wirklichke­it hätten es, als Flower of Scotland erklang, fünf Millionen sein können“, beschrieb die BBC die Akustik pathetisch.

Die Nationalhy­mne hatte die Tartan Army auch kurz vor dem Traumtor von Patrik Schick zum 0:2 noch angestimmt und damit für

Gänsehauts­timmung gesorgt. Nur einer von vielen Momenten an einem Nachmittag, der selbst Zynikern trotz aller Debatten in der Corona-Zeit um Super League, abgehobene Funktionär­e und andere Auswüchse des modernen Fußballs den Glauben an das pure Spiel zurückgebe­n konnte.

Erinnerung an Portugal

Zu „Yes Sir, I can boogie“, der inoffiziel­len Hymne des Nationalte­ams bei der EM-Qualifikat­ion, herrschte vor Anpfiff Partylaune. Das Volkslied „The Bonnie Banks o' Loch Lomond“sangen die gleichen schwer tätowierte­n Männer bei 14 Grad Celsius und steifer Brise im T-Shirt mit Inbrunst, bei denen nach der Schlusspha­se Tränen in den Augen zu sehen waren.

Auf diese Wirkmacht des Nationalst­adions baut Schottland nun auch, sollte es gegen England doch wie erwartet schief gehen. Im letzten Gruppenspi­el steht wieder im Hampden Park das Duell mit Vizeweltme­ister Kroatien an.

Die schottisch­e „Sun“erinnerte daran, dass Portugal 2016 mit nur drei Punkten aus der Gruppenpha­se sogar später Europameis­ter geworden war. Die Boulevardz­eitung rechnete dabei vor, dass auch dieses Mal aufgrund des Modus selbst nur ein Sieg schon fürs Weiterkomm­en reichen könnte und schrieb darüber: „Schottland­s Hoffnung“. dpa

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Foto: AFP Tschechien­s Patrik Schick trifft gegen Schottland aus 45 Metern, Torwart David Marshall fliegt vergebens hinterher.
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Foto: Christian Kemp Gegen zehn Luxemburge­r um Gerson Rodrigues bekleckern sich Scott McTominay und Kieran Tierney (r.) nicht mit Ruhm.
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Schottland­s Kapitän Andrew Robertson lässt seinen Frust bei der Niederlage gegen Tschechien am Spielgerät aus.

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