Grün läuft die Zeit davon
Es ist noch immer die Covid-Pandemie, die die politische Einschätzung und Bewertung der Regierungsarbeit bestimmt. Die Regierung insgesamt kann zufrieden sein mit dem Urteil im Politmonitor über ihr Krisenmanagement, die getroffenen Maßnahmen und die kürzlich erfolgten Lockerungen. Nun kommt es darauf an, wie es mit der Pandemie weitergeht und ob sich das Land vor den nächsten Wahlen noch immer im Krisenmodus befindet. Wenn nicht und wenn bis dahin in essenziellen Politikfeldern nicht sehr viel bewegt wurde, könnte sich die gute Halbzeitbilanz in eine schlechte Endbilanz verwandeln. Das jedenfalls deutet sich nun schon an, wenn man die Einschätzung der Befragten betrachtet, inwieweit die Ziele für diese Legislatur erreicht wurden. Zufriedenheit geht anders.
Das Krisenmanagement spiegelt sich auch weitgehend in der Bewertung der Politikerköpfe wider. Wer sehr visibel in der ersten Reihe steht und wer sich großzügig zeigt, wird belohnt. In der Finanz- und Sozialpolitik den Cent nicht umzudrehen, Hilfen für Betriebe und Arbeitnehmer mit Kindern ohne lange zu fackeln zu gewähren, machten sich für Mittelstandsminister Lex Delles, Wirtschaftsminister Franz Fayot, Finanzminister Pierre Gramegna und Sozialminister Romain Schneider gleichermaßen bezahlt. Dass (zu) wenig getan wurde, um das steigende Armutsrisiko in den Griff zu bekommen und mit der nun ausgesetzten Steuerreform für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, tut dem (noch) keinen Abbruch. Auch gute Oppositionsarbeit kann sich in Krisenzeiten bei der Wähleranerkennung bezahlt machen. Das sieht man an Claude Wiseler und Sven Clement, die als gesundheitspolitische Sprecher und sowohl eloquente als auch sachliche Kritiker eine anerkannt gute Figur machen. Wer mit der Krisenbekämpfung nichts zu tun hat oder sich dort nicht mit Ruhm bekleckert, lässt Federn. So wie die beiden DP-Politiker, Bildungsminister Claude Meisch und Familienministerin Corinne Cahen. Inwieweit das in zwei Jahren vergessen sein könnte, wird sich zeigen. Ein Schnitzer in Normalzeiten ist verzeihlich, aber in einer Gesundheitskrise, wo es um Menschenleben ging über Monate zu schwächeln?
Sorgen müssen sich die Grünen machen. Sie waren mit ihren Ressorts in der Krisenbewältigung wenig sichtbar. Die Arbeit von Nachhaltigkeitsminister François Bausch, der stoisch die Erneuerung der Mobilitätsinfrastrukturen durchzieht, findet Anerkennung. Dieser Bereich bekam zwar am meisten Zustimmung bei der Bewertung der Regierungsziele, dennoch verliert Bausch leicht bei der Kompetenz. Nur Justizministerin Sam Tanson kristallisiert sich zunehmend als Hoffnungsträgerin heraus und überflügelt den grünen Vize-Premier. Dass die drei anderen Minister, die schon nicht gut platziert waren, weiter verlieren, ist kein gutes Vorzeichen. Denn sie besetzen mit dem Wohnungsbau, der Klima- und Umweltpolitik sowie der Energie Schlüsselressorts, auf die weiter mit Argusaugen geschaut wird. Tausende Wohnungen bauen, die Biodiversität retten und die Energiewende mit viel Subventionen bewältigen, das dauert und kostet. Den Grünen, die personell derzeit schon nicht überzeugen, läuft die Zeit weg.
Die gute Halbzeitbilanz kann schnell zur schlechten Endbilanz werden.
Kontakt: annette.welsch@wort.lu