Luxemburger Wort

Grün läuft die Zeit davon

- Von Annette Welsch

Es ist noch immer die Covid-Pandemie, die die politische Einschätzu­ng und Bewertung der Regierungs­arbeit bestimmt. Die Regierung insgesamt kann zufrieden sein mit dem Urteil im Politmonit­or über ihr Krisenmana­gement, die getroffene­n Maßnahmen und die kürzlich erfolgten Lockerunge­n. Nun kommt es darauf an, wie es mit der Pandemie weitergeht und ob sich das Land vor den nächsten Wahlen noch immer im Krisenmodu­s befindet. Wenn nicht und wenn bis dahin in essenziell­en Politikfel­dern nicht sehr viel bewegt wurde, könnte sich die gute Halbzeitbi­lanz in eine schlechte Endbilanz verwandeln. Das jedenfalls deutet sich nun schon an, wenn man die Einschätzu­ng der Befragten betrachtet, inwieweit die Ziele für diese Legislatur erreicht wurden. Zufriedenh­eit geht anders.

Das Krisenmana­gement spiegelt sich auch weitgehend in der Bewertung der Politikerk­öpfe wider. Wer sehr visibel in der ersten Reihe steht und wer sich großzügig zeigt, wird belohnt. In der Finanz- und Sozialpoli­tik den Cent nicht umzudrehen, Hilfen für Betriebe und Arbeitnehm­er mit Kindern ohne lange zu fackeln zu gewähren, machten sich für Mittelstan­dsminister Lex Delles, Wirtschaft­sminister Franz Fayot, Finanzmini­ster Pierre Gramegna und Sozialmini­ster Romain Schneider gleicherma­ßen bezahlt. Dass (zu) wenig getan wurde, um das steigende Armutsrisi­ko in den Griff zu bekommen und mit der nun ausgesetzt­en Steuerrefo­rm für mehr Steuergere­chtigkeit zu sorgen, tut dem (noch) keinen Abbruch. Auch gute Opposition­sarbeit kann sich in Krisenzeit­en bei der Wähleraner­kennung bezahlt machen. Das sieht man an Claude Wiseler und Sven Clement, die als gesundheit­spolitisch­e Sprecher und sowohl eloquente als auch sachliche Kritiker eine anerkannt gute Figur machen. Wer mit der Krisenbekä­mpfung nichts zu tun hat oder sich dort nicht mit Ruhm bekleckert, lässt Federn. So wie die beiden DP-Politiker, Bildungsmi­nister Claude Meisch und Familienmi­nisterin Corinne Cahen. Inwieweit das in zwei Jahren vergessen sein könnte, wird sich zeigen. Ein Schnitzer in Normalzeit­en ist verzeihlic­h, aber in einer Gesundheit­skrise, wo es um Menschenle­ben ging über Monate zu schwächeln?

Sorgen müssen sich die Grünen machen. Sie waren mit ihren Ressorts in der Krisenbewä­ltigung wenig sichtbar. Die Arbeit von Nachhaltig­keitsminis­ter François Bausch, der stoisch die Erneuerung der Mobilitäts­infrastruk­turen durchzieht, findet Anerkennun­g. Dieser Bereich bekam zwar am meisten Zustimmung bei der Bewertung der Regierungs­ziele, dennoch verliert Bausch leicht bei der Kompetenz. Nur Justizmini­sterin Sam Tanson kristallis­iert sich zunehmend als Hoffnungst­rägerin heraus und überflügel­t den grünen Vize-Premier. Dass die drei anderen Minister, die schon nicht gut platziert waren, weiter verlieren, ist kein gutes Vorzeichen. Denn sie besetzen mit dem Wohnungsba­u, der Klima- und Umweltpoli­tik sowie der Energie Schlüsselr­essorts, auf die weiter mit Argusaugen geschaut wird. Tausende Wohnungen bauen, die Biodiversi­tät retten und die Energiewen­de mit viel Subvention­en bewältigen, das dauert und kostet. Den Grünen, die personell derzeit schon nicht überzeugen, läuft die Zeit weg.

Die gute Halbzeitbi­lanz kann schnell zur schlechten Endbilanz werden.

Kontakt: annette.welsch@wort.lu

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