Luxemburg als Reformverlierer
Laut einer Studie würde eine globale Mindeststeuer das Großherzogtum besonders hart treffen
Plötzlich kann es sehr schnell gehen. Lange ein aussichtsloser Fall, hat die US-Administration unter Joe Biden der Idee der globalen Mindeststeuer für Unternehmen neues Leben eingehaucht. Nach dem Vorschlag der amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen, eine globale Untergrenze bei 21 Prozent festzulegen, einigten sich die Staats- und Regierungschefs beim G7-Treffen in der letzten Woche auf einen Mindestsatz von 15 Prozent. Darüber hinaus sollen Firmen gezwungen werden können, dort Steuern zu zahlen, wo sie ihre Einnahmen erzielen. Bis Mitte des Jahres sollen die Details auch im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet sein.
Das britische Analysehaus Oxford Economics hat nun in einer Studie untersucht, was ein solcher globaler Steuersatz für die Länder der Eurozone bedeuten würde. Für Luxemburg kamen sie zu dem Schluss: nichts Gutes. Zwar schränken die Autoren ein, dass die wirtschaftlichen und steuerlichen Effekte einer solchen Reform noch nicht endgültig zu bestimmen seien, weil viele Detailfragen noch offen sind. Aber laut der Modellierungen der Ökonomen würde das Großherzogtum zusammen mit Irland, Ungarn und den Niederlanden zu den Verlierern der Reform gehören.
Beträchtliche Risiken
Eines der wichtigsten Ziele der weltweiten Reform ist, zu verhindern, dass große multinationale Konzerne ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Unternehmenssteuern verschieben. In Europa sind das vor allem Irland, Luxemburg und die Niederlande. So wurde 2018 laut der Studie etwa ein Drittel der Profite solcher Konzerne in Europa in diesen drei Ländern verbucht. Demgegenüber seien zum Beispiel nur etwa fünf Prozent der europäischen FacebookNutzer dort ansässig.
Gleichzeitig sind die internationalen Konzerne wichtige Wirtschaftsfaktoren in den drei Ländern. Die Konzerne seien im Jahr 2018 für 43 Prozent der Bruttowertschöpfung
in Irland verantwortlich gewesen, für 26 Prozent in Luxemburg und fast 18 Prozent in den Niederlanden.
Welchen Effekt die Reformen auf die jeweiligen nationalen Wirtschaften haben, hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Unternehmen darauf reagieren. Bleiben sie, wo sie sind, weil sie die Kosten einer Verlagerung fürchten oder gehen sie dahin, wo ihre Kunden sind?
Die Risiken für die Finanzen der drei Länder sind jedenfalls beträchtlich, schreiben die Studienautoren. So waren die zehn größten multinationalen Firmen 2020 für 56 Prozent der Unternehmenssteuern in Irland verantwortlich; nirgendwo sonst in Europa ist der Anteil der Unternehmenssteuern an den Gesamtsteuereinnahmen so hoch wie in Luxemburg (2019: 15 Prozent). In ihrem Modell kommt die Studie daher zu dem Schluss, dass die Reformen das Verhältnis von Staatsschulden zu Bruttoinlandsprodukt für diese Staaten deutlich verschlechtern würden. Bis 2028 lägen damit die Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung um sechs Prozent höher als nach dem aktuellen Steuerregime. In den Niederlanden und Irland würde das jeweils knapp unter fünf Prozentpunkten ausmachen.
Große Länder als Gewinner
Während die Autoren das im Falle von Luxemburg und den Niederlanden aufgrund der relativ niedrigen Verschuldung für verkraftbar halten, sehen sie massive Probleme auf das hochverschuldete Irland zukommen. „Darüber hinaus halten wir nicht nur für Irland, sondern auch für Luxemburg und die Niederlande schlechtere Ergebnisse für möglich. Die Wirtschaftsleistung dieser Länder hängt insbesondere von ihrer Fähigkeit ab, ausländische Investitionen anzuziehen, die durch die Steuerreformen
untergraben werden könnten”, schreiben die Studienautoren. Für die Eurozone hätten die Reformen aber in der Summe positive Folgen. In dem Modell würde das Verhältnis von Schulden zu Wirtschaftsleistung sich in den Ländern des Währungsraums um 0,4 Prozent im Vergleich zum gegenwärtigen System verbessern. Die Hauptgewinner wären die einwohnerstärksten Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, denen die meisten Steuermittel durch Gewinnverlagerungen entgehen. Demnach würde sich Deutschlands und Frankreichs Staatsschulden relativ zum Bruttoinlandsprodukt um jeweils 1,4 Prozent verringern, Italiens um einen und Spaniens um 0,8 Prozent.
Weltweit schätzt die OECD, dass den Finanzämtern durch Steuervermeidung jährlich zwischen 100 und 240 Milliarden USDollar entgehen.