Luxemburger Wort

„Es ist wie ein kleines Pflänzchen“

ALUC-Präsident Michel Dauphin über die Ziele der Organisati­on und wieso sie einen Neustart wagen möchte

- Interview: Sarah Schött

Die Associatio­n Luxembourg­eoise des Universita­ires Catholique­s (ALUC) zählt rund 100 Mitglieder. Die Studierend­en und Universitä­tsabsolven­ten haben sich bereits seit 1910 zum Ziel gesetzt, gesellscha­ftliche Debatten mit anzustoßen und zu begleiten – vor dem Hintergrun­d einer christlich­en Wertvorste­llung. Doch wie bei vielen christlich­en Vereinen ist die Gewinnung neuer Mitglieder schwierig. Michel Dauphin (58) ist seit Ende 2020 Präsident der Vereinigun­g, die sich selbst einen Neustart verordnet hat. Im Interview erklärt der Mathematik­er, wie diese Erneuerung aussieht, welche Ziele die ALUC verfolgt und wie sie diese erreichen will.

Michel Dauphin, was ist die Hauptaufga­be der ALUC?

Wir haben Aufgaben und Aktivitäte­n. Aufgabe ist einerseits, das christlich­e Leben und den christlich­en Glauben unserer Mitglieder zu fördern, die Menschen in ihren Überlegung­en zu unterstütz­en, das christlich­e Gedankengu­t auf Niveau des Landes zu fördern und auch dazu beizutrage­n, dass es Eingang in die Kultur findet. Es geht uns auch um die Förderung der Freundscha­ft zwischen unseren Mitglieder­n und darum, die nationale Gemeinscha­ft zu unterstütz­en, als deren Mitglieder wir uns betrachten.

Und mit welchen Aktivitäte­n arbeiten Sie an diesen Aufgaben?

Wir organisier­en in religiöser Hinsicht Messen, etwa anlässlich der Oktave oder zu Weihnachte­n. Dieses Jahr hatten wir während der Oktave einen Gebetsaben­d mit Themen der Enzyklika „Fratelli Tutti“. Auf kulturelle­r Ebene veranstalt­en wir Vorträge, Debatten, Ausflüge und Reisen. Was die Freundscha­ftsbasis angeht, haben wir in der Avenue Marie-Thérèse ein Vereinslok­al, wo Leute sich treffen, zusammen essen und sich unterhalte­n können. Wir versuchen auch, Konferenze­n über Themen zu organisier­en, die unsere nationale Gemeinscha­ft interessie­ren und zu schauen, was wir aus einem christlich-moralische­n Ansatz heraus zu diesen Themen beitragen können. Und wir veröffentl­ichen vierteljäh­rlich die Zeitschrif­t „ALUC Contact“für unsere Mitglieder.

Welche Aktivitäte­n haben sie aktuell geplant?

Am 1. Juli haben wir einen Vortrag von Victor Weitzel, einem bekannten Publiziste­n. Er spricht über die Zeit nach Corona. Wir wollen auf akute Probleme hinweisen, etwa die Wohnungskr­ise: junge Paare, die sich verschulde­n müssen, um zu bauen … Herr Weitzel wird uns ein paar Alternativ­en erklären, was man machen könnte. Das wird ganz interessan­t, denn über manche Probleme wird nicht unbedingt immer offen geredet. Wenn man aber nicht darüber spricht, kann man sie auch nicht angehen. Das soll unser bescheiden­er Beitrag sein, um auf die Probleme hinzuweise­n. Und dabei kommen vielleicht auch Ideen zutage, was unsere nächsten Aktivitäte­n sein könnten. Wir wollen uns etwa auf Anregung eines Pastoralre­ferenten auch mit Jugendlich­en treffen, die aus benachteil­igten Verhältnis­sen kommen. Junge Leute, die studieren wollen, aber keine Referenzpe­rson haben, die ihnen ein bisschen vom studentisc­hen Leben erzählt. Natürlich wollen wir keine zweite Caritas sein. Als Vereinigun­g von Universitä­tsabsolven­ten können wir eher auf analytisch­em Niveau arbeiten, wobei manche unserer Mitglieder auch in konkreten Hilfswerke­n aktiv sind.

Die ALUC hat sich selbst einen Neustart verordnet. Wieso?

Wir waren kurz vorm Ende. Vergangene­s Jahr gab es einen Vortrag, der organisier­t worden war, zu dem nur zwei Personen kamen. Das war so demotivier­end, dass der Präsident und der Sekretär

gesagt haben, dass sie so nicht weitermach­en wollen. Sie haben vorgeschla­gen, die ALUC in eine Amicale umzuwandel­n, die sich einfach nur noch einmal im Jahr trifft. Wir waren aber innerhalb der ALUC eine kleine Gruppe, die das sehr schade fand. Viele von uns sind schon als Studenten dazugekomm­en, man schließt Freundscha­ften, die bis heute andauern. Daher haben wir gesagt, wir versuchen es noch einmal. Wir wollten natürlich nicht einfach so weitermach­en und haben überlegt, was man anders machen muss. Bei einem Seminar haben wir geschaut, was nicht funktionie­rt und wo unsere Möglichkei­ten liegen weiterzuko­mmen. Das haben wir dokumentie­rt und hoffen jetzt, dass wir anhand der Ergebnisse die richtige Formel finden, um das Ganze wieder zum Laufen zu bringen.

Welche konkreten Neuerungen sind vorgesehen?

Begonnen haben wir jetzt erst einmal mit der visuellen Identität. Es ist wichtig, dass es etwas gibt, womit die Leute sich identifizi­eren können. Wir haben ein Logo definiert. Vier Buchstaben, ALUC, denn Buchstaben sind unser Werkzeug, mit dem wir uns ausdrücken. Der Rahmen darum ist an ein Kreuz angelehnt, das eine ist mehr die wissenscha­ftliche weltliche, das andere die spirituell­e, religiöse Achse. Der Rahmen ist aber an zwei Seiten offen, denn wir sind offen für die Welt. Auf unseren Flyern und unserem Rollup sind daneben vier Bilder abgedruckt: eine Ikone, die für den Glauben steht, ein Globus für die Wissenscha­ft und Weltoffenh­eit, zwei Personen, die sich gegenseiti­g helfen und für die Freundscha­ft stehen, und ein Bild von Luxemburg, das die nationale Gemeinscha­ft verdeutlic­ht. Aktuell sind wir auch dabei unsere Webseite www.aluc.lu neu einzuricht­en. Letztlich wollen wir uns auch sprachlich öffnen. Hier in Luxemburg in einer pluralisti­schen Gesellscha­ft mit Menschen verschiede­ner Herkunft muss sich auch die ALUC anpassen. Traditione­ll war es ein luxemburgi­scher Verein, es wurde Luxemburgi­sch gesprochen. Aber wir versuchen uns anzupassen, die nächste Konferenz ist auf Französisc­h. Unser Heft, das einmal im Trimester erscheint, enthält Beiträge auf Französisc­h, es können aber auch luxemburgi­sche und deutsche Texte eingereich­t werden. Wir wollen auch für Leute offen sein, die keine Luxemburge­r sind.

Hat sich auch inhaltlich etwas geändert?

An unseren Grundsätze­n und Statuten haben wir nichts geändert, die Aufgaben bleiben gleich. Wir bleiben im katholisch­en Glauben verankert, Freundscha­ft ist weiter ein wichtiger Wert. Wir wollen nicht unbedingt durch soziale, sondern strukturel­le Aktivitäte­n helfen, die Gesellscha­ft zu verbessern.

Was muss man tun, um Mitglied zu werden?

Es reicht im Prinzip, den Beitrag zu überweisen. Man muss nichts Bestimmtes studiert haben, es sind unter den Mitglieder­n viele verschiede­ne Fachrichtu­ngen vertreten: Juristen, Historiker, Mathematik­er, Sprachwiss­enschaftle­r, Mediziner, Volkswirte ... Wir fragen auch nicht nach dem Diplom. Und grundsätzl­ich sind wir offen: Wir sind zwar katholisch,

Wir wollen nicht unbedingt durch soziale, sondern strukturel­le Aktivitäte­n helfen, die Gesellscha­ft zu verbessern.

In einer pluralisti­schen Gesellscha­ft muss sich auch die ALUC anpassen.

aber wenn etwa ein Protestant oder ein Muslim Mitglied werden möchte, ist das auch kein Problem. Aber natürlich organisier­en wir katholisch­e Messen. Wir sind offen für den Dialog, aber als Mitglied muss man sich mit unseren Statuten identifizi­eren – und damit mit den Prinzipien der ALUC einverstan­den sein.

Was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre?

Wir wollen natürlich Mitglieder anwerben, auch solche, die aktiv sind. Wir wollen die Menschen motivieren, damit sie bei Aktivitäte­n dabei sind – dazu müssen wir als Komitee Aktivitäte­n organisier­en, die die Leute interessie­ren. Es ist ganz Verschiede­nes möglich, es hängt davon ab, ob die Leute mitmachen. Wir könnten etwa auch öffentlich Position beziehen, zu gesellscha­ftlichen Themen, das könnten Arbeitsgru­ppen machen. Damit kann man versuchen, die luxemburgi­sche Gesellscha­ft auf christlich moralische Prinzipien hinzuweise­n – aber wir sind natürlich auch keine Fundamenta­listen. Wir respektier­en die laizistisc­he Organisati­on der Gesellscha­ft. Schön wäre es auch, wenn die Leute sich besser kennenlern­en, wir zusammen neue Reisen organisier­en. Wir haben aber keinen strategisc­hen Plan über drei oder fünf Jahre entworfen. Es ist mehr wie ein kleines Pflänzchen, das wir gießen und das hoffentlic­h sprießen wird. Ob ein großer Baum daraus wird, wissen wir jedoch jetzt noch nicht.

Am 1. Juli findet um 19 Uhr der Vortrag „L'aprèsCovid au Luxembourg ou la béance des plaies latentes“mit Victor Weitzel statt. Veranstalt­ungsort ist der Festsaal des Institut Saint-Jean, 110, Avenue Gaston Diederich in Luxemburg. Aufgrund der Hygienemaß­nahmen ist die Teilnehmer­zahl auf 50 Personen begrenzt. Plätze können per E-Mail an comite@aluc.lu reserviert werden. Weitere Informatio­nen dazu unter www.aluc.lu.

zu sagen: „Stille Wasser gründen tief.“Damit meinte sie, wenn alles „still“ist, wenn Lärm und Trubel verstummen, kann ein innerer Sturm losbrechen. Unser Herz beginnt dann zu rasen. Der medizinisc­he Begriff dazu lautet Tachykardi­e, Herzbeschl­eunigung verbunden mit Angst und Panik.

Man spürt es, als würden die Wellen über unserem Kopf zusammensc­hlagen und uns in bodenlose Tiefe stürzen. Wir sind von vielen anonymem Mächten

 ?? Foto: Guy Jallay ?? Michel Dauphin ist seit Ende 2020 Präsident der ALUC. Um den Neustart des Vereins zu besiegeln, hat die Organisati­on unter anderem mit einem neuen Logo an ihrer visuellen Identität gearbeitet.
Foto: Guy Jallay Michel Dauphin ist seit Ende 2020 Präsident der ALUC. Um den Neustart des Vereins zu besiegeln, hat die Organisati­on unter anderem mit einem neuen Logo an ihrer visuellen Identität gearbeitet.
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