„Enttäuscht und erleichtert“
Der verletzte Bob Jungels verpasst die Tour de France und die Olympischen Spiele
Die Radsportsaison ist knapp zur Hälfte vorbei, da steht bereits fest, dass Bob Jungels das sportliche Jahr 2021 so schnell wie möglich abhaken will. Eine Saison, die er wegen seines Transfers zu Ag2rCitroën mit neuer Motivation und neuen Impulsen in Angriff nahm, wurde wegen gesundheitlicher Beschwerden (der Rücken zwickte und führte zu einer Vielzahl von medizinischen Untersuchungen, Anmerkung der Redaktion) und einem Sturz beim Amstel Gold Race schnell zur Enttäuschung.
Gestern folgte die nächste Hiobsbotschaft: Der 28-Jährige kann weder bei den nationalen Meisterschaften, noch bei der Tour de France und den Olympischen Spielen an den Start gehen! Der Luxemburger Radprofi leidet seit einigen Wochen an „muskulären Schmerzen in den unteren Gliedmaßen, die ihn daran hindern, sein körperliches Niveau der vergangenen Saisons wieder zu erreichen“, heißt es in einer Mitteilung seiner Mannschaft Ag2r-Citroën.
Teamarzt Eric Bouvat klärt auf: „Die ersten Tests zeigten, dass es sich um eine Gefäßanomalie namens arterielle Endofibrose handeln könnte, welche die Beckenarterie betrifft.“
Alles deutet daraufhin, dass Jungels unters Messer muss, um das Problem, das auftritt wenn er hohe Wattzahlen drückt, zu beheben. Dann fällt er anschließend mehrere Wochen aus.
Körperlich und mental schwierig
Die Endofibrose ist eine krankhafte Veränderung der Arterien. Sie wird in Radsportkreisen auch gerne „Radfahrer-Krankheit“genannt (siehe Kasten).
Der 28-Jährige ist natürlich traurig: „Es ist eine große Enttäuschung, die Tour de France zu verpassen, bei der ich zum ersten Mal im Ag2r-Citroën-Trikot dabei gewesen wäre, genau wie die nationalen Meisterschaften und die Olympischen Spiele.“
Luxemburgs Zeitfahrmeister ergänzt: „Ich hatte einen schwierigen Start in die Saison, sowohl körperlich als auch mental, weil ich unbedingt glänzen wollte, aber nie auf dem Niveau fuhr, das ich eigentlich erreichen wollte.“
Zuletzt bei der Tour de Suisse schien es besser zu laufen. „Ich war mit meinem 18. Platz im Zeitfahren auf der ersten Etappe sehr zufrieden. Dann kamen die Schmerzen zurück, die ich schon seit einigen Jahren verspüre, wenn ich hart trainiere.“
Die medizinischen Untersuchungen bestätigten die Diagnose, die Jungels erwartet hatte. „Einerseits bin ich erleichtert, weil ich jetzt weiß, warum meine Leistungen in den vergangenen drei Saisons unregelmäßig waren, andererseits ist es dennoch eine große Enttäuschung.“
Drucker und Kirsch hoffen
Teamchef Vincent Lavenu ermutigt seinen Schützling: „Es tut mir leid und ich bin traurig für Bob, der ein Champion ist, dessen normales Niveau wir gut kennen, zusätzlich zu seinen sportlichen und menschlichen Qualitäten. Wir haben uns darauf gefreut, mit ihm auf die Straßen der Tour de France zu gehen. Seit Beginn der Saison hat er körperliche Schwierigkeiten, und jetzt wissen wir, wie wir diese beheben. Ich bin überzeugt, dass er, sobald er diese Beschwerden los ist, gute Leistungen für unsere Mannschaft erbringen wird.“
Für Jungels wäre es die vierte Tour-Teilnahme gewesen. Bei Olympia, dort galt er als heißer Anwärter auf einen der beiden Luxemburger Startplätze, war er bislang noch nie dabei.
Im Hinblick auf die Sommerspiele in Tokio scheinen nun Kevin Geniets (Groupama), Alex Kirsch (Trek) und Jempy Drucker (Cofidis) die besten Karten zu haben. Drucker und Kirsch hoffen zudem noch auf eine Nominierung für das Tour-de-France-Aufgebot ihrer Mannschaft. Gestern veröffentlichte Cofidis schon mal sechs der acht Namen (Simon Geschke, Guillaume Martin, Christophe Laporte, Jesus Herrada, Anthony Perez, Pierre-Luc Périchon), die für den Grand Départ in acht Tagen in der Bretagne planen können. Drucker muss sich noch gedulden. Mit dem Meistertitel würde er ein gehöriges Argument liefern. Das gilt auch für Kirsch.
Ansonsten droht genau wie 2019 eine Frankreich-Rundfahrt ohne Luxemburger Teilnehmer.