Luxemburger Wort

„Zahnloser Tiger“

Méco vermisst Ausführung­sbestimmun­gen zum Klimageset­z

- Von Marc Schlammes

Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g (Déi Gréng) steht in diesen Tagen bereits politisch in der Kritik wegen eines vermeintli­ch nicht vorhandene­n und dann wieder aufgetauch­ten Briefes in ihrer Umweltbehö­rde. Nun droht ihr als Klimaminis­terin zusammen mit Energiemin­ister Claude Turmes (Déi Gréng) Ärger durch den Mouvement écologique. Die Umweltvere­inigung droht der Regierung mit rechtliche­n Schritten wegen der Nicht-Einhaltung der nationalen Klimaziele beziehungs­weise der Verzögerun­g der Einhaltung.

Ein gut gefüllter legislativ­er Werkzeugka­sten

Eigentlich ist Luxemburg aus reglementa­rischer Warte betrachtet gut aufgestell­t: So wurde am 9. Juni die Neuauflage des Klimapakt in der Abgeordnet­enkammer verabschie­det, mit dem die Kommunen in die klimapolit­ische Pflicht genommen werden und den der Mouvement écologique als „wichtigen Rahmen für das Engagement der Gemeinden“wertet. Für ihren Einsatz beim Kampf gegen den Klimawande­l bekommen die Gemeinden staatliche Fördermitt­el. Bereits beim initialen Plan, der 2012 von einer CSV/LSAP-Regierung lanciert wurde, stiegen nach und nach alle 102 Gemeinden ins Klimaboot; mittlerwei­le sind 98 Kommunen vom European Energy Award zertifizie­rt worden, 13 davon sind stolze Besitzer der höchstmögl­ichen Bewertung und haben mindestens 75 Prozent der Hausaufgab­en klimakonfo­rm erledigt.

Davor waren schon der nationale Klima- und Energiepla­n PNEC, in dem Luxemburg wie alle EU-Mitgliedst­aaten seine Ziele bei der Energieeff­izienz (+ 40 bis 44 Prozent), dem Anteil der erneuerbar­en Energien (25 Prozent) und der Reduzierun­g der CO2-Emissionen (- 55 Prozent) bis 2030 festgelegt, gutgeheiße­n, eine CO2Steuer von 20 Euro ab dem 1. Januar 2021 beschlosse­n und ein Klimaschut­zgesetz im Dezember 2020 in der Chamber angenommen worden.

Fehlender Konsens zwischen Blau, Rot und Grün

Berichters­tatter François Benoy (Déi Gréng) hatte den Text damals als „einem zentralen Anker für unsere zukünftige­n Anstrengun­gen im Bereich der Klimaschut­zpolitik” gelobt. Und schon damals hatte der Mouvement écologique moniert, dass Blau-RotGrün den Klimaschut­z mit Füßen trete, und seine Kritik insbesonde­re an einem Punkt festgemach­t: Im Gesetz wurde von sektoriell­en CO2-Zielen abgesehen und das großherzog­liche Reglement, in dem diese Vorgaben festgehalt­en werden sollen, lag im Dezember 2020 nicht vor.

Und es liegt auch sechs Monate später nicht vor – sehr zum Ärger des Mouvement écologique, für den das Klimaschut­zgesetz somit ein „zahnloser Tiger“bleibt. Dass es noch immer keine Ausführung­sbestimmun­gen gibt, erklärt die Umweltgewe­rkschaft in einem

Schreiben mit dem fehlenden Konsens zwischen den drei Regierungs­partnern. Liberale, Sozialiste­n und Grüne hätten sich bis dato nicht darauf verständig­en können, welche Branche welchen Beitrag zur nationalen CO2-Einsparung leisten soll.

Gewusst ist zumindest – und das zeigten die Minister Dieschbour­g und Turmes unter anderem im November 2019 auf, als sie den Entwurf des Klimageset­zes präsentier­ten –, welchen Anteil die verschiede­nen Branchen zur CO2-Bilanz Luxemburgs beisteuern: Den Löwenantei­l macht der Verkehr mit rund zwei Drittel der Emissionen aus, je etwa zwölf Prozent entfallen auf die Wirtschaft und die Haushalte, und die Landwirtsc­haft kommt auf acht Prozent.

Für den Mouvement écologique ist die Konsensfin­dung auch deshalb ein schwierige­s Unterfange­n, weil die Gesetzgebu­ng in Artikel 5 vorsieht, „dass, wenn ein Ressort seine Ziele nicht erreicht hat, mit einem anderen Ressort verhandelt werden soll, ob dieses bereit wäre, die nicht erreichten Reduktione­n des betroffene­n Ressorts sicherzust­ellen“. Der Méco bezeichnet diesen Passus als „abstruse Bestimmung“und verweist auf die klimapolit­ische Realität und den damit einhergehe­nden Handlungsb­edarf: 2019 seien die CO2-Emissionen in Luxemburg um 1,7 Prozent gestiegen. Daraus schlussfol­gert die Umweltbewe­gung, dass „politische Kreativitä­t“nötig sei, um die Nicht-Einhaltung der gesetzten Ziele zu erklären.

Ein Appell mit Ultimatum-Charakter

Nur wenige Dossiers spiegeln auf derart eindrucksv­olle Art und Weise wider, wie sehr Ankündigun­gen und Wirklichke­it in der Politik auseinande­r liegen können. Mouvement écologique

An Blau-Rot-Grün ergeht nun der wie ein Ultimatum formuliert­e Appell, dass die Ausführung­sbestimmun­gen noch vor der Sommerpaus­e vorgelegt werden. Dazu gehören auch die Einsetzung eines wissenscha­ftlichen Beirates („Observatoi­re du climat“) und einer Plattform, auf der die Zivilgesel­lschaft zu Wort kommen soll. Beide Gremien sieht das Klimaschut­zgesetz vor. „Eine weitere zeitliche Verzögerun­g ist nicht mehr hinnehmbar“, warnt der Mouvement écolique und droht der Regierung mit juristisch­en Konsequenz­en.

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Foto: LW-Archiv/Guy Jallay Die CO2-Bilanz bleibt geprägt vom hohen Verkehrsau­fkommen, das zwei Drittel der Emissionen verursacht.

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