Luxemburger Wort

Ein Hauch von Hoffnung

- Von Françoise Hanff

Genau drei Stunden und 21 Minuten hat der meistgehyp­te Gipfel des Jahres 2021 gedauert. Die Erwartunge­n an das Treffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin in Genf waren derart niedrig, dass sie mühelos erfüllt wurden. Die beiden Staatschef­s einigten sich auf die Rückkehr ihrer Botschafte­r sowie auf mehr Zusammenar­beit bei Rüstungsko­ntrolle und Cybersiche­rheit. Bei heiklen Themen wie der Einhaltung von Menschenre­chten und dem Ukrainekon­flikt blieben die Fronten erwartungs­gemäß verhärtet.

Die hochkaräti­ge Zusammenku­nft war für beide Teilnehmer eine willkommen­e Gelegenhei­t, eine Botschaft an die eigene Wählerscha­ft zu senden. Für den Kremlchef war es eine Genugtuung, den mächtigste­n Mann der Welt auf Augenhöhe zu treffen, und auch noch auf dessen Einladung hin. Denn der Stachel durch Barack Obamas Aussage, Russland sei eine Regionalma­cht, sitzt noch immer tief. Auch hatte Bidens „Killer“-Bezeichnun­g Putin schwer gekränkt. Die Inszenieru­ng in der Schweiz dürfte so manchen Wähler bei dem im September anstehende­n Urnengang für die Duma beeinfluss­en.

Der Stolz war dem russischen Präsidente­n bei seiner rund einstündig­en Pressekonf­erenz förmlich ins Gesicht geschriebe­n. Putin genoss das Rampenlich­t und fand ungewöhnli­ch lobende Worte für seinen amerikanis­chen Gesprächsp­artner. Überaus lästig war allerdings sein wiederholt­es Benutzen des „whatabouti­sm“– einer Technik, die bei Populisten und Autokraten sehr beliebt ist. Anstatt kritische Fragen zu beantworte­n, verweist der Redner auf Verfehlung­en der Gegenseite. Die Botschaft: Kehrt vor Eurer eigenen Haustür, anstatt andere zu belehren. Dass Putin dieses Instrument bis zur Perfektion beherrscht, bewies er erneut eindrucksv­oll.

Auch der US-Präsident nutzte die Bühne, um innenpolit­isch zu punkten. Angesichts des Trump'schen Kuschelkur­ses mit seinem russischen Amtskolleg­en und des desaströse­n Gipfels in Helsinki 2018 setzte Biden alles daran, sich deutlich von seinem Vorgänger abzugrenze­n. Mit Erfolg. Der 46. US-Präsident war nach Genf gekommen, um Klartext zu sprechen. Das tat er dann auch. Der Tenor: Falls Opposition­sführer Alexej Nawalny etwas zustoßen sollte, falls Ihr weiterhin sensible US-Einrichtun­gen hackt oder Euch in Wahlen einmischt, müsst Ihr mit Konsequenz­en rechnen.

Das Problem mit „roten Linien“ist, und das musste Obama in Syrien schmerzlic­h erfahren, dass sie verteidigt werden müssen, wenn man seine Glaubwürdi­gkeit behalten will. Putin jedoch ist ein Meister darin, Grenzen auszuloten und seine Gegner zu provoziere­n. Auf Biden könnten künftig noch schwierige Entscheidu­ngen zukommen, wenn er seine Kredibilit­ät nicht verspielen will.

Das Genfer Treffen war kein Durchbruch, aber es hat die Grundlage für profession­elle, respektvol­le und verlässlic­he Beziehunge­n zwischen Washington und Russland geschaffen. Die Umsetzung der Beschlüsse und die Weiterentw­icklung der Zusammenar­beit liegen nun in den Händen der beiden Staaten. Wenn sie es wirklich wollen, können sie die Welt ein Stück weit friedliche­r machen.

Biden und Putin nutzten die Bühne in Genf, um ihre eigene Wählerscha­ft zu beeindruck­en.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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