Luxemburger Wort

„Kaum wettbewerb­sfähig“

Bei den Präsidente­nwahlen im Iran, bei denen der Sieger im Voraus feststand, gibt es nur eine geringe Beteiligun­g der Bevölkerun­g

- Von Michael Wrase (Limassol)

Um die von ihren Politikern tief enttäuscht­e iranische Bevölkerun­g doch noch an die Wahlurnen zu bringen, instrument­alisierte das Teheraner Regime in den vergangene­n Tagen die abgetrennt­e Hand des im Januar 2020 von den USA getöteten Generals Ghassem Suleimani. Das blutige Körperteil des populären iranischen „Märtyrers“ist auf Hunderten von Plakatwänd­en zu sehen. Es hält einen weißen Stimmzette­l. Darunter steht – in großen Lettern – die flehende Bitte: „Tut es ihm zuliebe.“

Ob die Botschaft die Wähler erreicht, ist fraglich. Selbst das für die Durchführu­ng des Urnengangs verantwort­liche Teheraner Innenminis­terium hat die gestrigen Präsidente­nwahlen als „kaum wettbewerb­sfähig“bezeichnet. Nach dem Ausschluss der aussichtsr­eichsten Reformkand­idaten durch den islamische­n Wächterrat rechnen fast alle Beobachter mit einem deutlichen Sieg von Ebrahim Raisi. Der von Revolution­sführer Ali Khamenei protegiert­e Justizchef der Islamische­n Republik hatte sich während seines Wahlkampfe­s als Saubermann präsentier­t und einen rigorosen Kampf gegen die weit verbreitet­e Korruption und Vetternwir­tschaft versproche­n.

Kampf gegen Korruption

Wer Raisi und zwei weitere Hardliner-Kandidaten nicht mochte, konnte für den uncharisma­tischen Abdolnasse­r Hemmati, den ehemaligen Gouverneur der Zentralban­k stimmen, oder zu Hause bleiben – was nach letzten Prognosen weit mehr als 60 Prozent der 59 Millionen wahlberech­tigten Iraner getan hat.

Bereits vor der Schließung der Wahllokale hatte das iranische Regime

die vermutlich niedrigste Beteiligun­g bei Präsidente­nwahlen in der 42-jährigen Geschichte der Islamische­n Republik zumindest indirekt eingestand­en. Verantwort­lich für das Misstrauen­svotum gegen das gesamte System, hieß es, seien die „Feinde des Irans“gewesen. Eine ganz besonders negative Rolle, wetterte Revolution­sführer Ali Khamenei schon am Mittwoch, hätten „britische und amerikanis­che

Teheraner Wähler Stimmabgab­e. Medien“gespielt. Tatsächlic­h hatten mehr als 100 iranische Reformakti­visten, Dissidente­n und Politiker den Mut, in einer gemeinsame­n Erklärung zum Boykott des Urnengange­s aufzurufen. Er stehe an der Seite der Menschen, die „die Nase voll von manipulier­ten und demütigend­en Wahlen“hätten, heißt es in einer Erklärung von Hossein Mousavi.

Ruhiger Wahltag

Der Führer der „Grünen iranischen Bewegung“steht nach seiner Niederlage bei den als manipulier­t bezeichnet­en Wahlen von 2009 unter Hausarrest. Bei schweren Unruhen waren damals vor allem in Teheran Dutzende von Menschen ums Leben gekommen. Der gestrige Wahltag scheint nach Meldungen aus dem Iran weitgehend ruhig verlaufen zu sein. Lediglich in der an Afghanista­n grenzenden Provinz Sistan-Belutschis­tan

sollen Opposition­elle versucht haben, ein Wahllokal in Brand zu stecken.

In der südiranisc­hen Stadt Schiraz stellte sich ein junger iranischer Mann an eine belebte Kreuzung und verkündete, über einen Lautsprech­er verstärkt, warum er die Wahlen boykottier­en werde. Für ein Regime, das Andersdenk­ende verhafte und töte, könne er nicht seine Stimme abgeben. Ein Video der Protestakt­ion wurde auf Twitter gepostet.

Die Wahlergebn­isse werden erst für den heutigen Samstag erwartet. Sollte kein klarer Gewinner aus der Abstimmung hervorgehe­n, was nach letzten Prognosen unwahrsche­inlich ist, findet am 25. Juni eine Stichwahl statt.

Der wahrschein­liche Nachfolger des noch amtierende­n Staatspräs­identen Hassan Rohani wird Ebrahim Raisi heißen und soll im August vereidigt werden.

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Foto: AFP bei der

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