„Kaum wettbewerbsfähig“
Bei den Präsidentenwahlen im Iran, bei denen der Sieger im Voraus feststand, gibt es nur eine geringe Beteiligung der Bevölkerung
Um die von ihren Politikern tief enttäuschte iranische Bevölkerung doch noch an die Wahlurnen zu bringen, instrumentalisierte das Teheraner Regime in den vergangenen Tagen die abgetrennte Hand des im Januar 2020 von den USA getöteten Generals Ghassem Suleimani. Das blutige Körperteil des populären iranischen „Märtyrers“ist auf Hunderten von Plakatwänden zu sehen. Es hält einen weißen Stimmzettel. Darunter steht – in großen Lettern – die flehende Bitte: „Tut es ihm zuliebe.“
Ob die Botschaft die Wähler erreicht, ist fraglich. Selbst das für die Durchführung des Urnengangs verantwortliche Teheraner Innenministerium hat die gestrigen Präsidentenwahlen als „kaum wettbewerbsfähig“bezeichnet. Nach dem Ausschluss der aussichtsreichsten Reformkandidaten durch den islamischen Wächterrat rechnen fast alle Beobachter mit einem deutlichen Sieg von Ebrahim Raisi. Der von Revolutionsführer Ali Khamenei protegierte Justizchef der Islamischen Republik hatte sich während seines Wahlkampfes als Saubermann präsentiert und einen rigorosen Kampf gegen die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft versprochen.
Kampf gegen Korruption
Wer Raisi und zwei weitere Hardliner-Kandidaten nicht mochte, konnte für den uncharismatischen Abdolnasser Hemmati, den ehemaligen Gouverneur der Zentralbank stimmen, oder zu Hause bleiben – was nach letzten Prognosen weit mehr als 60 Prozent der 59 Millionen wahlberechtigten Iraner getan hat.
Bereits vor der Schließung der Wahllokale hatte das iranische Regime
die vermutlich niedrigste Beteiligung bei Präsidentenwahlen in der 42-jährigen Geschichte der Islamischen Republik zumindest indirekt eingestanden. Verantwortlich für das Misstrauensvotum gegen das gesamte System, hieß es, seien die „Feinde des Irans“gewesen. Eine ganz besonders negative Rolle, wetterte Revolutionsführer Ali Khamenei schon am Mittwoch, hätten „britische und amerikanische
Teheraner Wähler Stimmabgabe. Medien“gespielt. Tatsächlich hatten mehr als 100 iranische Reformaktivisten, Dissidenten und Politiker den Mut, in einer gemeinsamen Erklärung zum Boykott des Urnenganges aufzurufen. Er stehe an der Seite der Menschen, die „die Nase voll von manipulierten und demütigenden Wahlen“hätten, heißt es in einer Erklärung von Hossein Mousavi.
Ruhiger Wahltag
Der Führer der „Grünen iranischen Bewegung“steht nach seiner Niederlage bei den als manipuliert bezeichneten Wahlen von 2009 unter Hausarrest. Bei schweren Unruhen waren damals vor allem in Teheran Dutzende von Menschen ums Leben gekommen. Der gestrige Wahltag scheint nach Meldungen aus dem Iran weitgehend ruhig verlaufen zu sein. Lediglich in der an Afghanistan grenzenden Provinz Sistan-Belutschistan
sollen Oppositionelle versucht haben, ein Wahllokal in Brand zu stecken.
In der südiranischen Stadt Schiraz stellte sich ein junger iranischer Mann an eine belebte Kreuzung und verkündete, über einen Lautsprecher verstärkt, warum er die Wahlen boykottieren werde. Für ein Regime, das Andersdenkende verhafte und töte, könne er nicht seine Stimme abgeben. Ein Video der Protestaktion wurde auf Twitter gepostet.
Die Wahlergebnisse werden erst für den heutigen Samstag erwartet. Sollte kein klarer Gewinner aus der Abstimmung hervorgehen, was nach letzten Prognosen unwahrscheinlich ist, findet am 25. Juni eine Stichwahl statt.
Der wahrscheinliche Nachfolger des noch amtierenden Staatspräsidenten Hassan Rohani wird Ebrahim Raisi heißen und soll im August vereidigt werden.