Das Post-Corona-Schuljahr
Über die Vor- und Nachteile einer Wiederholung des verkorksten Jahres
Am 9. Juni 2021 gab es im Parlament eine Aktualitätsstunde zur Problematik des Schulanfangs im Herbst 2021. Ausgangspunkt war die Feststellung einer Politikerin, es werde „kein einfaches Back to normal geben“. Daraufhin präsentierten die Politiker verschiedenster Couleur ihre Vorstellungen von den Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um bei den Schülern die Lernrückstände des verkorksten Corona-Schuljahres 2020-2021 aufzuholen. Dabei kamen die vielfältigsten Vorschläge zur Diskussion, Nur, siehe da, der Hauptverantwortliche, Erziehungsminister Meisch, geht von einer „entspannten Situation“in den Schulen im Herbst aus.
Wir müssen uns trotzdem auf ein Chaos von Maßnahmen gefasst halten, mit denen sich die Betroffenen herumschlagen müssen, abgesehen von den Kosten, die das alles verursachen wird.
Demzufolge möchte ich hier einen Vorschlag machen, der radikal und einfach ist, weil er nur ein Minimum an Kosten, an begleitenden Maßnahmen und nachteiligen Konsequenzen nach sich zieht: ich wäre dafür, dass sämtliche Schüler sämtlicher Klassen von sämtlichen Schulen, angefangen von den Erstklässlern bis zu den Abiturienten, das Schuljahr 2020-2021 vollständig wiederholen! Ich möchte hierzu gleich bemerken, dass es dabei nicht um ein kollektives Sitzenbleiben geht. Alle
sollen eine zusätzliche Chance bekommen, ihre coronabedingten Defizite aufzuarbeiten. Von vorneherein sei festgehalten, dass diese Maßnahme nur einen einzigen größeren Nachteil für die Schüler der betroffenen 13 Jahrgänge bedeutet: sie steigen alle ein Jahr später ins Berufsleben ein.
Die vorläufigen Vorteile liegen jedenfalls auf der Hand:
Der Schulanfang im Herbst 2021 wird – mit der neuen Maßnahme – ohne besondere Vorkehrungen über die Bühne gehen. Schon rein organisatorisch gibt es den Vorteil, dass die Stundenpläne sowohl für Klassen wie für Lehrer unverändert übernommen werden können. Jeder Schüler entdeckt dann ganz gelassen und entspannt im Laufe des Jahres, wo seine Schwächen liegen ... und arbeitet sie Schritt für Schritt im Klassenverband auf.
Die Besten der Klasse werden durch die Vertiefung des Stoffes zu Höchstleistungen auflaufen, während die Schwachen es schaffen, zu dem Niveau aufzuschließen, das dem Standard der Klasse entspricht. Den Schülern wird wieder Freude am Lernen vermittelt. Denn Erfolg motiviert! Und vielen Schülern wird die Erfahrung erspart, abgehängt worden zu sein.
Für die Politik bedeutet die Wiederholung des Schuljahres ebenfalls eine Entlastung: es sind keine besonderen Maßnahmen erfordert. Einzig und allein ein logistisches Problem ergibt sich für die
Gemeinden: Wohin mit den Erstklässlern des Jahrgangs 2021-2022? Für die Sekundarschulen allerdings erübrigt sich das Problem, weil keine neuen Kandidaten aus den Grundschulen nachrücken.
Finanziell wäre die Maßnahme für die Familien der Schüler von Vorteil, weil sie keine neuen Bücher für das kommende Schuljahr kaufen müssten. Daraus ergibt sich allerdings auch, wer die Leidtragenden wären: die Buchhändler, weil ihnen damit die wichtigste Einnahmequelle des Jahres abhanden käme. Wenn es demnach unter ihnen verschiedentlich finanzielle Einbußen gäbe, wäre natürlich der Staat gefordert.
Nico Thewes, Luxemburg