Tanzen und Feiern erlaubt
Zum ersten Mal seit März 2020 dürfen Clubs wieder öffnen – ein erster Stimmungsbericht
„Technik, Licht, Air Conditioning - wir haben in der Woche sehr viel Zeit damit verbracht, erst einmal zu testen, ob alles noch funktioniert. Im Keller hat es sich dabei schon komisch angefühlt. Es war ein wenig, als ob die Zeit stehen geblieben wäre.“Marc Grandjean ist der Betreiber des Apoteca in Luxemburg, ein weit über die Stadt bekannter Club. Er hat sich auf einen Barhocker an den Tresen gesetzt. Noch ist am Freitagnachmittag nicht viel los, aber am Abend wird der Club das erste Mal seit März 2020 wieder die Türe für Besucher öffnen. „Wir spüren schon, dass die Menschen in Feierlust sind, und wir sind auch wahnsinnig froh darüber. Dennoch bin ich etwas gespalten, weil man nicht weiß, wie sich das entwickeln wird. Ich bin froh, wenn es Montag ist und eine erste Bilanz ziehen kann.“
Im Laufe der Woche war das Interesse an der Wiedereröffnung ungebrochen groß. „Wir hatten auf jeden Fall viele Anfragen, viele Anrufe“, sagt er. Etwas wird allerdings anders ablaufen als in der Vergangenheit. „Apoteca ist in der Stadt zentral gelegen, um uns herum sind viele Cafés und Restaurants. Wir waren vor Corona immer bis sechs Uhr geöffnet. Wenn die Nachbarn gegen zwei oder drei Uhr ihre Türe geschlossen haben, sind die Gäste, die bis in die frühen Morgenstunden feiern wollten, quasi automatisch bei uns gelandet. Diesen Zeitunterschied gibt es nun nicht mehr.“Es brauche jetzt eine gewisse Einlaufphase; bis zum 15. Juli sind die Öffnungszeiten auf 3 Uhr in der Frühe begrenzt. „Das ist nun mal eine erste Phase, um alles wieder ins Rollen zu bringen“, sagt er.
„Wahnsinnig viele Anfragen“
Kurz vor der Wiedereröffnung am Freitag haben wir auch mit Nico Heinen, Geschäftsführer des Hitch, gesprochen. „Wir freuen uns, endlich wieder Gastgeber sein zu dürfen. Es gibt wahnsinnig viele Anfragen, dadurch sind wir natürlich auch schon am Wochenende ausgebucht. Die Leute scheinen wirklich heiß darauf zu sein!“
Völlig unbeschränkt feiern können die Partygäste aber noch nicht; das Coronavirus ist schließlich noch immer da. Deshalb ist in den Clubs und Diskotheken vorerst auch eine Kapazitätsbeschränkung von 300 Menschen vorgeschrieben; Voraussetzung für den Einlass ist auch ein negativer Coronatest oder Impfbeweis. „Damit kommen wir für den Anfang aber gut klar. Das ist besser als nichts.“Die Wiedereröffnung sei für ihn keine große Umstellung. „Wir haben das gleiche Personal fürs Restaurant und den Club, so dass wir die Mitarbeiter auch vorher schon immer wieder aktiviert haben. Die sind schon gut im Takt“, meint er. „Natürlich gibt es jetzt wieder die längeren Stunden, man muss sich daran gewöhnen, dass man weniger schläft.“
Finanziell hielt sich der Club laut Manager Heinen mit Finanzhilfen über Wasser – „eine große Hilfe“, sagt er. Wie es in diesem Bereich
nun weiter gehen soll, weiß er nicht genau. „Wir haben uns darüber noch keine Gedanken gemacht, weil es jetzt wieder los geht, aber natürlich werden wir uns das genauer anschauen, wenn es soweit kommt.“Denn: Auch wenn die Durststrecke langsam zu Ende geht, wird man nicht an die Umsätze vor Corona herankommen. Es sei daher wichtig, dass es auch für die kommende Anlaufphase weiter Unterstützung von der Regierung gibt: „Es wird nicht sofort von Null auf Hundert gehen.“
Arbeitskräfte fehlen
Auch Marcello Ranieri, Manager des Gotham, schwankt indessen zwischen Freude, Hoffnung und Ungewissheit. Ihm sei klar: Die Öffnungserlaubnis für Clubs könnte je nach Infektionsgeschehen auch ganz schnell wieder zurückgenommen werden. Es könne in den nächsten Monaten noch viel passieren. „Es wäre nichts schlimmer, wenn wir jetzt über den Sommer Öffnungsmaßnahmen bekommen, die Clubs aufmachen und im Herbst wieder alles schließen müssen.“Fest steht, dass die Hygienemaßnahmen im Blick behalten und die Kontrollen am Eingang strengstens durchgeführt werden müssen.
Derzeit gebe es noch „eine Menge Stress“, sagt er vor der Wiedereröffnung des Clubs am Freitag. „Wir waren anderthalb Jahre geschlossen, da ist es nur logisch, dass wir fast kein Personal mehr haben. Wir hatten eigentlich mit einer Wiedereröffnung im September gerechnet. Also mussten wir schnell die verbleibenden Mitarbeiter zusammenbringen und Personal einstellen.“Die Wiedereröffnung nach langen Monaten des Lockdowns stellt viele Clubbetreiber in Luxemburg
vor ein neues Problem: Etlichen Clubs und Diskotheken fehlen Arbeitskräfte. „Von den 40 Mitarbeitern, die wir beschäftigten, sind etwa sieben übrig geblieben“, bedauert der Manager. Wie viele andere Clubs ist er auf Extras, Studierende und Minijobber angewiesen. „Von den Studenten sind viele abgesprungen, haben ihr Studium beendet und mittlerweile einen Job gefunden.“Wegen der unklaren Perspektive habe sich auch ein nicht unerheblicher Teil der Mitarbeiter in andere Beschäftigungsbereiche verlagert. Zudem hätten in der Krise viele auch die Vorteile eines geregelten Arbeitstages ohne Wochenendarbeit zu schätzen gelernt. „Wir versuchen deshalb gerade, einige Leute einzustellen. Das sind meist Aushilfskräfte, keine Profis. Die müssen innerhalb kürzester Zeit angelernt werden.“
Nicht nur in den Clubs und Diskotheken sind die Arbeitskräfte erstmal weg. „Auch Hotels und Gaststätten klagen über zu wenig Arbeitskräfte“, stellt Marc Grandjean fest. Die ganze Branche stehe vor einem strukturellen Zukunftsproblem. „Viele ausländische Arbeitskräfte sind wieder zurück in ihre alte Heimat, zu ihrer Familie und wollen nicht zurückkommen.“Er habe schon Verständnis dafür, dass sich „Mitarbeiter in der Corona-Krise nach Alternativen umgeschaut haben.“Er selbst schätzt sich derzeit aber glücklich: „Ich habe mich nicht vom ehemaligen Team getrennt. Das ist in der jetzigen Situation schon mal eine Hilfe.“