Luxemburger Wort

„Alle Schulen sind mir gleich wichtig“

Die Schulschöf­fin der Hauptstadt, Colette Mart, setzt sich für mehr soziale Mischung ein

- Interview: David Thinnes

Die Diskussion­en um die Schulfusio­nen im Bahnhofsvi­ertel der Hauptstadt haben mit der Abstimmung im gestrigen Gemeindera­t vorerst ihren Abschluss gefunden. Majorität, LSAP und Déi Gréng stimmten dafür, Déi Lénk dagegen, Roy Reding (ADR) war abwesend. Schulschöf­fin Colette Mart (DP) blickt auf die aufgeladen­en Diskussion­en zurück und wirft auch einen Blick nach vorne.

Colette Mart, die Schulorgan­isation im Bahnhofsvi­ertel und die angedachte Fusion, die nun nicht sofort durchgefüh­rt wird, hat für viele Diskussion­en gesorgt. Waren Sie überrascht von der Heftigkeit der Gespräche?

Ich habe die Schulorgan­isation nun zum zehnten Mal als Schöffin begleitet. Noch nie gab es solch ein großes Interesse. Vor allem gestört hat mich, dass durch die Argumente, um in der Schule der Rue Michel Welter zu bleiben, die Schule in der Rue du Commerce stigmatisi­ert wurde. Mir sind alle Schulen gleich wichtig. Diese Aggressivi­tät in den Diskussion­en hatte es bislang noch nicht gegeben. Ich habe aber nie die Nerven verloren. Meine Bürotür stand immer offen. Ich denke nicht, dass der Weg in die Presse vonnöten war. Generell ist es rationelle­r, die Schulen zu gruppieren. Wir werden nun schauen, was die Beteiligte­n wollen und das Beste draus machen.

Die Fusion wurde verschoben. Wie geht es mit diesen Plänen weiter?

Wir werden im Schuljahr 2022/23 eine Fusion des Zyklus 1 durchführe­n. Diese Kinder können dann ihre gesamte Grundschul­zeit gemeinsam verbringen. In welchem Gebäude dies dann stattfinde­t, muss man schauen. Dieser Vorschlag kam vom Elternkomi­tee der Michel-WelterSchu­le.

Die Fürspreche­r gegen diese Fusion brachten zum Beispiel das Argument vor, dass sich der Schulweg erheblich verlängern und auch gefährlich­er werden würde. Nun gibt es aber das Konzept des Pedibus, das in zahlreiche­n Gemeinden erfolgreic­h angewandt wird. Wie ist die Situation in der Hauptstadt?

Das Konzept ist komplizier­t umzusetzen. Man muss die richtigen Personen, die vertrauens­würdig sind, rekrutiere­n. Das ist in einer großen Stadt wie in der

Hauptstadt schwierige­r als in anderen Dörfern oder Städten. Zur Rentrée führen wir den Pedibus auf dem Gebiet der Hauptstadt in Cents, Bonneweg und Belair für die Vorschulki­nder ein.

Das Wort Schultouri­smus fiel in den Diskussion­en häufig. Macht Ihnen dieses Phänomen Sorgen?

Das ist eigentlich nichts Neues, das hat es schon immer gegeben. Das Problem ist aber, dass es zu große Dimensione­n angenommen hat. Wir müssen hier eine Grenze setzen. Zum Beispiel werden in Belair Kinder in einem Privatfoye­r angemeldet und dürfen dann später auch dort zur Grundschul­e gehen. Außerdem kommen Kinder aus dem ganzen Land dorthin. Das ist nicht sinnvoll.

Nur 50 Prozent der Kinder in der Hauptstadt besuchen eine öffentlich­e Schule. Wie können die Verantwort­lichen der Hauptstadt die Vorteile ihres Systems anpreisen?

Wir müssen die Kinder in der öffentlich­en Schule halten. In diesem Sinne werden wir das Angebot stärker bewerben, um den Menschen, die nach Luxemburg kommen, alles zu erklären. Ohne diese Informatio­nen melden sie ihre Kinder eventuell direkt in einer Privatschu­le an. Aber die öffentlich­en Schulen machen auch sehr viele Sachen gut, wie zum Beispiel die spezifisch­en Hilfen.

Wie groß ist die Herausford­erung der sozialen Mischung?

Das Problem ist, dass diese Mischung in der Schule in der Rue de Commerce fehlt (20 Prozent der Schüler sind Luxemburge­r und von 126 sind 30 Flüchtling­skinder, Anmerkung der Redaktion). Die Statistike­n in dieser

Schule sind nicht gut und wenige Schüler schaffen den Sprung ins Lycée. Es kann aber auch sein, dass ein Schüler aus der Grundschul­e in Belair diesen Schritt nicht schafft. Wir wollen die soziale Kohäsion fördern. Im Bahnhofsvi­ertel wird viel gebaut und diese Wohnungen sind meistens sehr teuer. Dennoch wird es in diesem Viertel weiter Menschen geben, die einen sozial schwachen Hintergrun­d haben.

Die Vorschule in der Rue Adolphe Fischer soll durch ein neues Gebäude für eine Grundschul­e ersetzt werden. Die Opposition im Gemeindera­t zweifelte das Fertigstel­lungsdatum von 2028 an. Können Sie diesen Termin einhalten?

Ja, das können wir.

Wie werden die verschiede­nen Schulgebäu­de im Bahnhofsvi­ertel dann organisier­t?

Das ist noch nicht hundertpro­zentig geklärt. Es gibt Pläne, auf dem Areal der jetzigen Schule eine neue Schule zu bauen. Die Frage ist, ob das ehemalige Polizeikom­missariat abgerissen werden kann und dann zur Verfügung stehen wird. Dort könnte eine große Schule für das ganze Viertel gebaut werden. Sollte das Gebäude

in der Rue Michel Welter nicht mehr gebraucht werden, könnten wir dieses für einen anderen Zweck benutzen: Es gibt immer viele Anfragen von Vereinen für Versammlun­gsräume.

Im Bahnhofsvi­ertel entsteht mit „Nei Hollerich“ein neues Viertel mit voraussich­tlich 1 740 Wohneinhei­ten. Werden diese Kinder ebenfalls im Bahnhofsvi­ertel eingeschul­t?

Die Schule in der Rue du Commerce liegt ganz in der Nähe. Es wäre also logisch, dass diese Kinder dort zur Schule gehen. Außerdem gibt es noch die neue Grundschul­e in Hollerich, die 2017 eingeweiht wurde. Und auch das dortige, alte Gebäude ist noch gut. Wir können nicht alle hundert Meter eine neue Schule bauen.

Wir müssen die Kinder in der öffentlich­en Schule halten.

Der Schultouri­smus hat zu große Dimensione­n angenommen. Wir müssen hier eine Grenze setzen.

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Auf dem Gelände der Vorschule in der Rue Adolphe Fischer soll eine neue Grundschul­e entstehen.
Foto: Gerry Huberty Auf dem Gelände der Vorschule in der Rue Adolphe Fischer soll eine neue Grundschul­e entstehen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg