„Alle Schulen sind mir gleich wichtig“
Die Schulschöffin der Hauptstadt, Colette Mart, setzt sich für mehr soziale Mischung ein
Die Diskussionen um die Schulfusionen im Bahnhofsviertel der Hauptstadt haben mit der Abstimmung im gestrigen Gemeinderat vorerst ihren Abschluss gefunden. Majorität, LSAP und Déi Gréng stimmten dafür, Déi Lénk dagegen, Roy Reding (ADR) war abwesend. Schulschöffin Colette Mart (DP) blickt auf die aufgeladenen Diskussionen zurück und wirft auch einen Blick nach vorne.
Colette Mart, die Schulorganisation im Bahnhofsviertel und die angedachte Fusion, die nun nicht sofort durchgeführt wird, hat für viele Diskussionen gesorgt. Waren Sie überrascht von der Heftigkeit der Gespräche?
Ich habe die Schulorganisation nun zum zehnten Mal als Schöffin begleitet. Noch nie gab es solch ein großes Interesse. Vor allem gestört hat mich, dass durch die Argumente, um in der Schule der Rue Michel Welter zu bleiben, die Schule in der Rue du Commerce stigmatisiert wurde. Mir sind alle Schulen gleich wichtig. Diese Aggressivität in den Diskussionen hatte es bislang noch nicht gegeben. Ich habe aber nie die Nerven verloren. Meine Bürotür stand immer offen. Ich denke nicht, dass der Weg in die Presse vonnöten war. Generell ist es rationeller, die Schulen zu gruppieren. Wir werden nun schauen, was die Beteiligten wollen und das Beste draus machen.
Die Fusion wurde verschoben. Wie geht es mit diesen Plänen weiter?
Wir werden im Schuljahr 2022/23 eine Fusion des Zyklus 1 durchführen. Diese Kinder können dann ihre gesamte Grundschulzeit gemeinsam verbringen. In welchem Gebäude dies dann stattfindet, muss man schauen. Dieser Vorschlag kam vom Elternkomitee der Michel-WelterSchule.
Die Fürsprecher gegen diese Fusion brachten zum Beispiel das Argument vor, dass sich der Schulweg erheblich verlängern und auch gefährlicher werden würde. Nun gibt es aber das Konzept des Pedibus, das in zahlreichen Gemeinden erfolgreich angewandt wird. Wie ist die Situation in der Hauptstadt?
Das Konzept ist kompliziert umzusetzen. Man muss die richtigen Personen, die vertrauenswürdig sind, rekrutieren. Das ist in einer großen Stadt wie in der
Hauptstadt schwieriger als in anderen Dörfern oder Städten. Zur Rentrée führen wir den Pedibus auf dem Gebiet der Hauptstadt in Cents, Bonneweg und Belair für die Vorschulkinder ein.
Das Wort Schultourismus fiel in den Diskussionen häufig. Macht Ihnen dieses Phänomen Sorgen?
Das ist eigentlich nichts Neues, das hat es schon immer gegeben. Das Problem ist aber, dass es zu große Dimensionen angenommen hat. Wir müssen hier eine Grenze setzen. Zum Beispiel werden in Belair Kinder in einem Privatfoyer angemeldet und dürfen dann später auch dort zur Grundschule gehen. Außerdem kommen Kinder aus dem ganzen Land dorthin. Das ist nicht sinnvoll.
Nur 50 Prozent der Kinder in der Hauptstadt besuchen eine öffentliche Schule. Wie können die Verantwortlichen der Hauptstadt die Vorteile ihres Systems anpreisen?
Wir müssen die Kinder in der öffentlichen Schule halten. In diesem Sinne werden wir das Angebot stärker bewerben, um den Menschen, die nach Luxemburg kommen, alles zu erklären. Ohne diese Informationen melden sie ihre Kinder eventuell direkt in einer Privatschule an. Aber die öffentlichen Schulen machen auch sehr viele Sachen gut, wie zum Beispiel die spezifischen Hilfen.
Wie groß ist die Herausforderung der sozialen Mischung?
Das Problem ist, dass diese Mischung in der Schule in der Rue de Commerce fehlt (20 Prozent der Schüler sind Luxemburger und von 126 sind 30 Flüchtlingskinder, Anmerkung der Redaktion). Die Statistiken in dieser
Schule sind nicht gut und wenige Schüler schaffen den Sprung ins Lycée. Es kann aber auch sein, dass ein Schüler aus der Grundschule in Belair diesen Schritt nicht schafft. Wir wollen die soziale Kohäsion fördern. Im Bahnhofsviertel wird viel gebaut und diese Wohnungen sind meistens sehr teuer. Dennoch wird es in diesem Viertel weiter Menschen geben, die einen sozial schwachen Hintergrund haben.
Die Vorschule in der Rue Adolphe Fischer soll durch ein neues Gebäude für eine Grundschule ersetzt werden. Die Opposition im Gemeinderat zweifelte das Fertigstellungsdatum von 2028 an. Können Sie diesen Termin einhalten?
Ja, das können wir.
Wie werden die verschiedenen Schulgebäude im Bahnhofsviertel dann organisiert?
Das ist noch nicht hundertprozentig geklärt. Es gibt Pläne, auf dem Areal der jetzigen Schule eine neue Schule zu bauen. Die Frage ist, ob das ehemalige Polizeikommissariat abgerissen werden kann und dann zur Verfügung stehen wird. Dort könnte eine große Schule für das ganze Viertel gebaut werden. Sollte das Gebäude
in der Rue Michel Welter nicht mehr gebraucht werden, könnten wir dieses für einen anderen Zweck benutzen: Es gibt immer viele Anfragen von Vereinen für Versammlungsräume.
Im Bahnhofsviertel entsteht mit „Nei Hollerich“ein neues Viertel mit voraussichtlich 1 740 Wohneinheiten. Werden diese Kinder ebenfalls im Bahnhofsviertel eingeschult?
Die Schule in der Rue du Commerce liegt ganz in der Nähe. Es wäre also logisch, dass diese Kinder dort zur Schule gehen. Außerdem gibt es noch die neue Grundschule in Hollerich, die 2017 eingeweiht wurde. Und auch das dortige, alte Gebäude ist noch gut. Wir können nicht alle hundert Meter eine neue Schule bauen.
Wir müssen die Kinder in der öffentlichen Schule halten.
Der Schultourismus hat zu große Dimensionen angenommen. Wir müssen hier eine Grenze setzen.