„Nur der Titel zählt“
Radprofi Kevin Geniets würde seine Zeit im Landesmeistertrikot nur zu gerne verlängern
„Es ist ein wunderschönes Trikot. Nur einer darf es tragen. Im Peloton ist man gut sichtbar. Man wird viel eher erkannt. Die Zahl der Anfeuerungsrufe der Fans steigt im Nationaltrikot exponentiell.“
Kevin Geniets (Groupama) ist auf den Geschmack gekommen. In den vergangenen zehn Monaten durfte der 24-Jährige das rot-weißblaue Landesmeistertrikot tragen. Als er im August 2020 den Topfavoriten Bob Jungels (Ag2r) im Straßenrennen düpierte, war dies sein erster Titelgewinn bei der Elite. Die Freude war riesig. Die hat sich bis heute nicht komplett gelegt. „Ich habe erlebt, wie es als Luxemburger Landesmeister ist. Es ist einfach ein tolles Gefühl“, schildert er. Geniets lebt in Frankreich. „Mit dem Trikot trage ich stets einen Teil der Heimat bei mir. Das macht mich stolz“, erklärt er.
Stärker in den Bergen
Nur zu gerne würde er am Sonntag nach knapp 150 Kilometern auf anspruchsvoller Strecke rund um Harlingen erneut ganz oben auf dem Podest stehen. Seine Worte sind unmissverständlich: „Landesmeisterschaften sind ein besonderer Wettkampf. Es zählt nur der Titel. Alle anderen Platzierungen sind unter dem Strich egal.“Der ältere Bruder von Basketballerin Mandy Geniets (T71) fügt hinzu: „Ich gehe an den Start, um zu gewinnen.“
Damit seine Zeit im Landesmeistertrikot am Sonntag noch nicht endet, hat er sich in den vergangenen Tagen im Großherzogtum vorbereitet. Vor allem zieht er eine Menge Selbstvertrauen aus seinem Abschneiden beim Critérium du Dauphiné. Rang 61 klingt nicht spektakulär, allerdings lohnt ein genauerer Blick auf die Resultate. Geniets, der noch nicht als Bergfahrer bekannt ist, schlug sich in den Anstiegen sehr tapfer. Rang 32 bei der Bergankunft in La Plagne war gut. Vor allem, da er keine Freiheiten genoss und am Start war, um Kapitän David Gaudu unter die Arme zu greifen.
Geniets bestätigt: „Auf den letzten Etappen war ich im Gebirge länger vorne dabei, als ich es erwartet hatte. Das freut mich. Und es stimmt mich optimistisch.“Er fügt hinzu: „Ich habe mich selber ein wenig überrascht – selbstverständlich im positiven Sinn.“Eine Erklärung hat er zudem parat: „Ich habe den Akzent im Training vermehrt auf die Berge gelegt. Ich werde auf diesem Terrain langsam besser. Es sind kleine Schritte nach vorne. Ich trainiere hart und es tut gut zu sehen, dass sich die Quälerei auszahlt. Es war meine
Kevin Geniets fühlt sich als nationaler Champion sichtlich wohl. erste Teilnahme am Critérium du Dauphiné. Auch Paris-Nice habe ich noch nie bestritten. Ich konnte mir nun ein Bild machen.“
In der zweiten Saisonhälfte sieht der Plan vor, dass Geniets die Spanien-Rundfahrt bestreitet – vielleicht gar im Trikot des Landesmeisters. Der Titelverteidiger stellt sich auf ein „hartes und taktisches Rennen“am Sonntag ein. Ihm gefällt der „ziemlich fordernde Parcours. Es wird keine Überraschungen geben. Der stärkste Fahrer wird letztendlich ganz oben auf dem Podium stehen. Das gefällt mir“.
Drei Wochen Höhentrainingslager
Über die härtesten Rivalen hat er sich auch schon so seine Gedanken gemacht: „Die beiden Trek-Segafredo-Fahrer (Alex Kirsch und Michel Ries) sind zu beachten. Es ist immer interessant zu zweit zu sein. Aber auch die anderen Profis sind gut in Form.“Nicht dabei ist Bob Jungels, der wegen muskulärer Beschwerden zu einer Zwangspause gezwungen wird und neben den Meisterschaften auch die Tour de France und die Olympischen Spiele auslassen muss.
Ob Geniets nun in Harlingen jubelt oder nicht, der Plan für die kommenden Wochen steht. Die Olympischen Spiele in Tokio, bei denen Luxemburg beim Straßenrennen
über zwei Startplätze verfügt, sollen es sein. „Ich kann nicht viel dazu sagen, außer dass ich motiviert bin und mich sehr über die Teilnahme freuen würde“, sagt er. Die Nominierung des FSCL-Duos soll im Anschluss an das Meisterschaftsrennen erfolgen.
Geniets verrät: „Ich mache anschließend eine Woche Pause, dann gehe ich für drei Wochen ins Höhentrainingslager, um mich gezielt vorzubereiten. Olympia ist eine vielleicht einmalige Chance. Ich wäre gerne dabei.“
Dort würde er dann im Nationaltrikot starten. Das ist fast so schön, wie das des Landesmeisters.
Olympia ist eine vielleicht einmalige Chance. Ich wäre gerne dabei. Kevin Geniets