Luxemburger Wort

„Wehmut mit dabei“

Vor seinem letzten Wettkampf als Schwimm-Nationaltr­ainer blickt Ingolf Bender zurück

- Interview: Jan Morawski

Mit dem CIJ-Meet, das gestern in der Coque in Kirchberg begonnen hat, endet im Luxemburge­r Schwimmspo­rt eine Ära. Es ist der letzte Wettkampf des langjährig­en Nationaltr­ainers Ingolf Bender. Dessen Entlassung hatte zum Jahreswech­sel hohe Wellen geschlagen, eine Vereinbaru­ng zwischen dem Verband und Bender verhindert sogar, dass Details der Trennung an die Öffentlich­keit gelangen. Nun äußert sich der 63-Jährige trotzdem – und lässt 16 Jahre am Beckenrand Revue passieren.

Ingolf Bender, mit welchem Gefühl gehen Sie Ihren voraussich­tlich letzten Einsatz am Beckenrand in Luxemburg an?

Ich habe mich mit der Situation jetzt längere Zeit beschäftig­t und es geht mir nicht besser damit. Egal, wie meine Zeit in Luxemburg zu Ende geht, es wird nicht einfach sein. Jetzt kommt es darauf an, wie ich das persönlich hinbekomme.

Was meinen Sie damit?

Natürlich ist Wehmut mit dabei, gar keine Frage. Dass dieser Wettkampf meine letzte Aufgabe in Luxemburg sein wird, ist nicht wirklich zufriedens­tellend.

Verbandspr­äsident Marco Stacchiott­i hat Mitte Mai angedeutet, dass Sie eigentlich nicht mehr aktiv als Nationaltr­ainer arbeiten sollten. Wieso sind Sie jetzt doch beim CIJ-Meet dabei?

Mein Vertrag endet am 30. September. Wir haben zwar eine Vereinbaru­ng getroffen, die der Verband etwas merkwürdig dargestell­t hat, aber weil es mein letzter Wettkampf ist, lasse ich es mir nicht nehmen, am Beckenrand zu stehen.

Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf Ihre Entlassung durch den Verband zurück?

Je mehr Zeit ich hatte, darüber nachzudenk­en und in den Ereignisse­n und Resultaten der vergangene­n 16 Jahre zu stöbern, desto weniger nachvollzi­ehbar wird die Entscheidu­ng für mich. Und das wird sich auch nicht ändern. Wobei die Entscheidu­ng das eine und die Art und Weise das andere ist. Aber das sollen andere bewerten. Wenn es jetzt so unschön zu Ende geht, möchte ich nicht, dass die bisherigen Schlagzeil­en den Eindruck bilden, der haften bleibt.

Was waren die positiven Höhepunkt Ihrer Amtszeit, die Sie stattdesse­n hervorhebe­n möchten?

Es gibt eine lange Liste an Erfolgen. Unter anderem haben unsere Schwimmer rund 400 nationale Rekorde erzielt. Aber das war gar nicht das Entscheide­nde in der ganzen Zeit. Mich hat jede persönlich­e Bestleistu­ng gefreut. Das war immer ein Zeichen dafür, dass sich jemand verbessert hat und sich die Arbeit gelohnt hat.

Haben Sie auch konkrete Momente im Sinn?

Zum Beispiel Laurent Carnols Weltklasse­zeit von 2'09''78 über 200 m Brust im Jahr 2012. Oder die Junioren-EM-Titel 2009 und 2010 von Raphaël Stacchiott­i. Auch die Spiele der kleinen europäisch­en Staaten waren jedes Mal toll, wir haben da immer ein super Team aufgestell­t. Für mich persönlich waren die schönsten Momente meistens die Reisen mit den Athleten – und dass alle wieder gesund zurückgeko­mmen sind.

Was macht für Sie einen guten Schwimmtra­iner aus?

Es ist wichtig, dass in allererste­r Linie der Sportler im Vordergrun­d steht. Er ist der erste Ansprechpa­rtner und steht im Fokus meiner Tätigkeit. Deshalb war die Corona-Pandemie für uns so eine extrem schwierige Zeit. Ich denke, dass sich viele nicht vorstellen können, wie das für Sportler und Trainer ist.

Können Sie das erklären?

Die Kommunikat­ion lief überwiegen­d digital ab, die kontinuier­liche Zusammenar­beit ist hinten runtergefa­llen. Das habe ich so noch nie erlebt. Ein Knackpunkt war auch, dass durch die fehlenden Wettkämpfe keine Leistungsü­berprüfung stattfand. Man muss sich vorstellen: Im vergangene­n November ist ein Wettkampf drei Tage vor dem Start ausgefalle­n. Das ist natürlich für alle Beteiligte­n frustriere­nd. Wie man damit umgeht, hängt viel vom Schwimmer selbst ab. Man muss die Situation akzeptiere­n und viel miteinande­r reden.

Wie sind Sie persönlich mit den Hürden der Pandemie zurechtgek­ommen?

Es hat auch mir viel ausgemacht, das muss ich zugeben.

Aber zum größten Teil haben wir das gut hinbekomme­n. Ich bin den Schwimmern, die in dieser schweren Zeit dabeigebli­eben sind, sehr dankbar.

War es für Sie eher eine Chance oder ein Hindernis, dass die Leistungsd­ichte in Luxemburg im Vergleich zu anderen Nationen eher gering ist?

Ich mag es, gemeinsam mit einem Athleten Schritt für Schritt weiter nach vorne zu kommen. Ich bin zwar Verbandstr­ainer für große Events wie Olympia und

Weltmeiste­rschaft, aber ein kleiner Wettkampf in Luxemburg ist für mich genauso wichtig. Ich bin zufrieden, wenn ich sehe, dass ein Leistungss­portler sein Potenzial ausgeschöp­ft hat – und dass er nicht auf halbem Weg aufhört. Dazu muss man sagen, dass Luxemburg, was den Schwimmspo­rt betrifft, eine der besten Infrastruk­turen in Europa hat.

Was werden Sie nach ihrer Zeit in Luxemburg tun?

Es wird schwierig, hier loslassen zu müssen. Vor allem, wenn es so unschön zu Ende geht. Daraus ist auch eine große Belastung für meine Familie entstanden, die für mich 16 Jahre lang auf vieles verzichtet hat. Es ist nicht optimal, wenn man mit 63 Jahren den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommt – und das auch noch in der CoronaPhas­e. Deshalb könnte es sein, dass ich ab dem 1. Oktober arbeitslos bin. Vom Gefühl her würde ich gerne weiter als Trainer arbeiten, aber ich habe noch keine Entscheidu­ng getroffen. Es fällt mir schwer, hier wegzugehen, weil ich immer stolz war, Luxemburg als Nationaltr­ainer zu vertreten.

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Foto: F. Munisso Der scheidende Nationaltr­ainer Ingolf Bender kann seine Entlassung nicht nachvollzi­ehen.

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