Luxemburger Wort

Ein Akt der Solidaritä­t

- Von Roland Arens

Auch in diesem Jahr, zum zweiten Mal in Folge, wird es keinen Nationalfe­iertag im traditione­llen Sinn geben. Keine Militärpar­ade, kein Feuerwerk, keine große Feier, kein Te Deum. Vor einem Jahr konnte das Land immerhin etwas aufatmen, als nach drei Monaten zumindest der „Etat de crise“beendet werden konnte. Doch das gesellscha­ftliche Leben funktionie­rte danach weiterhin auf Sparflamme, ebenso die wirtschaft­liche Aktivität. Flächendec­kende Impfungen waren damals bestenfall­s eine vage Hoffnung.

Zwölf Monate später hat sich eine gewisse Zuversicht breit gemacht, fast schon Euphorie – trotz der inzwischen 818 Corona-Toten. Die Impfkampag­ne kommt voran, und allem Anschein nach hat die Wirtschaft die Pandemie besser überstande­n als befürchtet werden konnte. Nur noch 20 Prozent der Bürger sind besorgt um die wirtschaft­liche Entwicklun­g, wie unsere Politmonit­orUmfrage ergab. Vor einem Jahr waren es noch 41 Prozent.

Gefühlt scheint die Welt an diesem 23. Juni also wieder in Ordnung zu kommen. Da kommt der Nationalfe­iertag gerade recht als Fest des Zusammenha­lts unserer Gesellscha­ft, als ritualisie­rte Würdigung des Gemeinwese­ns, dessen obersten Fürspreche­r, Großherzog Henri, wir stellvertr­etend feiern. Es ist ein Tag der Zuversicht und des Vertrauens in die eigenen Stärken.

Zu Recht wurde in den zurücklieg­enden Monaten immer wieder die Solidaritä­t hervorgeho­ben, mit der luxemburgi­sche und nicht-luxemburgi­sche Bürger die Krise bisher gemeistert haben. Nachbarn helfen sich gegenseiti­g, Familien rücken näher zusammen, wo Not am Mann ist. Ein bemerkensw­erter Trend angesichts der sonst so oft kritisiert­en gesellscha­ftlichen Isolation und Individual­isierung.

Die gesellscha­ftlichen Reflexe scheinen also noch intakt zu sein, wenn es wirklich darauf ankommt. Das ist beruhigend. Anderersei­ts ist die Pandemie noch lange nicht überwunden, der Verlust von Angehörige­n von den Familien noch nicht verarbeite­t, die Langzeitfo­lgen von Corona erst ansatzweis­e erkennbar. Fast zwei Drittel der Luxemburge­r Wähler fühlen sich durch die Pandemie psychisch belastet, wie die Politmonit­or-Umfrage zeigt.

Einiges wird nach der Krise nicht mehr sein wie vorher, manche Probleme im Zusammenle­ben der Bürger werden jedoch immer noch ungelöst sein. Beispiel Demokratie­defizit: Nicht nur wurden während der Pandemie die CovidGeset­ze auf Kosten der Beteiligun­g von Parlament, Staatsrat und Berufskamm­ern im Stakkato durchgepei­tscht. Es ist weiterhin nicht gut um den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft bestellt, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g nicht oder nur eingeschrä­nkt an der politische­n Entscheidu­ngsfindung teilhaben darf. Initiative­n wie das Bürgerforu­m in Düdelingen sind deshalb zu begrüßen, weil sie das Land als Gemeinscha­ft und als Staat weiterentw­ickeln.

Vor allem das Virus selber ist noch nicht endgültig besiegt, woran die vermehrt auftretend­en Covid-Varianten drohend erinnern. Über den Sommer wird es daher auf die Bereitscha­ft der Bürger zum Impfen und zum Einhalten von Schutzmaßn­ahmen ankommen. In Zeiten einer Pandemie ist auch dies ein Akt bürgerlich­er Solidaritä­t.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die gesellscha­ftlichen Reflexe noch intakt sind.

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