Luxemburger Wort

Sorgenkind­er

Was der Politmonit­or an Erkenntnis­sen offenbart – eine Analyse

- Von Marc Schlammes

Das Ergebnis könnte schlechter ausfallen: Mehr als zwei Drittel der Politmonit­or-Befragten stellen Blau-Rot-Grün zur Hälfte der Legislatur­periode eine gute Note aus. Sogar jeder zweite CSV-Stammwähle­r ist mit der Arbeit von Bettel&Co zufrieden.

Um diese Bilanz in der zweiten Halbzeit zu verbessern, braucht die Regierung nun „bloß“die Sorgen ihrer Bürger zu berücksich­tigen – was theoretisc­h umso leichter fallen sollte, da es keine Zweifel gibt, um welche Sorgenkind­er es sich handelt: Mit weitem Abstand vor anderen Themen dominieren der Wohnungsba­u; Mobilität und Klimaschut­z räumen die Befragten ebenfalls eine große Bedeutung bei. Praktisch wird sich die Sache gewiss schwierige­r gestalten, denn auf allen drei Themenfeld­ern haben sich auch bereits Vorgängerr­egierungen, unter anderem Blau-Rot-Grün-I, schwer getan.

Déi Gréng: Vorlage vom Wähler

Wohnungsba­u, Mobilität, Klima: Dominieren tun drei Themen, für die Déi Gréng die politische Verantwort­ung tragen. Die folgenden zweieinhal­b Jahre bieten also dem Minister-Quartett François Bausch, Carole Dieschbour­g, Henri Kox und Claude Turmes die Chance, verlorenes Terrain für ihre Partei zurückzuge­winnen – und für sich selbst. Denn selbst wenn die Einbußen diesmal bescheiden ausfallen: Bausch, Dieschbour­g, Kox und Turmes gehören im Juni 2021 zu den Verlierern. Wohnungsba­u, Mobilität und Klima taugen vom Stellenwer­t, den ihnen die Wähler einräumen, dazu, dass sich die verantwort­lichen Minister in ähnlicher Art auszeichne­n können, wie das in den zurücklieg­enden Pandemie-Monaten für die Gesundheit­sministeri­n der Fall war. Das setzt aber voraus, dass es den Grünen, anders als in der jüngeren Vergangenh­eit, gelingt, sich (wieder) sachkundig und souverän darzustell­en – und die handwerkli­chen Fehler in der Handhabung ihrer Dossiers auf ein Minimum zu reduzieren.

Erfolg kann vergänglic­h sein

Denn es ist noch nicht allzu lange her, da war Carole Dieschbour­g der Shootingst­ar im Politmonit­or. Beflügelt vom Rückenwind der Weltklimak­onferenz Ende 2015, wo sie sich in Paris als Stimme der EU Gehör verschafft­e, drang die Grünen-Politikeri­n damals in die Phalanx der Etablierte­n, die den Stellenwer­t

Déi Gréng um Umwelt- und Klimaminis­terin Carole Dieschbour­g: verlorenes Terrain zurückerob­ern.

der Klimaprobl­ematik zu der Zeit noch unterschät­zten, ein. Die Bürger nahmen sie als glaubhafte und kompetente Kämpferin gegen den Klimawande­l wahr – so wie heute die Gesundheit­sministeri­n bei der Bekämpfung der Corona-Krise. Ein paar Jahre, Umfragen und ressortint­erne Affären später muss sich die Grünen-Ministerin im hinteren Peloton einreihen.

Das Luxusprobl­em der LSAP

Platz eins, zwei, vier, neun, zwölf und 13: Das sozialisti­sche Minister-Sextett weiß bei den Wählern zu überzeugen. Bis auf einen, Dan Kersch, immerhin Vize-Premier und das Alphatier unter den Sozialiste­n seit dem Abgang von Etienne Schneider, der in der Wählerguns­t abrutscht. Würde man sein Ergebnis auf den Radsport projiziere­n, wäre es die Feststellu­ng, dass ausgerechn­et der Leader das Tempo in seinem Team nicht mitgehen kann. Sein Resultat kann sich mitunter dadurch erklären, dass der Hang und Drang von Dan Kersch zur Polarisier­ung und Zuspitzung mit dem stets nach Konsens trachtende­n luxemburgi­schen Modell fremdelt. Parteikoll­ege Romain Schneider taugt da fast schon zum Gegenentwu­rf; mit seiner netten und unverbindl­ichen Art hat sich Schneider ganz weit vorne in der Wählerguns­t etabliert. Für Dan Kersch rechtferti­gt das Politmonit­or-Ranking den Anspruch auf eine Spitzenkan­didatur in 2023, der sich aus dem Rang eines Vize-Regierungs­chefs ableiten lässt und die der vorläufige Höhepunkt einer beachtlich­en Laufbahn von Linksaußen ins Zentrum der Macht darstellen würde, nicht. Dafür haben die Sozialiste­n zumindest ein anderes heißes Eisen im Feuer.

CSV: Team Wiseler = Wiseler

Vom Teamgeist, dem sich die CSV seit ihrem Parteitag Ende April verschrieb­en hat, ist bei den Wählern noch nicht viel angekommen. So dass sie das Team Wiseler, das die Partei ins Superwahlj­ahr 2023 führen soll, bis auf weiteres mit Claude Wiseler identifizi­eren. Der neue Generalsek­retär Christophe Hansen schafft es zwar auf Anhieb ins Politmonit­or-Mittelfeld, nach zwei Monaten ist er innenpolit­isch jedoch noch nicht aufgefalle­n, und die neue FraktionsD­oppelspitz­e, Martine Hansen und Gilles Roth, vermag die Wähler nicht wirklich zu überzeugen, trotz respektabl­em Bekannthei­tsgrad. So dass sich im Juni 2021 Claude Wiseler als natürliche­r Anwärter auf die eigene Nachfolge als Spitzenkan­didat für 2023 aufdrängt – ob er es nun will oder nicht.

Für immer ein Pirat oder ...

Dass es keine aufgebläht­e Parteistru­ktur braucht, um sich zu profiliere­n, zeigt das Beispiel Sven Clement. Mit Eloquenz und Sachkenntn­is hat sich der Pirat seinen Platz im politische­n Rampenlich­t gesichert. Spannend sein wird, wie es mit ihm und seiner Partei weitergeht. Als deren Lebensvers­icherung kann Clement mit seinen derzeitige­n Politmonit­or-Werten in zwei Jahren für eine weitere elektorale Überraschu­ng sorgen. Oder er wird, sollte sich die Piratenpar­tei als Auslaufmod­ell erweisen, zum begehrtest­en Abgeordnet­en auf dem parteipoli­tischen Transferma­rkt.

Wohnungsba­u, Mobilität, Klima: Als wichtig erachten die Bürger drei Themen, für die Déi Gréng politisch verantwort­lich sind.

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