Sorgenkinder
Was der Politmonitor an Erkenntnissen offenbart – eine Analyse
Das Ergebnis könnte schlechter ausfallen: Mehr als zwei Drittel der Politmonitor-Befragten stellen Blau-Rot-Grün zur Hälfte der Legislaturperiode eine gute Note aus. Sogar jeder zweite CSV-Stammwähler ist mit der Arbeit von Bettel&Co zufrieden.
Um diese Bilanz in der zweiten Halbzeit zu verbessern, braucht die Regierung nun „bloß“die Sorgen ihrer Bürger zu berücksichtigen – was theoretisch umso leichter fallen sollte, da es keine Zweifel gibt, um welche Sorgenkinder es sich handelt: Mit weitem Abstand vor anderen Themen dominieren der Wohnungsbau; Mobilität und Klimaschutz räumen die Befragten ebenfalls eine große Bedeutung bei. Praktisch wird sich die Sache gewiss schwieriger gestalten, denn auf allen drei Themenfeldern haben sich auch bereits Vorgängerregierungen, unter anderem Blau-Rot-Grün-I, schwer getan.
Déi Gréng: Vorlage vom Wähler
Wohnungsbau, Mobilität, Klima: Dominieren tun drei Themen, für die Déi Gréng die politische Verantwortung tragen. Die folgenden zweieinhalb Jahre bieten also dem Minister-Quartett François Bausch, Carole Dieschbourg, Henri Kox und Claude Turmes die Chance, verlorenes Terrain für ihre Partei zurückzugewinnen – und für sich selbst. Denn selbst wenn die Einbußen diesmal bescheiden ausfallen: Bausch, Dieschbourg, Kox und Turmes gehören im Juni 2021 zu den Verlierern. Wohnungsbau, Mobilität und Klima taugen vom Stellenwert, den ihnen die Wähler einräumen, dazu, dass sich die verantwortlichen Minister in ähnlicher Art auszeichnen können, wie das in den zurückliegenden Pandemie-Monaten für die Gesundheitsministerin der Fall war. Das setzt aber voraus, dass es den Grünen, anders als in der jüngeren Vergangenheit, gelingt, sich (wieder) sachkundig und souverän darzustellen – und die handwerklichen Fehler in der Handhabung ihrer Dossiers auf ein Minimum zu reduzieren.
Erfolg kann vergänglich sein
Denn es ist noch nicht allzu lange her, da war Carole Dieschbourg der Shootingstar im Politmonitor. Beflügelt vom Rückenwind der Weltklimakonferenz Ende 2015, wo sie sich in Paris als Stimme der EU Gehör verschaffte, drang die Grünen-Politikerin damals in die Phalanx der Etablierten, die den Stellenwert
Déi Gréng um Umwelt- und Klimaministerin Carole Dieschbourg: verlorenes Terrain zurückerobern.
der Klimaproblematik zu der Zeit noch unterschätzten, ein. Die Bürger nahmen sie als glaubhafte und kompetente Kämpferin gegen den Klimawandel wahr – so wie heute die Gesundheitsministerin bei der Bekämpfung der Corona-Krise. Ein paar Jahre, Umfragen und ressortinterne Affären später muss sich die Grünen-Ministerin im hinteren Peloton einreihen.
Das Luxusproblem der LSAP
Platz eins, zwei, vier, neun, zwölf und 13: Das sozialistische Minister-Sextett weiß bei den Wählern zu überzeugen. Bis auf einen, Dan Kersch, immerhin Vize-Premier und das Alphatier unter den Sozialisten seit dem Abgang von Etienne Schneider, der in der Wählergunst abrutscht. Würde man sein Ergebnis auf den Radsport projizieren, wäre es die Feststellung, dass ausgerechnet der Leader das Tempo in seinem Team nicht mitgehen kann. Sein Resultat kann sich mitunter dadurch erklären, dass der Hang und Drang von Dan Kersch zur Polarisierung und Zuspitzung mit dem stets nach Konsens trachtenden luxemburgischen Modell fremdelt. Parteikollege Romain Schneider taugt da fast schon zum Gegenentwurf; mit seiner netten und unverbindlichen Art hat sich Schneider ganz weit vorne in der Wählergunst etabliert. Für Dan Kersch rechtfertigt das Politmonitor-Ranking den Anspruch auf eine Spitzenkandidatur in 2023, der sich aus dem Rang eines Vize-Regierungschefs ableiten lässt und die der vorläufige Höhepunkt einer beachtlichen Laufbahn von Linksaußen ins Zentrum der Macht darstellen würde, nicht. Dafür haben die Sozialisten zumindest ein anderes heißes Eisen im Feuer.
CSV: Team Wiseler = Wiseler
Vom Teamgeist, dem sich die CSV seit ihrem Parteitag Ende April verschrieben hat, ist bei den Wählern noch nicht viel angekommen. So dass sie das Team Wiseler, das die Partei ins Superwahljahr 2023 führen soll, bis auf weiteres mit Claude Wiseler identifizieren. Der neue Generalsekretär Christophe Hansen schafft es zwar auf Anhieb ins Politmonitor-Mittelfeld, nach zwei Monaten ist er innenpolitisch jedoch noch nicht aufgefallen, und die neue FraktionsDoppelspitze, Martine Hansen und Gilles Roth, vermag die Wähler nicht wirklich zu überzeugen, trotz respektablem Bekanntheitsgrad. So dass sich im Juni 2021 Claude Wiseler als natürlicher Anwärter auf die eigene Nachfolge als Spitzenkandidat für 2023 aufdrängt – ob er es nun will oder nicht.
Für immer ein Pirat oder ...
Dass es keine aufgeblähte Parteistruktur braucht, um sich zu profilieren, zeigt das Beispiel Sven Clement. Mit Eloquenz und Sachkenntnis hat sich der Pirat seinen Platz im politischen Rampenlicht gesichert. Spannend sein wird, wie es mit ihm und seiner Partei weitergeht. Als deren Lebensversicherung kann Clement mit seinen derzeitigen Politmonitor-Werten in zwei Jahren für eine weitere elektorale Überraschung sorgen. Oder er wird, sollte sich die Piratenpartei als Auslaufmodell erweisen, zum begehrtesten Abgeordneten auf dem parteipolitischen Transfermarkt.
Wohnungsbau, Mobilität, Klima: Als wichtig erachten die Bürger drei Themen, für die Déi Gréng politisch verantwortlich sind.